Wenn der Popstar zum Affen wird
Michael Gracey, Regisseur von „Greatest Showman“, versteht es wie kaum ein anderer, Lebensgeschichten in audiovisuell schillernde Popmärchen zu verwandeln. Und auch wenn dieses Märchen harte Wahrheiten enthält – Drogen, Selbstzweifel, Trauma, das bekannte Strickmuster großer Pop-Biographien –, so schafft Gracey doch erneut einen Balanceakt zwischen Eskapismus und emotionaler Entblößung. Das Ergebnis ist ein dynamischer, visuell rauschhafter, bisweilen ironisch verspielter Film, der das Leben eines Mannes beleuchtet, der wie kaum ein anderer zwischen Größenwahn, Charisma und Abgrund pendelte. Und wie erzählt man das Leben eines Mannes, der sich selbst so oft neu erfinden musste, dass selbst Chamäleons ins Schwitzen kämen? Graceys Antwort ist ebenso überraschend wie konsequent: Man verwandelt ihn in einen digitalen Schimpansen.
„Better Man“ ist kein klassisches Musikerporträt, sondern ein filmisches Kaleidoskop: mal grell, mal düster, mal kitschig, mal scharfzüngig – immer aber mit Stilwillen, Haltung und einer spürbaren Bewunderung für seinen Protagonisten. Das Drehbuch folgt grundsätzlich der vertrauten Topografie großer Musikerbiografien: Kindheit, frühe Erfolge, Durchbruch, Eskalation, Selbstzerstörung, Läuterung. So werden die Stationen von Williams’ Werdegang – die Zeit bei Take That, der abrupte Abschied aus der Boyband-Maschinerie, der Aufstieg zum globalen Star, die Abstürze in Drogen und Selbstzweifel, die immer wiederkehrenden Dämonen – nicht als nüchterne Kapitel abgearbeitet, sondern stilisiert zu ikonografischen Momenten. „Better Man“ interessiert sich weniger für die Schlagzeilen als vielmehr für die Perspektive hinter ihnen.
Dabei wirkt selbst die gewagteste Entscheidung – die digitale Affenfigur – erstaunlich organisch. Dieser Robbie-Affe ist kein bloßes Gimmick: Er repräsentiert Williams’ innere Zerrissenheit, die Abspaltung zwischen öffentlicher Persona und privatem Ich, die primitive Wut, die kindliche Angst, die animalische Energie, die ihn über Jahrzehnte durchs Rampenlicht trieb. Man darf darüber schmunzeln, man darf darüber staunen – aber man sollte es nicht unterschätzen. Gracey setzt den Affen als dramaturgisches Instrument ein, das die gängigen Biopic-Konventionen aufbricht und zugleich subtil kommentiert.
„Better Man“ vibriert vor Energie, aber stets mit einem Unterstrom von Melancholie. Es ist ein Blick auf die Popwelt, der durch Glamour und Schmerz gleichzeitig gefärbt ist. Die Clubs sind neonfeucht, die Stadien monumental, die Hotelzimmer kalt, die Gedankenwelt chaotisch. In den Musikszenen entfaltet der Film seine volle Pracht. Die Neuinterpretationen von Williams’ größten Hits – „Angels“, „Feel“, „Rock DJ“, „Let Me Entertain You“ und anderen – sind keine reinen Konzertausschnitte, sondern filmische Setpieces. Gracey verwandelt sie in Mini-Musicals, in emotionale Innenansichten, in choreografische Explosionen. Der Höhepunkt ist dabei nicht ein bestimmter Song, sondern die Art, wie Gracey Musik denkt: nicht als Unterbrechung der Handlung, sondern als deren Erweiterung. Die Songs sind dramaturgische Motoren, nicht nostalgische Einschübe. Sie kommentieren Gefühle, sie entblößen innere Konflikte, sie treiben die Handlung voran. Man spürt in jeder Einstellung, jeder Bewegung, jedem Schnitt, dass Gracey in diesem Bereich auf vertrautem Terrain agiert.
Dass der digitale Robbie-Schimpanse emotional funktioniert, ist nicht zuletzt der Performance dahinter zu verdanken. Die Motion-Capture-Arbeit liefert eine erstaunliche Bandbreite an Gesten, Mikroexpressionen und körperlicher Energie. Dadurch gelingt das Kunststück, nicht nur glaubwürdig zu wirken, sondern echte emotionale Tiefe zu erzeugen. Der Film romantisiert den Star nicht, aber er urteilt auch nicht. Er beobachtet. Und manchmal ist Beobachtung die größere Kunst.
Fazit
„Better Man“ ist audiovisuell beeindruckend, emotional überraschend offen, musikalisch berauschend und erzählerisch wagemutig. Der Film bietet einen faszinierenden Einblick in Robbie Williams’ Leben: seine Höhen, seine Tiefen, seine Selbstzweifel und seine Triumphe. Alles, was man erwartet – und einiges, was man nie erwartet hätte. Ist er perfekt? Nein. Will er es sein? Wahrscheinlich auch nicht. Doch er ist eigenwillig, emotional, mitreißend und in seiner besten Form schlicht verdammt unterhaltsam.