Dass Johnnie To Mitte der Neunziger ab und an immer noch als Regisseur für Television Broadcast Limited und immer noch als Inszenator für deren Telemovies tätig war, ist eher ungewöhnlich für einen Filmemacher, der damals schon länger nicht nur für das Kino gearbeitet, sondern sich dort auch in unterschiedlichen Genre und dies mit durchaus erhöhten Budgets und der Arbeit mit als schwierig geltenden Stars bewährt und zusätzlich Erfolg bei Publikum und Kritikern hat. Der erneute Ausflug in die kleine Mattscheibe bei (The Iron Butterly III -) Tomorrow (1995) lässt sich immerhin als Abschluss einer von ihm mit The Iron Butterfly (1989) und The Iron Butterfly II - See No Daylight (1990) auch initiierten und weiter fortgeführten Trilogie erklären; bei Dead End fehlt diese Verbindung und die daraus entstandene 'Dringlichkeit'. Immerhin und wenigstens hat er hier mit Maggie Siu in einer der Hauptrollen jemand gefunden, die folgend noch vermehrt in seinen Arbeiten auftauchen sollte und mit zum Inventar der später gegründeten Milkyway Image (HK) Ltd. gehört:
Der junge Fu Zai [ Roger Kwok ] treibt sich unter den Fittichen seines 'Ziehvaters' Wang Dalong [ Kenneth Tsang ] in der Unterwelt eines kanadischen Chinatown herum; Wang Dalong selber ist aufgrund Korruption in den Polizeikreisen geflohen, aber illegalen Tätigkeiten wie Drogenhandel nicht gänzlich abgeneigt. Eines Tages will er Gangsterboss Tony [ Felix Lok ] über 'die Ohren hauen', was allerdings nicht funktioniert und er sich seitdem in der Bredouille befindet, zu einem ungünstigen Moment auch, besucht ihn doch gerade seine mit ihm zerstrittene Tochter Wang Xiuming [ Maggie Siu ], die damit den letzten Wunsch ihrer jüngst verstorbenen Mutter [ Lily Li ] erfüllt.
Als eigentlicher und eigenständiger Star des Heroic Bloodshed Geschehens funktioniert dabei eher Roger Kwok, welcher damals auch zuweilen die Kinos bespielt hat, aber schon eher dem Fernsehpublikum und dies bis einschließlich heute, also einer langjährigen, lang währenden Karriere an der Spitze seiner Möglichkeiten bekannt geworden ist. Kwok, dem eingangs einer Ähnlichkeit zu Leslie Cheung zugeschrieben wurde und dies sicherlich nicht geschadet hat, hat aber andere Klientel bedient, eher die seichten Geschichten, Aktionszenarien wie hier (neben Wonder Seven, 1994) die absolute Ausnahme, auch nicht der wirklich passende Typ dafür. Mit romantischen, überaus friedlichen Bildern wird hier auch begonnen, mit einem lieblichen Rückzugs- und Zufluchtsort, eine kleine Bank und weitere Sitzgelegenheit an einem Bächlein, beschützt von einer kleinen Baumreihe, ein Mann sitzend in Ruhe und Wartestellung. In Kanada wird begonnen, ein Brief studiert und vorgelesen, die Geschichte vom Ausland aus aufgezogen, der sicheren Ferne, der damals oft gewählten Position.
Die Geschicke bleiben dabei oft im eigenen Kreise, in der eigenen Blase, unter den gleichen Landsleuten, die Kontakte von der alten Heimat oder die der neuen. Ein Spiel im Hinterhofzimmer, im Dunkeln und fernab von Tageslicht und Legalität, Geheimnisse vor Anderen aus dem Bezirk und Geheimnisse auch vor den näheren Angehörigen. Kwok, der nie wieder bei To mitgespielt hat, wird hier von diesem als vollwertig und heißblütig und abgekühlt zugleich in Stellung gebracht und in Szene gesetzt, die Haare etwas länger, aber schnittig ins Gesicht fallend, die Kleidung leger, die Zigarette locker bis abgeklärt im Mundwinkel baumelnd. Erste schwierige Gespräche stehen an, eine Unzufriedenheit wird ausgedrückt, eine fehlende Wahl der Entscheidung, einige Überraschungen, die Geschichte an mehreren Orten, manche schlechter stehend und manche besser gehalten spielend, das Zentrum ist York, der zweitkleinste Distrikt von Toronto.
Es geht um das, was im Brief stand und was daraus gemacht wird, erste Dialoge und Handlungen meist, aber nicht nur zwischen Tsang und Kwok, dazu Bilder der städtischen Umgebung, der Bevölkerung, auch der Polizei. Außendreh und Internationalität werden geboten, Aufnahmen von gesellschaftlichen Leben und geheimen Konspirationen, von Konflikten und Konfrontativen und Konsequenzen, auch hier regiert Geld die Welt. Eine eher düstere, fatale Stimmung, ein Dead End wird vor allem musikalisch angestimmt, ein Leben in der Fremde, die meisten Verhältnisse einfach, eine erste Ohrfeige als Reaktion auf unpassenden Verhalten bzw. eine falsche Antwort. Eine zweite Ohrfeige folgt zugleich.
Interessanter als die Beziehungen der Figuren untereinander ist der Zeitpunkt der Dreharbeiten und der Umstand der Aussiedelung, der Ausgliederung in das von HK-Chinesen bevorzugte Land zur Auswanderung, kurz vor dem Handover von '97; die filmische Elite ist (für einen Moment) ausgetauscht gewesen, wer konnte und durfte, hat es bei Hollywood und Co. versucht, des Rest hat entweder übernommen oder sich zurückgezogen, To ist trotz sicherlich vorhandener Möglichkeiten geblieben und hat sich (ein)heimisch ein Imperium, eine Marke aufgebaut, seine eigenen Attraktionen errichtet und die eigene Arbeit zur Institution ausrufen lassen, ein lang anhaltender Gestus, mit Unterstützung von Publikum und vor allem auch Kritikertum. Der Film hier speziell ist eher übersehen, aufgrund der Herkunft und mangels 'Verfügbarkeit', die eingeschränkt war bis vor wenigen 'Tagen'; er wurde auf VCD veröffentlicht, und ist mittlerweile auch als on demand im Streamingbereich des herstellenden Senders erhältlich; er ist eher was für das Komplettieren, für das Vervollständigen des Œuvres. Er startet als Drama, er wechselt zum Crime, die Störung eines Drogenhandels durch die lokalen Gesetzeshüter, die heranrückenden Streifenwagen, der Ausbruch einer (kleinen) Schießerei.
Perspektiven werden geändert, neue Personen eingeführt, die Rolle von Maggie Siu als Einschnitt in das Bisherige, die Außenseiterin in der Gangsterbranche, als Erweiterung, auch als Einschränkung, wird sich ihretwegen auf andere Dinge konzentriert, eine weibliche Stimme, eine andere Sichtweise; ein kurzes Attentat in einer Waschanlage da bloß als ebenso kurze Ablenkung. Verbalisiert wird hier zu Beginn vermehrt, der Ton später rauer, eine Art Aufstand gegen die Verhältnisse auf einem Friedhof, erfolglos, ein paar Schergen hat's erwischt, der Boss mit Weste kugelsicher. Es wird getrunken, es wird observiert und verfolgt, sich ein Ziel auserkoren, die Gegend umfahren, der Radius eingezäunt. Kwok, als Beschützer und Begleiter abgestellt, später auch zum Mann der Stunde, zum Objekt des Interesses, zum Retter in der Not auserwählt, 'Romance Action' als die Bezeichnung des Ganzen, als umschreibendes und beschreibendes Genre. Der Bauerntölpel und die Lady, Gegensätze ziehen sich an, Träume werden kurz geträumt, die Realität vertrieben. Am Meisten zu schaffen hat lange der Komponist des Ganzen, William Wu, mit eingängigen Melodien, und der Fahrer des Drehteams, es wird geklimpert und sich im engeren und weiteren Areal umklammert, Kwok (mit auch Sängerkarriere) fängt auch mal an zu Trällern, das Herz der Frau ist prompt erobert. Ein Angriff im dunklen Haus ruiniert da bloß den Abend, die Zustände werden erst besser, dann schlimmer, hat man sich doch mit Gesindel abgegeben, ist man den falschen Leuten auf die Füße getreten, ist man jetzt Menschen mit Extremen.
Eine gute Besetzung ist dafür vorhanden, vor allem auch in Sachen Altgedienten, die Atmosphäre eigen, bisweilen nüchtern, dann wieder idealistisch, der Rhythmus nicht wirklich schnell, aber zwingend fortschreitend, ein Mord in einer Eissporthalle, die Gefahr wird zwingender, Aktion und Reaktion zwangsläufig heftiger. Eine blutige Auseinandersetzung in einem Pacific Western Reisebus (ein bisschen wie entsprechende Szene in Tsui Harks The Master – Einer muss der Beste sein, 1992) hat einige zivile Opfer zu beklagen, sowie einen Autostunt zu zeigen, das Nutzen der Verkehrsbetriebe, Trubel und Hetzjagd in der Großstadt, ein Shoot to Kill längst ausgerufen, Massaker in der Eisenbahn, ein Durchschlagen im freien Feld, eine gemeinsame Nacht unterm Sternenhimmel, die anfängliche Idylle kurz zurückgekehrt.