Brot & Spiele schmecken auch aufgewärmt…?
Den Legendenstatus kann sich Ridley Scott nicht mehr verbauen. Dazu hat er einfach zu viel Großes geleistet, gerade in seiner ersten Karrierehälfte. Wer „Alien“ und „Blade Runner“ als 1-2-Punch raushaut, hätte eigentlich fast schon aufhören können, dürfen, müssen. