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Zurück im Schleimparadies der Angst

Es ist schon fast ein Ritual: Alle paar Jahre wagt sich jemand wieder in die düsteren Eingeweide des Alien-Universums, um dem Xenomorph neues Leben einzuhauchen – oder zumindest frisches Blut zu spendieren. Meist endet das Unterfangen in philosophischem Größenwahn (Prometheus), digitalem Bombast (Covenant) oder schlicht in Ratlosigkeit. Ein wilder, manchmal bizarr missratener Ritt durch Prequels, Spin-offs und existenzielle Androidenmonologe, bei denen man nicht wusste, ob man Angst haben oder sich lieber ein Philosophiestudium zulegen sollte. Der Schrecken, der 1979 aus Ridley Scotts metallischem Alptraum kroch, schien für immer verloren zwischen Schöpfungsmythos und CGI-Gelatine.

Und dann kommt Fede Álvarez, der Horrorhandwerker aus Uruguay, der schon mit seinem Evil Dead-Remake bewiesen hat, dass er den feinen Unterschied zwischen bloßer Splatter-Schlacht und echtem Horror versteht. Mit „Alien: Romulus“ wagt er nun den Schritt zurück in die Dunkelheit, dorthin, wo alles begann – in die beklemmenden Eingeweide eines Raumschiffs, in den Nebel der kalten Galaxis, in die zischende Nähe des puren, animalischen Grauens. Und siehe da: Es funktioniert erstaunlich gut. Nicht perfekt, aber intensiv, atmosphärisch und respektvoll gegenüber dem Erbe.

„Alien: Romulus“ spielt zwischen Scotts Original und Camerons brachialem Nachfolger „Aliens“ – eine Übergangszeit, in der Technologie noch rostet und der Weltraum nicht glänzt, sondern tropft. Álvarez setzt auf das bewährte Grundrezept der Reihe: Eine kleine Gruppe junger Kolonisten – darunter die entschlossene Rain (Cailee Spaeny) und ihr stiller Vertrauter Andy (David Jonsson) – stößt in den Weiten des Alls auf ein verlassenes Forschungsschiff. Natürlich dauert es keine zehn Minuten, bis sich jemand zu weit über ein merkwürdiges Ei beugt – und der Rest ist galaktische Folklore mit Schleim und Schreien. Álvarez weiß, dass er das Rad nicht neu erfinden muss – er lässt es einfach wieder knirschend und blutig rollen.

Das Drehbuch, ebenfalls von Álvarez und Rodo Sayagues, hat seine holprigen Momente – manche Dialoge wirken, als seien sie aus dem „Space Marine-Handbuch für Anfänger“ entnommen –, aber es schafft, was „Prometheus“ und „Covenant“ kläglich verfehlten: Es interessiert sich wieder für Menschen. Nicht für Götter, Schöpfung oder metaphysische Diskurse, sondern für pure, nackte Angst. Was „Romulus“ so stark macht, ist nicht, was man sieht, sondern wie wenig man sieht. Álvarez inszeniert den Schrecken wie ein altes Handwerk: geduldig, strukturiert, respektvoll. Das Set-Design atmet die industrielle Trostlosigkeit der ersten beiden Filme: kalte Stahlwände, tropfende Rohre, flackernde Neonlichter. Álvarez spielt mit Nostalgie, aber er ertränkt sich nicht darin. Seine Bildsprache ist vertraut, aber nie altbacken. Die Kameraarbeit, von Galo Olivares, ist beeindruckend. „Romulus“ verzichtet auf überstylte Shots oder hektische Schnittgewitter. Stattdessen gibt es lange, schleichende Fahrten durch klaustrophobische Schächte und Maschinenräume. 

Ein Xenomorph aus Fleisch und Stahl

In Zeiten, in denen Monster meist aus Rechenzentren stammen, wirkt es fast subversiv, dass Álvarez wieder auf practical effects setzt. Keine überladenen CGI-Schlachten, keine digital glänzenden Schleimmonster – hier sieht, riecht und fühlt sich alles echt an. Der Xenomorph ist ein biomechanisches Wunderwerk, eine perfekte Symbiose aus Giger’schem Albtraum und handwerklicher Präzision. Kein überpolierter Hochglanz-Albtraum, sondern ein organisch schmutziger, analoger Horror. Die Action selbst ist selten, aber umso wirkungsvoller. Keine Dauerfeuerorgien, sondern kurze, brutale Ausbrüche – Blut, Metall, Stille. Das Tempo ist perfekt dosiert: genug Adrenalin, um das Publikum auf Trab zu halten, aber nie so viel, dass es den Schrecken überlagert.

Cailee Spaeny als Hauptfigur Rain ist eine echte Entdeckung – oder besser gesagt: eine Erinnerung daran, dass Alien-Filme dann am besten funktionieren, wenn sie eine starke, verletzliche, menschliche Frau im Zentrum haben. Spaeny kanalisiert die junge Sigourney Weaver, ohne sie zu imitieren. Ihre Figur ist nicht Ripley 2.0, sondern eine neue, glaubwürdige Heldin – entschlossen, aber nicht unverwundbar. David Jonsson liefert ebenfalls eine starke Performance. Er verleiht seiner Rolle eine subtile Tiefe, der Rest des Casts ist in Ordnung ohne dass jemand besonders heraussticht – solide, verlässlich, blutig.

„Alien: Romulus“ hat keine Ambitionen, die Schöpfung zu erklären oder die Existenz des Menschen zu dekonstruieren. Und genau das ist seine Stärke. Der Film verzichtet auf das pseudointellektuelle Pathos, das Ridley Scott in den letzten Jahren so liebte. Stattdessen bekommt man wieder das, was Alien einst groß machte: den Kampf ums nackte Überleben. Natürlich, die Story ist vorhersehbar. Natürlich, die Figuren folgen dem bekannten Muster: einer geht allein, einer schaut zu tief in ein Ei, einer stirbt zu früh. Doch Álvarez inszeniert das alles mit solcher Sorgfalt und solcher Hingabe, dass man sich daran erinnert, warum diese Formel überhaupt funktioniert. Weil sie universell ist. Visuell ist „Romulus“ eine Rückkehr zu etwas, das man fast vergessen hatte: zu Textur, zu Materialität. Die Sets wirken echt, benutzt, schmutzig. Diese physische, taktile Qualität verleiht dem Film jene Glaubwürdigkeit, die „Covenant“ so schmerzlich fehlte.

Fazit

Fede Álvarez hat mit „Alien: Romulus“ die DNA der Reihe wiederbelebt. Kein philosophischer Overkill, kein überkomplexes Worldbuilding, kein selbstverliebtes CGI-Gewitter – stattdessen ein Rückgriff auf das, was Alien einst groß machte: Enge Räume, reale Monster, echte Angst. Natürlich ist „Romulus“ kein Meisterwerk. Das Drehbuch bleibt konventionell, die Charaktere funktionieren oft eher als Schachfiguren im Spiel des Schreckens, und nicht jede Szene hat die ikonische Wucht der Klassiker. Aber das ist okay. Denn Romulus ist kein Versuch, „Alien“ zu übertreffen – sondern ihm gerecht zu werden. Mit seinem Gespür für Atmosphäre, seiner Liebe zum handgemachten Horror und einem unerschütterlichen Respekt vor der Vorlage zeigt Álvarez, dass er nicht nur weiß, wie Horror funktioniert – sondern auch, warum. Ein Film, der die Reihe nicht revolutioniert, aber rehabilitiert. Ein würdiger Eintrag in ein Franchise, das endlich wieder weiß, was es ist: ein Albtraum aus Fleisch, Metall und Angst.

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