Review

Gladiator 2

Spätes Sequel zum modernen Monumental-Klassiker Gladiator, das als uninspirierte 1:1 Kopie des Originals eine Vergleichs-Schlacht vom Zaun bricht, die kaum zu gewinnen ist. Paul Mescal ist als Russel Crowe-Klon auf verlorenem Posten, dafür sorgen Denzel Washington und Pedro Pascal für ein wenig Ehre und Stärke.

Gladiator 2 beginnt wie Gladiator, mit einer Schlacht. Hier (Numidien) wie dort (Germanien) kämpfen die römischen Legionen fern der Heimat. Und hier wie dort schwört der Heerführer seine Truppen mit einer martialischen Rede auf den bevorstehenden Kampf ein. Dass die von Tribun Maximus motivierten Römer im Original siegen, und die von Exilant Lucius angeführten Numider im Sequel verlieren, ist indes kaum überraschend. Wo der eine mitreißt, drischt der andere nur Phrasen. Wo der eine binnen Sekunden Pathos in Gänsehaut verwandelt, verbreitet der andere pathetische Langeweile. Womit wir schon in den Anfangsminuten auf brutale Art mit dem Kernproblem der späten Fortsetzung konfrontiert werden: Paul Mescal ersetzt Russel Crowe.

Sicherlich ist es nicht ganz fair, die enorme emotionale Wucht, die Gladiator auch noch 20 Jahre später entfaltet, allein auf seinen Hauptdarsteller zu reduzieren. Joaquin Phoenix zeigte als ebenso verrückter wie labiler Widersacher erstmals sein Ausnahmetalent. Richard Harris und Oliver Reed verströmten als Philosophenkaiser und Gladiatorenschmied aus jeder Pore Gravitas, Lebensklugheit und Weitsicht. Die Komponisten Hans Zimmer und Lisa Gerrard verwandelten die verhandelte Gefühlsachterbahnfahrt aus Trauer, Wut, Liebe und Stolz in ein Gänsehaut-Crescendo. Und Regisseur Ridley Scott goß all seine Erfahrungen als filmischer Historienmaler in eine Idealform, die er sich patentieren lassen sollte. Aber all dieser außerordentlichen Qualitäten zum Trotz, war es die Darbietung Russel Crowes, die Gladiator auf den Thron hievte, auf dem nur wenige Filme Platz haben. Er ist Herz und Seele einer im Kern simplen Rachegeschichte, die durch und mit ihm zu einem Paradebeispiel für Kinomagie wird.

Vor diesem Hintergrund war es nicht sehr klug das Sequel als 1:1 Kopie des Originals zu inszenieren. Lucius Heldenreise gleicht jener des Maximus wie ein Gladius dem anderen. Wieder geht es über die Stationen Kriegsgefangenschaft, Sklaverei, Gladiatorenschule schnurstracks in DIE Arena des römischen Imperiums: das Kolosseum. Wieder gibt es eine Schlangengrube aus verrückten Herrschern, intriganten Senatoren und geldgierigen Plebejern. Und wieder ist es an einem aufsässigen Gladiator, das politische Intrigenspiel an heldischem Mut, brachialer Gewalt und außerordentlichen Führungsqualitäten zerschellen zu lassen, um ein höheres Ideal für alle Untertanen zu schaffen. Wäre man auf einer Theaterbühne würde man sagen, Scott hat das Stück mit der Zweitbesetzung noch einmal aufgeführt.

Zweitklassigkeit ist dann auch das prägende Siegel auf Gladiator 2. Der bis dato nur in Independentfilmen aufgetretene Paul Mescal schwimmt in Russel Crowes Caligae wie die Kriegsschiff-Attrappen im gefluteten Kolosseum. Da kann er noch so wortgetreu „Ehre und Stärke“ und andere markige Zeilen seines Vorgängers rezitieren, wenn die Kamera sein Gesicht in Großaufnahme zeigt, bleibt der Blick leer und die Geste hohl. Crowe hat die Fähigkeit Körperlichkeit spürbar zu machen und Emotionen, vor allem intensive, über Blicke und kleine Gesten durch die Magengrube zu jagen. Mescal verfügt über keinerlei vergleichbare Tools und muss alles aufsagen, wie auf einer Theaterbühne, was im Medium Film seltsam deplatziert und abstrakt wirkt. Mit seinem Lucius fiebert man trotz den exakt gleich getakteten Tragik-Kaskaden deshalb auch nie richtig mit. Für einen Film, der davon lebt, oder zumindest darauf baut, sein Publikum nicht nur visuell, sondern vor allem auch emotional zu überwältigen, ein nicht unerhebliches Manko.

Auf der Antagonistenseite spielt sich ein ähnliches Drama ab. Joaquin Phoenix war als winselnder Sadist ein großartiger Gegenpart zum virilen Fels Crowe. Scott bleibt auch hier wieder viel zu nah am Vorbild, nur dass er diesmal gleich zwei verrückte Cäsaren aufbietet. Fred Hechinger und Joseph Quinn engen sich gegenseitig ein als offensichtliche Commodus-Klone Caracalla und Geta. Scott inszeniert sie zu allem Überfluss wieder als körperlich schwache, geistig verwirrte und Grausamkeiten aller Art zugeneigte, verzogene Snob-Jünglinge und öffnet damit nicht nur die nächste Vergleichs-Pandorabüchse, sondern gesteht den beiden auch keine Eigenständigkeit zu.

