Review
von Alex Kiensch
Die Kriminalromane der britischen Autorin Patricia Highsmith wurden schon zahlreich für das Kino adaptiert - am berühmtesten vielleicht mit Alain Delon als raffinierter und mörderischer Identitäts-Dieb in "Nur die Sonne war Zeuge". Dieser Klassiker des eleganten Krimis wurde 1999 unter der Regie von Anthony Minghella mit Matt Damon in der Titelrolle als "Der talentierte Mr. Ripley" neu verfilmt: wieder ein großartiger Thriller über die seelischen Untiefen eines jungen Mannes, der sich mit Tricks und falschen Identitäten durchs Leben schummelt und sich nach einem Affektmord immer tiefer in ein tödliches Netz aus Lügen und Intrigen verspinnt.
Matt Damon brilliert in diesem durch und durch elegant inszenierten Psychogramm. Mit feinsten mimischen und gestischen Nuancen verleiht er seiner Rolle eine Tiefgründigkeit und undurchschaubare Vielschichtigkeit, die von der ersten bis zur letzten Szene in ihren Bann zieht. Mit seinem unschuldig-naiven Lächeln, das nie ganz ehrlich und nie ganz aufgesetzt wirkt, lässt er den Zuschauer stets im Ungewissen darüber, was in seinem Inneren wirklich vorgehen mag. Kurze, aber sehr prägnante Szenen, wenn er vor dem Spiegel steht und seine scheinbar guten Freunde bösartig nachäfft, lassen dabei immer wieder eine psychopathische Ader unter der glatten, stets beherrschten Oberfläche durchschimmern, die sich nur in Momenten höchster Spannung deutlicher zeigt. Mit diesem unglaublich differenzierten und intensiven Spiel erschafft Damon eine der interessantesten und unheimlichsten Figuren der jüngeren Filmgeschichte.
Aber auch der restliche Cast macht seine Sache hervorragend, auch wenn er aufgrund der Figurencharakterisierung keine so eindrücklichen Szenen bekommt. Einzig der große Philip Seymour Hoffman sprengt mit seiner Leidenschaft als kaltschnäuziger, hipper Jazz-Musiker in den wenigen Minuten, die er zu sehen ist, beinahe das Bild. Ansonsten gilt: Jude Law, Gwyneth Paltrow, Cate Blanchett - sie alle spielen großartig, erblassen aber vor der Figur des furchteinflößend talentierten Mr. Ripley.
Diese Schauspielkunst wird durch die formal strenge Inszenierung zusätzlich untermauert. Mit eleganter Kameraführung, unaufdringlichem Soundtrack und lichtdurchfluteten Bildern der italienischen Mittelmeerküste setzt Regisseur Minghella dem durchtriebenen Spiel einen beinahe kontrapunktischen Rahmen. So gerät die Darstellung italienischer Dörfer oder des hektischen Treibens der Metropolen zwar beinahe zur Postkarten-Verklärung, bietet aber einen zutiefst ästhetischen Hintergrund, auf dem sich homoerotische Andeutungen und psychische Machtkämpfe ausbreiten.
Dieser durchgehenden formalen Eleganz bleibt der Film immer treu. So erwächst die erste von nur zwei blutigen Szenen aus einem atemberaubend intensiven Dialog-Duell. Überhaupt wird hier Höchstspannung mit einfachsten Mitteln, mit Andeutungen, kleinen Details oder komplizierten Schnitten erzeugt. So stockt dem Zuschauer vor allem in der zweiten Hälfte immer wieder der Atem, ohne dass auf der Leinwand große Action oder Gewaltszenarien gebraucht werden. Dafür sollte der Zuschauer stets konzentriert bleiben, um bei dem Spiel mit Identitäten und Lügengeschichten nicht den Überblick zu verlieren.
Das alles macht "Der talentierte Mr. Ripley" zu einem Musterbeispiel an Eleganz, psychologischer Vielschichtigkeit und nervenzerreißender Spannung, der einiger kleiner Klischees in einzelnen Szenen zum Trotz einer der besten Thriller der 90er sein dürfte.