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Ein zeitiges, um 1992 geplantes Remake Marke Hollywood, wahlweise mit Denzel Washington, Bruce Willis, Richard Gere oder anderen aktiven Darstellern aus der Gerüchteküche (und unter Walter Hill) wäre schon nicht zu vergleichen gewesen mit dem Film von John Woo, welcher Ende der Achtziger als Bestandteil und zuweilen gesehen auch Höhepunkt der Heroic Bloodshed Welle aus Hongkong hinüberschwappte in den Westen. Der Film wäre möglicherweise männlicher geworden, mehr Maskulinität und Machismo, was damals noch gefragt war, er wäre natürlich in den Kinos gelandet, mit Stars und einem gefragten Regisseur platziert. Ganze 35 Jahre später ist nicht bloß Woo auch um 35 Jahre älter (und weiser?), sondern sind die Jahrzehnte vergangen, der Zeitgeist hat sich komplett geändert, man hat Entwicklungen durchgemacht, die Mancherlei nicht passen, aber nun mal unumgänglich sind.

Dass Woo mit dem chinesischen Manhunt (2017) sich schon weniger an das dortige japanische Original von '76 und mehr an seinem eigenen als Klassiker verschriebenen Film orientiert hat, dürfte den wenigen Zuschauern von dort – der Film war ein Flop – schon aufgefallen sein, die Paarung Cop und (mutmaßlich) gesuchter Killer, die Gangsterhorden, die Todesschwadronen, auch dort wurde schon bemäkelt und kritisiert und weggeschaut, hier bei The Killer ist das durch die eingangs geringfügige Verbreitung für einen relativ frischen Streamingdienst auch der Fall gewesen, schon die Besetzung, das Setting, die Veränderung vom Schauplatz und der Tonart an sich. Der Film hätte so, wie er jetzt ist, auch in den Kinos laufen können, wäre aber ebenso wie der vorherige Silent Night (2023; welcher eher an Death Sentence erinnert oder den '18er Death Wish) recht untergegangen, er wurde nicht gänzlich verrissen, er wurde nur mit Enttäuschung auch schon aus der Verklärung des Originals heraus, mit einer Durchschnittlichkeit aufgenommen. Er ist zu aseptisch und zu klinisch rein geraten, trotz etwas grafischer Gewalt, die aber tatsächlich eher wie der viel beschworene Balletttanz wirkt, er überhöht seine Titel- und Hauptfigur, er interessiert sich überhaupt nicht für das erblindete Opfer und er lässt den Polizisten ziemlich die zweite Geige spielen; zudem gesetzt an einem lebendigen, einem hellen, einem künstlerischen Ort, der Stadt der Liebe statt einem dunklen Moloch.

Dass das Projekt wie erwähnt für den digitalen Konsum produziert wurde – es bekommt später noch seinen Release für die Heimmedien, mit einer BBFC 15 Freigabe – wird das Budget begrenzt haben, ansonsten ist Frankreich für den Regisseur auch eine Rückkehr zu den Zeiten zu Once a Thief (1991), der bereits als zu freundlich und zu 'weich' aufgenommen wurde, er zeigt einen alternden Filmemacher mit Höhen und Tiefen in der Karriere, mit wechselnden Spielarten, mit vielerlei Ausprobieren, mit mancherlei Scheitern und einem Ruf, welcher maßgeblich aus eben den Dekaden vor dem Millennium gegeben ist und heutige Generationen nicht mehr interessiert. Abstand sollte man demnach nehmen von einem zu engen oder gar direkten Vergleich, den Film im Kontext und die Verwirklichung trotz jahrelanger Probleme, mit einem völlig anderen Team an Drehbuchautoren und einer ebenso völlig anderen Crew hinter der Kamera (außer Terence Chang als Produzent und Manager) auch sehen:

Zee [ Nathalie Emmanuel ] arbeitet in Paris als professionelle Killerin für Finn [ Sam Worthington ], der seine Anweisungen selber vom Gangsterboss Jules Gobert [ Eric Cantona ] erhält. Als Zee eines Nachts südosteuropäische Drogendealer um Serge [ Michaël Erpelding ] beseitigen soll, die zuvor den zwielichtigen arabischen Prinzen Majeb Bin Faheem [ Saïd Taghmaoui ] ausgeraubt haben, verletzt sie dabei auch die Sängerin Jennifer Clark [ Dianna Silvers ], die allerdings folgend in Anwesenheit des ermittelnden Polizeiinspektors Sey [ Omar Sy ] keine Identität der Täterin machen kann oder will, weswegen Zee den erneut ausgesprochenen Mordauftrag verweigert. Finn, dessen Geduld langsam am Ende ist, engagiert mit dem 'Ersatz' Chi Mai [ Angeles Woo ] und Julia [ Aurélia Agel ] zwei neue Mitarbeiter, ebenso wie er korrupte Cops auf die Zeugin und damit auch Zee ansetzt.

Universal Pictures steht hier mit dahinter, die Titel mit geschönter bis geschnörkelter Schrift, die ersten 'Werbe'- und Postkartenbilder, die Kamera stellt sich auch der Ruhe und Schönheit des Ganzen, sie zeigt ein Geschäft mit Loyalität und Verrat, mit Aufträgen nicht nur des Geldes wegen. Sonnendurchflutet die ersten Aufnahmen, keine Albträume wegen der vielen Toten davor und auch keine Ängste oder Befürchtungen wegen der noch kommenden Leichen, ein Großstadtmärchen fast, ein Abenteuer, ein Loslösen und Loslassen aus dem bisherigen Leben. Ein schickes Loft mit direktem Blick auf den Eiffelturm sind der Schauplatz, eine verlassene, aber dennoch sauber wirkende, mit etwas Laub bedeckte Kirche, "And Do they deserve this death?" die erste Frage, die wichtigste Frage überhaupt, darum dreht sich der gallische Film.

Die erste Actionszene gehört dem Polizisten, und seinem Partner, das Aufhalten eines Drogendealers, vorher noch einen Kaffee getrunken, dann das Ausbremsen des Wagens, eine kleine Schießerei, ein Autoüberschlag und dies direkt auf einen stürzenden Motorradfahrer hinzu. Als Stuntspektakel fängt es an (und hört es auch auf), dazwischen eine fußläufige Verfolgung, ein Todestanz im Nachtclub, eine Schießerei im Krankenhaus, alles höherer Qualität auch, auch mit deutlichen Einschüssen, mit zivilen Opfern, man geht nicht die PG-13 Tour, man exerziert die Brutalität aber auch nicht. Was beim ersten Krach und Lärm und der Hektik etwas untergeht: es werden schon ersten Hinweise auf das Fortkommen der Handlung gestellt, die Autoren um Brian Helgeland keine Anfänger, sie orientieren sich an dem Skript von Woo (der sich von Teruo Ishiis An Outlaw, Scorseses Mean Streets und Melvilles Le Samouraï inspirieren ließ), machen aber etwas Neues, Frisches, ob man das nun will oder mag oder nicht. Inszenatorisch wird sich neben der oftmals verwinkelten Gegend, wie dem Friedhof vor der Kirche, den kleinen Läden, dem Polizeirevier oder dem Krankenhaus mit den vielen Auseinandersetzungen dort oftmals auf die Augen der Protagonistin und eingangs auch auf der später Erblindeten konzentriert; Sy wirkt allein durch seine Größe und Masse und Selbstsicherheit, er streut so eine Würde und Routine aus, er kümmert sich um Recht und Ordnung, und er macht im Kampf gegen das Verbrechen einen theoretischen Feind zum Freund.

Eine violente Schwertattacke mit auch ausbrechenden Munitionseinsatz in einem VIP-Room zeigt deutlich die Auswirkungen der Waffen, dazu eine tänzerische Kombination, der Blick auf die Gesamtheit und die Details, die Montage und die Einzelaktionen; auch in Wiederholungen werden die Gewaltakte akzentuiert, für jeden gibt es eine Kerze, danach eine Beschwerde vom Auftraggeber, nicht ohne Grund, die eigentliche Geschichte damit beginnt. Worthington macht dabei das Beste aus seiner Rolle als Zwischenhändler, der Aufträge verteilt und selber welche bekommt, der zwischen den Stühlen sitzt, sich noch am meisten entscheiden muss, hier mit Dialekt gehalten, optisch wieder auf Vordermann gebracht, der Film inhaltlich strittig, optisch aufgeräumt, mit klaren Bildern, mit einfachen, im Rhythmus hervorgehobenen Einstellungen. Zuweilen wird Splitscreen eingeführt, eine neue Methode für Woo, selten aber genutzt, für Nebensächlichkeiten eher. Die polizeilichen Ermittlungen als Hintergrund für die Handlung, als Back-up, eine gänzlich andere Ausgangslage hier, in mancherlei Angelegenheiten würde der Film auch ohne die Killerin, ohne die zweistündige Ausschweifung und vielleicht besser, auf jeden Fall anders funktionieren, mit Auslassungen und Unterbrechungen, das 'Bromance' aus dem Original ist sowieso passe, es geht im Grunde um einen Drogenthriller, um Flicks contre Voleurs, mittendrin steht eine Motorradjagd quer durch die Straßen plus einem bald führungslosen Auto als Rammbock an; die Actionszenen variantenreich, handwerklich auch genutzt, gute alte Stuntarbeit.

Die Schießereien selber lassen sicherlich das Grobe, Dreckige, Wilde von früher vermissen, wo Woo noch seinem Idol Peckinpah nachahmte, sie nutzen Slowmotion, sind aber klarer und ziseliger, sie sind keuscher und schlichter. Trotz der hohen Opferzahl, die gerade im Hospital anfällt, wo auch die Wachmannschaften eingreift oder abgestellte oder zufällig anwesende Polizisten, wo Besucher und Krankenschwestern und Pfleger in den Kugelhagel laufen, schlicht, weil sie am falschen Moment vor Ort und zur falschen Zeit da sind; es gibt neben viel Material- auch Kollateralschäden. Darüber hinaus hat der Film seine Ruhepausen, ein Desinteresse an den Figuren, welches nicht erweckt werden kann, er hat wenig Emotionen, bleibt unterkühlt und wirkt zuweilen auch wie eine Auftragsarbeit; es ist wie erwähnt nicht mehr das Skript von Woo, die Gegebenheiten haben sich verändert, er filmt nur. Einiges hätte man sicherlich (von der zweistündigen Laufzeit) kürzen können, das Tempo erhöhen, eine Viertelstunde mindestens und problemlos auch; die Wahl der Besetzung geht sonst insgesamt in Ordnung, die viele Nachfragerei nach der Motivation verhindert eine echte Dringlichkeit, es wird lieber der Ausführlichkeit Genüge getan, das Genre des französischen Crimes und Polizeifilmes genutzt, ein Thriller-Drama, trotz vergleichsweise ausufernden Showdown mit springenden und in der Luft explodierenden Fahrzeugen, teilweise noch mit dem Fahrer an Bord und in Feuer stehend, trotz fleißigen Blutpäckchen kein reinrassiger Actionfilm.

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