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Dissonanzen, Perversitäten & Genie

Was macht man als Genie und Meisterregisseur, wenn man mehr scheinbar famose Ideen und Geschichten im Kopf und Köcher hat, als man Langfilme machen kann? Selbst nun in der Traumfabrik angekommen und (wenn man mag) fest verankert? Klar, einen Omnibus von fast drei Stunden mit drei verschiedenen Episoden in bester Tradition von „Amores Perros“ oder „Night on Earth“. Über Macht, Kontrollverlust, Suchende und Verlorene, Führende und Fickende, Gefickte und Gefühlskälte, Verletzungen der Seele wie des Körpers, einer Gesellschaft und Individuen beherrscht von größeren Mächten. Aber Yorgos Lanthimos, der alte Grieche, wäre nicht Yorgos Lanthimos, der alte Grieche, wenn er diesem fiesen und etwas theaterhaften Triplet nicht ein paar Besonderheiten hinzufügen würde - z.B. dass drei Hollywoodstars und seiner liebsten Kollaborateure (Stone, Plemons, Dafoe) die Hauptrollen in allen drei unabhängigen Kurzfilmen spielen…

Eine Anthologie der anderen Sorte

In den besten Momenten macht mir Lanthimos echt Angst. Da erinnert er mich etwas an Kubrick im Horrormodus. Kompromisslos und kalt. Abgefuckt und anders. Dazu einige wirklich eklige Stories und seine drei Topdarsteller in aufopferungsvoller und null Angst habender Topform. Allein für diesen giftigen Cocktail lohnen sich die knapp drei Stunden. Das ist krank, das ist pervers, das ist ungemütlich, das ist brutal, das ist eklig, das ist unmenschlich. Und genau sowas will man als Filmfan ja sehen. Das lotet auch schonmal die Grenzen aus. Oder reißt diese gleich ganz ein. Mit eigenstem Humor, den ich schon kaum noch schwarz nennen würde, eher die Steigerung davon. Ganz klar eher wieder der „alte“ Lanthimos, nicht seine Hollywoodversion. Die es aber eh nie wirklich gab. Weichgespült wurde Lanthimos nie. Daher muss er mit „Kinds of Kindness“ keine Türen zuschlagen, die er nie ganz geöffnet, in die er eh immer wenn überhaupt nur hingespinkst hat. Und dennoch haben diese drei Episoden eine Andersweltlichkeit und Kälte, eine Schmerzgrenze und Reißzähne, Narben und Tabubrüche, die außer Lanthimos kaum einer dermaßen konsequent auf die Leinwand bringen kann. „Kinds of Kindness“ vibriert noch nach. Selbst wenn es während seiner Laufzeit auch mal zu Längen und Unverständlichkeiten und Unverträglichkeiten kommen kann. Doch er kauert und lauert noch Tage danach im Nacken. Ein Triptychon der Tränen. Eine Anklage der Ahnungslosen. 

Fazit: Lanthimos' geht all-in. Plemons gleich mit. Emma Stone auch. Und Willem Dafoe ist eh ein Schatz. Drei zum Preis von einem. Eiskalt und fies. Surreal und komplex. (Un-)Freundlich und facettenreich. Fast ausschließlich für Lanthimos-Fans. Und joa, ich würde mich dazuzählen. 

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