Anthony Minghellas Remake "Der Talentierte Mr. Ripley" des 1960 erschienenen "Nur die Sonne war Zeuge" lässt sich im Storyaufbau reichlich Zeit, was eine explizite Charakterstudie des Tom Ripley ermöglicht. Durch seine Verwandlungskünste erhält er von einem reichen Mann den Auftrag, seinen Sohn Dickie aus dem sonnigen Italien zurückzuholen. Eine vornehme Ausstrahlung legt Tom schon dort an den Tag, doch weitere Eigenschaften offenbart er erst mit dem Leben im südlich gelegenen europäischen Staat. Seine Brille erweckt beim Zuschauer sofort einen stiefmütterlichen Eindruck. Seine brave, unschuldige Erscheinung stellt ihn sympathisch, aber dennoch relativ verklemmt dar. Im italienischen Szeneleben zeigt sich Tom als ein Anhängsel. Egal wo in welcher Situation; er ist immer das dritte Rad am Wagen; er ist ein Langweiler.
Ein exzessives Leben, wie Dickie es führt, liegt ihm nicht. Doch trotzdem gibt es da einen gewissen Neid, den Tom allerdings unterdrückt, sowie er viele Gefühle nicht aus sich raus lässt. Eifersucht und gleichgeschlechtliche Liebe brodeln unter seinem Deckmantel. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Vulkan Tom Ripley ausbricht und die psychische Verletzung an die Oberfläche tritt. Mit der Ermordung von Dickie ist es dann geschehen, was sich schon lange zuvor andeutete. Erstaunlich, dass es durch den sehr zähen Narrationsfluss fast eine Stunde gedauert hat, bis sich der treibende Motor endlich warm gelaufen hat. - Ein Beleg für die offensichtlich lahm voranschreitende Handlung, die jetzt ihre entscheidende Wendung nimmt, da Tom nun arg in Bredouille gerät. Bei der Vertuschung seiner Tat stellt her sich sehr geschickt an, doch weitere Konfrontationen mit diesem Thema sind unvermeidlich, worauf Tom mit dem nächsten Ausraster reagiert und sich immer tiefer in die Problemlage reitet. Wie er dem gefährlichen Treibsand, der ihn immer tiefer sinken lässt, entkommen will, bleibt für den Zuschauer stets die entscheidende Frage, für die der Schluss eine nachdenkliche, offenherzige Antwort parat hält. Bis es dazu aber kommt, vergehen auch mehrere überflüssige Passagen, wodurch ein kontinuierlicher Spannungsbogen bedauerlicherweise nicht Zustande kommen kann.
Dafür entschädigt einerseits aber die akkurate Inszenierung, die schon zu Anfang im Vorspann mit interessanten Bildübergängen andeutet, dass hier ein groß angelegter Punkt der Optik galt. Charmante, luftige Bilder aus Italien werden von der Kamera mitunter herrlich eingefangen. Aber auch das Szeneleben oder andere Veranstaltungen werden stets elegant und stilvoll in Szene gesetzt und stimmungsvoll mit passenden Klängen begleitet. Anderseits kann ein Matt Damon mit seiner Darstellung des Mr. Ripley ebenfalls exzellieren. Da zeigt sich, dass nicht nur seine Figur Verwandlungstalente besitzt, sondern auch Damon selbst zu so guten Leistungen fähig ist. Die Nebenrollen wurden mit unter anderem Gwyneth Paltrow oder Jack Davenport auch hervorragend besetzt. Jude Law kann sich mit der Verkörperung des Dickie Greenleaf aus der Gruppe der Nebendarsteller sogar noch herauskristallisieren. Mit viel Freude am Leben, aber auch Eitelkeit und Arroganz überzeugt er in seiner Rolle.
Schade, dass durch die ab und zu unnötig langatmige und langgezogene Erzählweise durchgängige Spannung verloren geht, was zur Folge hat, dass mehr als einmal Ansehen hier nicht zwingend von Nöten ist. Trotz alledem ist "Der Talentierte Mr. Ripley" dank sehr expressiv agierender Darsteller und aparter Optik ein rundum gelungenes Remake. (7+/10 Punkten)