70 Jahre alt ist dieser Hitchcock-Streifen mittlerweile, hat dabei aber längst nicht so viel Patina angesetzt, wie viele Filme erheblich jüngeren Produktionsdatums.
In seinem Entstehungsjahr 1935 hatte „The 39 Steps“ alle Voraussetzungen zum Kassenschlager. Die literarische Vorlage von John Buchan war ein Bestseller (allerdings übernahm Hitchcock für den Film nur das Handlungsgerüst des Romans), die beiden Hauptdarsteller waren aufstrebende Stars und das Genre des Spionagefilms war „en vogue“.
Der Feind wurde in diesen Filmen jedoch noch nicht beim Namen genannt, sondern lediglich als „fremde Macht“ bezeichnet. Dies änderte sich erst mit Beginn des 2. Weltkrieges und im anschließenden „Kalten Krieg“, als die Fronten klar abgesteckt waren.
Hitchcock, der „The 39 Steps“ immer als einen seiner Lieblingsfilme bezeichnet hat, benutzt hier altbekannte Topoi des Spannungskinos, wie das ungleiche Paar, das mit Handschellen aneinander gefesselt, auf der Flucht ist oder das Gesangsbuch in der Brusttasche, das eine tödliche Kugel aufhält. Gleichzeitig lässt er in den gemeinsamen Szenen von Robert Donat und Madeleine Carroll „Screwball Comedy“ aufblitzen.
Sehr schön sind bereits in diesem frühen Hitchcock zwei seiner stets wiederkehrenden Kunstgriffe zu erkennen, mit denen er der Handlung Drive verleiht.
Zum einen die Figur des Mannes, der unschuldig eines Verbrechens verdächtigt wird und, während er selbst von allen gehetzt wird, im Alleingang eine Verschwörung aufdecken muss, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Zum zweiten der so genannte „MacGuffin“, ein an und für sich eher belangloser Tatbestand oder Gegenstand, der nicht detailliert erklärt wird, aber zum Objekt der Begierde der handelnden Personen eingesetzt wird und deren Aktionen motiviert und vorantreibt.
In „The 39 Steps“ ist dieser „MacGuffin“ ein ziemlich hanebüchenes Geheimprojekt der Royal Air Force.
Der Film wirkt natürlich nach all den Jahren nicht nur „very british“, sondern auch ziemlich „old fashioned“. Und man darf sicherlich nicht den Fehler begehen ihn mit thematisch ähnlich gelagerten Produktionen neuester Zeit wie z.B. „The Bourne Identity“ zu vergleichen.
Aber es gibt dennoch eine Vielzahl von Gründen, die ihn auch heute noch sehenswert machen: Der rasante Handlungsverlauf, der dem Helden fast nie eine Atempause lässt. Die unterschwellige Ironie, die sich durch den ganzen Film zieht und Hitchcock auch die Möglichkeit gibt einzelne Aspekte des damaligen britischen „way of life“ zu karikieren. Das lässige Zusammenspiel von Robert Donat und Madeleine Carroll. Die herrlichen Charaktervisagen in den Nebenrollen, die durchweg mit angesehenen Bühnendarstellern besetzt wurden und Hitchcocks innovativer Umgang mit dem Ton (der Tonfilm war damals noch nicht einmal 10 Jahre alt).
Und zu guter Letzt kann man daran, wie der Regisseur einen strenggläubigen Farmer als geldgierigen und bigotten Heuchler entlarvt und Robert Donat, als dieser auf der Flucht vor der Polizei in eine Wahlveranstaltung gerät, dort aus dem Stehgreif eine pathetische Rede zur Freiheit des Individuums halten lässt, auch einiges über die persönlichen Haltung des Alfred Hitchcock erfahren.