Review

Spannung zwischen Funk und Schatten

David Mackenzie, bekannt durch „Hell or High Water“ oder „Outlaw King“, beweist hier erneut sein feines Gespür für Rhythmus, Spannung und Atmosphäre. „The Negotiator“ ist kein lauter Action-Overkill, sondern ein Thriller mit Stil, Substanz und einem Gespür für Timing. Die Grundidee von Relay, so wie der Film im original heißt, ist raffiniert: Ein geheimnisvoller Vermittler namens Ash (Riz Ahmed) dient als Mittelsmann zwischen Whistleblowern und korrupten Kräften, wobei er vollkommen anonym agiert – über einen Relay-Dienst, der eigentlich für Gehörlose gedacht ist. Als Sarah Grant (Lily James), eine Biotech-Wissenschaftlerin mit belastenden Daten, an ihn herantritt, entfaltet sich ein Katz-und-Maus-Spiel, das mehr und mehr an Fahrt gewinnt. Der Film schafft es von Beginn weg, Spannung aufzubauen – nicht durch laute Effekte, sondern durch das straffe Skript, die Andeutungen, das Spiel mit dem Vertrauten und dem Unbekannten.

Das Drehbuch, von Justin Piasecki geschrieben und von Mackenzie präzise verdichtet, setzt auf eine fast altmodische Qualität: Klarheit. Keine überbordende Exposition, kaum überflüssige Dialoge, eher Andeutungen, Halbsätze, Blicke. Es erzeugt Vertrauen und Misstrauen zugleich. Man weiß nicht, wem man trauen kann ‒ nicht einmal Ash hundertprozentig. Mackenzies Inszenierung ist präzise: Kameraführung, Schnitt, Szenenaufbau wirken bewusst gesetzt. Es gibt Momente, in denen man förmlich den Puls des Films spürt – wenn Ash sich überlegt, wo er hingeht, wer ihn beobachten könnte, wie er anonym bleiben kann. Die Kameraarbeit von Giles Nuttgens, Mackenzies langjährigem Weggefährten, unterstreicht das Spiel von Licht und Schatten, Nähe und Distanz. Man spürt die Enge in Räumen, das Flimmern von Neon, das Drängen der Straße, aber auch die Einsamkeit von Ash. Die Bilder sind nie überladen, nie schmückend, sondern unterstützend – sie unterstreichen, was gesagt wird und auch, was nicht gesagt wird.

New York, sonst oft zum überinszenierten Kinomythos verkommen, wird hier wieder Stadt. Kein touristisches Postkartenmotiv, sondern ein atmender, unruhiger Organismus. Zwischen anonymen Hochhäusern, grauen Gassen und stillen Fluren entwickelt sich eine Atmosphäre, die an Michael Clayton erinnert – nur nervöser, schärfer, digitaler. Man merkt, wie Mackenzie seine Spannung nicht aus der Wucht, sondern aus der Präzision zieht. Jede Bewegung ist kalkuliert, jeder Schnitt bewusst gesetzt. Kein Frame zu viel. „The Negotiator“ zieht zunächst leise Fäden, aber wenn dann die Action kommt – dann ist sie richtig da. Besonders zum Ende hin wird das Katz-und-Maus-Spiel intensiver, die Verfolgungen enger, die Konfrontationen riskanter, und Mackenzie hebt das Tempo an. Diese Steigerung verleiht dem Film zusätzliches Adrenalin und Drive. Was zuvor kontrolliert und kühl wirkte, verwandelt sich in eine atemlose Hetzjagd durch New Yorks Schattenzonen. Der Film, der so lange wie ein kaltes Messer wirkte, wird plötzlich heiß. Dieser Bruch funktioniert – fast. Nur „fast“, weil die letzte halbe Stunde ein wenig über den eigenen Schatten springt. Der große Plot-Twist, auf den alles hinzusteuern scheint, wirkt dann doch etwas zu sehr aus der Retorte, zu sehr „Thriller-Formel“. Das ist schade, weil „The Negotiator“ bis dahin gerade durch seine Unaufgeregtheit so bestechend war.

Dass „The Negotiator“ trotzdem so gut funktioniert, liegt maßgeblich an seinen Darstellern. Riz Ahmed ist einer jener Schauspieler, die Spannung nicht spielen, sondern ausstrahlen. Er muss kaum sprechen, um zu fesseln. Sein Charakter ist kein cooler Agent, sondern ein Mann, der längst weiß, dass Kontrolle eine Illusion ist. Ahmed spielt ihn mit jener Mischung aus Intelligenz, Müdigkeit und latenter Gefahr, die man sonst nur von Ryan Gosling kennt, wenn der mal wieder durch Neon-Nächte schweigt. Lily James überrascht weniger als romantischer Star, mehr als Charakterdarstellerin. Ihre Figur ist verletzlich, aber nie schwach, getrieben, aber nie hysterisch. Sie trägt den moralischen Kompass des Films, ohne ihn je zu erklären. Man glaubt ihr jede Entscheidung, jeden Zweifel, jede stille Panik. Und dann ist da noch Sam Worthington, der stoische Australier, der hier endlich wieder zeigen darf, dass er mehr kann, als blau leuchten. Er verleiht seinem Gegenspieler eine physische Wucht, ohne ihn zum Comic-Schurken zu machen – bedrohlich, aber menschlich.

Fazit

„The Negotiator“ ist damit ein seltener Vertreter seiner Art: ein Thriller, der sich seiner Intelligenz nicht schämt. Einer, der Spannung nicht mit Lautstärke verwechselt und Coolness nicht mit Zynismus. Natürlich – der Film erfindet das Rad nicht neu, aber er lässt es rund laufen. Der Schluss mag ein wenig zu sehr auf Effekt gebürstet sein, doch bis dahin läuft alles wie geschmiert. Wichtig ist: „The Negotiator“ bleibt über weite Strecken glaubwürdig, atmosphärisch dicht und schauspielerisch exzellent. Ein toller Film, der zwar nicht ganz an die Genregrößen heranreicht, aber das muss er auch gar nicht. Er steht in guter Gesellschaft, spielt handwerklich auf hohem Niveau, liefert Spannung, Charaktere und Atmosphären, die nachhallen. Es ist dieser Mix aus Präzision und Puls, der hängen bleibt.




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