Connie Nielsen aber hat es am schlimmsten erwischt. Denn sie muss ihre Rolle der tragischen Geliebten und Mutter ohne irgendein Indiz an Entwicklung, Veränderung oder gar Relevanz aufwärmen. Sie erleidet exakt dieselben Schicksalsschläge, schmiedet exakt dieselben politischen Pläne und tappt dabei in exakt dieselben Fallen. Ihr dauerirritierter Blick ist dann vermutlich auch diesem enervierenden Dejá-Vu-Stakkato geschuldet.

Glücklicherweise gibt es da noch Denzel Washington und Pedro Pascal. Immer wenn die beiden auftreten, atmet der Film etwas vom darstellerischen Glanz seines Vorgängers. Washingtons Macrinus hat ein Auge für fähige Gladiatoren, ein Händchen für lukrative Geschäfte und ein Gespür für politische Ränkespiele. Er ist charmant, witzig, grausam und berechnend. Die einzig schillernde Figur in einem ansonsten recht eindimensionalen Ensemble. Eine Gelegenheit, die Washington weidlich nutzt und als Einziger den mit „Brot und Spiel“ versprochenen Unterhaltungsscheck vollumfänglich einlöst.

Pedro Pascals Tribun Acacius bietet vor allem aufgrund relativ geringer Screentime weniger Entfaltungsmöglichkeiten, was schade ist, da seine Figur als tragischer Gegenpart zu Mescals Lucius für mehr Dramatik hätte sorgen können. Ein aufrechter Kämpfer, der die Sinnhaftigkeit seines Tuns in Frage stellt und damit in ein unbequemes Loyalitäts-Dilemma gerät. Ob Scott fürchtete, Figur oder Darsteller seines Protagonisten so in den Schatten zu stellen, ist spekulativ, jedenfalls ist Pascal (nach und mit Washington) noch am ehesten auf Augenhöhe mit Crowes Charisma-Qualitäten, was den Film paradoxerweise zugleich auf- (weil zu wenig Konkurrenz) wie auch abwertet (weil zu wenig genutzt).

Figuren und Geschichte sitzen also gleichermaßen in der Abklatsch-Falle, bleibt noch die Optik. Immerhin eine Domäne des Regisseurs, der er einen Großteil seines Renommees verdankt. Und wie man erwarten durfte, fährt Scott hier wieder das ganz große Geschütz auf. Wer Columbus, Moses, Robin Hood, Napoleon und die Kreuzzüge in filmische Fresken verwandelte, für den ist das Alte Rom die Königsdisziplin. Prachtbauten, Massenschlachten, weltumspannende Aktivitäten, die römische Antike ist geradezu prädestiniert für die gemäldeartige Bildsprache des visuellen Auteurs. Gladiator hatte das schon vor 20 Jahren eindrucksvoll bewiesen und zumindest in dieser Hinsicht bewegt sich die Fortsetzung auf Augenhöhe. 

Wenn gleich zu Beginn eine römische Flotte die letzte freie Stadt der Provinz Numidia einnimmt, ist Scott in seinem Element. Panoramashots, Totalen, Nahaufnahmen, alles steht im Dienst der blutigen Schacht, die zum physischen Erlebnis wird. Bogenschützen, Ruderer, Schwertkämpfer, Enterbrücken, Wurfmaschinen und Rammböcke, hier wird der Regisseur selbst zum Schlachtenlenker, damit seine Truppen - das Publikum - den Überblick behalten. Bei den späteren Arenakämpfen geht es personell überschaubarer, aber nicht minder bildgewaltig zu. Aggressive Riesenaffen, Nashörner, selbst Haie werden auf die Gladiatoren und das schaulustige Publikum losgelassen. Ein wenig gehen hier die CGI-Pferde mit Scott durch, der um des Spektakels willen eine wenig zu tief in seine grellen Farbtöpfe greift. Aber wenn er schließlich das Kolosseum flutet und die erste Naumarchie der Filmgeschichte dirigiert, sind solch lässliche Sünden schnell vergessen. Und allen Naserümpfern ist man gewillt Maximus Worte aus dem Original entgegen zu brüllen: „Are you not entertained? Are you not entertained? Is this not why you are here?“

Ja, Ridley, für Unterhaltung hast du wieder gesorgt. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass dein spätes Sequel zu Gladiator einem Kernthema beider Filme unangenehm nahe kommt. Brot und Spiele machen satt und zufrieden, aber sie halten nicht lange vor. Zumal ausschließlich der Magen bedient wird, Herz und Hirn bleiben außen vor. Für Liebe, Leidenschaft, aber auch für Hochachtung und Verehrung ist das zu wenig. Im alten Rom hat sich die immer gleiche Überwältigungswalze irgendwann tot gelaufen, im Überwältigungskino Scotts zeigen sich ähnliche Abnutzungserscheinungen. Epik ist kein Selbstläufer, schon gar nicht auf einer Wiederholungsrunde. Epik benötigt Wagemut und Neugier, oder, wie Maximus gesagt hätte: „Ehre und Stärke“.

Details
Ähnliche Filme