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Horror benötigt nicht immer drastische oder spektakuläre Bilder, denn sobald sich menschliche Abgründe auftun, kann der Schrecken gegebenenfalls effektiver ausfallen als bei einer monströsen Erscheinung. Und eigentlich kennt sich Regisseur Lee Daniels mit jenen menschlichen Tiefen aus, denn immerhin gab es für seinen „Precious – Das Leben ist kostbar“ zwei Oscarnominierungen.

Die allein erziehende Mutter Ebony (Andra Day) ist mit der Situation im neuen Haus maßlos überfordert, zumal sie obendrein ihre krebskranke Mutter (Glenn Close) bei sich aufgenommen hat. Doch als der jüngste ihrer drei Kinder mit einem imaginären Freund spricht, immer mehr Fliegen auftauchen und nachts ein Poltern wahrnehmbar ist, scheint dies nicht allein auf Ebonys Gemütszustand zu beruhen…

Menschliche Dramen können durchaus in Horror münden und so schürt die Geschichte in der ersten Hälfte ein latentes Unbehagen aufgrund der komplett dysfunktionalen Familie, in der ein gewisser Kreislauf an Gewalt vorzuherrschen scheint. Es wird verbal ausgeteilt, die finanzielle Situation ist mindestens angespannt und Alkoholkonsum war für Ebony nicht nur in der Vergangenheit ein Thema, was letztlich eine Sozialarbeiterin auf den Plan ruft.
Obgleich die Angelegenheit ein wenig zäh angegangen wird, funktioniert sie als reines Familien – und Sozialdrama zunächst ganz passabel.

Anzeichen okkulter Aspekte stellen sich indes so schleichend ein, als könnten sie Ebonys Überforderung entsprungen sein, was vielleicht auch als fließender Übergang für die zweite Hälfte anberaumt war. Doch bei alledem stellt sich keine Spannung ein, es gibt kaum Anzeichen übernatürlicher Präsenz und selbst Verhaltensauffälligkeiten könnten sich noch eine Weile stressbedingt erklären lassen. Ergo muss eine Dame der Kirche anrücken, die sich selbst Apostelin nennt und die Mutter in allen Belangen aufklärt, damit endlich die Phase des Exorzismus eingeleitet wird.

Diesbezüglich gibt es jedoch keine Bilder, die nicht bereits zigfach in sehr ähnlicher Variante zu sehen gewesen wären, einschließlich veränderter Stimme, unkontrolliertem Körperzucken und physikalisch unmöglichen Bewegungsabläufen. Das Finale flacht gegenüber dem Vorlauf maximal ab, es gibt weder Enthüllungen, noch sonst gewinnbringende Erkenntnisse, sondern eine eher ideenlose Aneinanderreihung bekannter Abläufe.

Obgleich auch die erste Phase nicht unbedingt bis in die Magengrube vordringt, wird diese mithilfe grundsolider Schauspielleistungen glaubhaft über die Bühne gebracht. Glenn Close gibt sich wenig eitel und flucht kaum weniger als ihre Filmtochter Andra Day, deren Charakter zwar keine übermäßigen Sympathien gewinnt, im Verlauf jedoch mit ambivalenten Nuancen eine Entwicklung durchmacht. Die übrigen Mimen performen ebenfalls passabel, wogegen der Score komplett unter geht, während die bodenständige Inszenierung in der ersten Hälfte von Vorteil ist, in der zweiten jedoch als reichlich ideenlos und unspektakulär angesehen werden kann.

Insofern fügen sich die beiden Teile auch kaum zu einem glatten Gesamtbild zusammen, bei dem es eventuell effektiver gewesen wäre, Teile des Paranormalen komplett außen vor zu lassen, um vielleicht sogar noch eine Deutung zu ermöglichen. Wer also auf effektiven Dämonenhorror setzt, dürfte mehrheitlich enttäuscht werden, denn dafür wird das Sozialdrama innerhalb der 112 Minuten Laufzeit zu dominant, während das Übersinnliche selbst zum Finale kaum über lahmen Standard hinauskommt.
4,5 von 10

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