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Nachdem seine Frau Alice (Lynne Adams) einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, zieht Literaturprofessor Martin Jarett (Pierre Lenoir) mit ihr in ein altes Häuschen auf dem Lande. Das renovierungsbedürftige neue Heim soll genau die entspannte Atmosphäre bieten, die Alice so dringend benötigt. Die Renovierungsarbeiten gehen gut vonstatten, sehr zum Erstaunen der mit dem Job betrauten Arbeiter, denn die reißen sich - auf gut deutsch - keinen Hax'n aus. Verantwortlich für den wundersamen Arbeitsfortschritt ist ein pflichtbewußter Handwerker (Wings Hauser), der des Nachts unermüdlich bohrt, schraubt, schneidet und hämmert. Alice findet sofort Gefallen an dem sympathischen Perfektionisten, nicht zuletzt, da das Verhältnis zu ihrem Ehemann mehr und mehr abkühlt. Der Göttergatte verhält sich gegenüber seiner Frau nämlich kalt und abweisend und vergnügt sich stattdessen lieber mit einer blonden Studentin (Louise-Marie Mennier). Als eines Abends ein angetrunkener Arbeiter die labile Alice bedrängt, schreitet der "Mann ihrer Träume" energisch ein. Fortan wacht der übereifrige Handwerker ("A job ain't done till it's done") als eine Art Schutzengel über sie und hält mit seinen Arbeitsgeräten jegliches Unheil von ihr fern.
Seit ich Gerald Dwight Hauser, besser bekannt als Wings Hauser, vor vielen Jahren das erste Mal als psychopathischen Zuhälter Ramrod in Gary Shermans Vice Squad (Nachtratten) sah (wo er in der hiesigen Fassung, bizarrerweise, von Tommi Piper, der deutschen Stimme von Alf, gesprochen wurde), bin ich ein Fan des 1947 geborenen Kaliforniers. Die irre Show, die er in Vice Squad abzieht, ist für die Ewigkeit, und so ist es auch nicht verwunderlich, daß seine recht zurückhaltende Darbietung in The Carpenter im Vergleich dazu ziemlich unspektakulär erscheint. Aber das macht nichts; man kann ja nicht immer dermaßen auf den Putz hauen. In The Carpenter verleiht er seiner Figur eine gewisse Ambivalenz. Hinter der freundlichen Fassade verbirgt sich ein gestörter Killer, der ohne mit der Wimper zu zucken sein blutiges Geschäft verrichtet. Mit einer erschreckend spielerischen Beiläufigkeit löscht er Leben aus (u. a. mit einer Kreissäge, einem Bohrer, und einem Schraubstock), als wäre das Töten so selbstverständlich wie das In-die-Wand-schlagen eines Nagels. Die Morde sind einerseits sehr brutal, andererseits aber auch, durch Hausers schräges Spiel, nicht ernst zu nehmen und irgendwie fast schon wieder lustig, auf eine sehr verquere Art.
Alle, die einen handelsüblichen Slasher mit ordentlich Gekröse erwarten, dürfen sich auf eine ganz, ganz böse Überraschung (sprich: Enttäuschung) gefaßt machen. Denn in The Carpenter geht es weniger um einen Zimmerer, der verschiedene Leute niedermetzelt, sondern vielmehr um eine liebenswerte Frau mit Problemen, die in ihrer eigenen Welt zu leben scheint und zufällig Freundschaft mit einem "hilfsbereiten" Arbeiter schließt. David Wellingtons Film ist weder Fisch noch Fleisch und läßt sich in keine Schublade pressen. The Carpenter ist teils Slasherfilm und teils Psychodrama, teils Geisterhaushorror und teils makabre Komödie, aber nichts davon drängt sich in den Vordergrund. Die Nebenfiguren sind klischeehaft, überzeichnet und zum Teil herrlich schrullig, tragen aber gerade dadurch viel zur sonderbaren Qualität des Streifens bei. Herzstück des Filmes ist natürlich Alice, die sehr sympathisch rüberkommt und das seltsame Geschehen wie in Trance durchschreitet, als ob es sie überhaupt nicht kümmert, daß neben ihr Menschen auf brutale Weise gemeuchelt werden. Ich habe mir dieses kanadische DTV-B-Movie aufgrund der vielversprechenden Kombination "Wings Hauser + mörderischer Handwerker" gekauft. Das habe ich, zum Teil, auch bekommen, und noch so einiges mehr.
The Carpenter mag kein besonders guter Film sein, aber er ist definitiv anders und hebt sich von der Konkurrenz wohltuend ab. Und alleine dafür hat er meine Sympathien gewonnen, denn das ewig gleiche, überraschungsfreie Slasher-Einerlei findet man eh in viel zu vielen anderen Filmen.

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