Review

Im Auge des modernen Sturms

Jan de Bonts „Twister“ von 1996 ist ein Musterexemplar des 90er-Blockbusterkinos, ein Orkan aus practical effects, High-Concept-Drama und unverschämter Spielfreude. Bis heute gilt er als Messlatte für Katastrophenfilme. Nun, fast drei Jahrzehnte später, wagt sich Lee Isaac Chung – derselbe Regisseur, der uns das zarte, poetische Minari schenkte – daran, in diese Sturmfurchen zu treten. Ein Genre, das traditionell eher für brachiale Spektakel als für fein ziselierte Figurenstudien bekannt ist. Und Überraschung: Er meistert den Spagat mit einer Eleganz, als hätte er seit Jahren nichts anderes inszeniert. „Twisters“ ist kein lahmer Aufguss, keine seelenlose IP-Reanimation. Es ist ein modernes, gewaltiges und audiovisuell berauschendes Stück Kinospektakel, das die Tradition seines Vorgängers ehrwürdig aufgreift und zugleich mit eigener Handschrift versieht – dynamisch, laut, bildgewaltig und überraschend charakterfokussiert.

Die Dramaturgie von „Twisters“ folgt auf angenehme Weise vertrauten Bahnen: Ein Team eigenwilliger, hochmotivierter Sturmjäger, persönliche Konflikte, wissenschaftliche Ambitionen, Wetterfronten, die aussehen, als hätten sie ein Waffendepot verschluckt – alles da, alles richtig. Doch Chung und sein Autorenteam verstehen es, das bekannte Gerüst zu modernisieren, ohne die nostalgische DNA des Vorgängers zu verlieren. Die Geschichte wirkt nie wie ein geschicktes Recycling, sondern eher wie eine liebevolle Fortführung und Neuinterpretation: Klassische Motive tauchen wieder auf, aber in einem zeitgeistigen Gewand, das smarte Technologie, ökologische Untertöne und fein gezeichnete Charakterbögen mit einbezieht. Das Tempo sitzt, die Dialoge sind knackig. Das Drehbuch balanciert geschickt zwischen persönlichem Drama, wissenschaftlicher Faszination und blockbuster-tauglichen Zuspitzungen. Der Film versteht es, charakterliche Konflikte glaubwürdig zu zeichnen – und diese glaubwürdigen Konflikte dann, im richtigen Moment, in großformatigem Spektakel aufzulösen.

Chungs Inszenierung verbindet erzählerische Klarheit mit einer Lust an visueller Dynamik. Es gelingt ihm meisterhaft, die Faszination am Sturm einzufangen – gleichzeitig Respekt, Angst und magnetische Anziehung. Kinetik. Abrissbirnenhafte Energie. Ein Spektakel, das reinhaut. „Twisters“ nutzt die heutigen technischen Mittel, um immersiver denn je ins Auge des Sturms zu führen. In Momenten maximaler Zerstörung wahrt der Film eine bemerkenswerte Übersicht. Die CGI-Effekte sind exzellent. Die Wirbelstürme wirken organisch, gewaltig, real. „Twisters“ steht in dieser Hinsicht seinem legendären Vorgänger in nichts nach – und übertrifft ihn an manchen Stellen sogar. Auch das Sounddesign ist famos: Das Fauchen des Winds, das donnernde Brechen von Strukturen, das tiefe Brummen eines Tornados, der aus der Ferne seine Ankunft ankündigt – es klingt nicht nur realistisch, es fühlt sich real an. Der Score unterstützt das Ganze mit treibenden Themen, die zwischen modernem Blockbuster-Bombast und klassischen Abenteuermotiven pendeln.

Glenn Powell und Daisy Edgar-Jones tragen den Film mit bemerkenswerter Leichtigkeit. Powell bringt die perfekte Mischung aus Charisma, Unangepasstheit und verletzlicher Selbstüberschätzung mit – ein moderner Cowboy im Auge des Hurrikans. Edgar-Jones gibt die introvertierte Forscherin mit emotionalem Kern. Ihr Spiel ist klug und nuanciert. Die Chemie zwischen den beiden ist hervorragend, und man spürt in jeder Szene, dass sie die Tragfähigkeit des Films kennen und ernst nehmen. Beide schaffen es, den Balanceakt zwischen emotionaler Verletzlichkeit und genrekonformen Coolnessmomenten zu meistern, ohne je ins Karikaturhafte abzurutschen. Gerade in einem Film, der so stark vom Spektakel lebt, ist das ein seltenes, wertvolles Gegenwicht.

Fazit

„Twisters“ ist die seltene Sorte Blockbuster, die sowohl ein triumphales Spektakel als auch ein filmisches Statement abgibt: So geht modernes Katastrophenkino. Lee Isaac Chung gelingt das Kunststück, die DNA des 90er-Kults „Twister“ zu bewahren und gleichzeitig ein frisches, energisches, visuell berauschendes Update für das 21. Jahrhundert zu liefern. Audiovisuell ein absolutes Fest, dramaturgisch solide, atmosphärisch dicht und getragen von zwei fantastischen Hauptdarstellern. Kurz gesagt: „Twisters“ liefert perfektes Popcornkino, das mit brachialer Intensität, exzellenten Effekten und überraschender emotionaler Intelligenz punkten kann. Ein gewaltiges, donnerndes, mitreißendes Blockbustervergnügen.






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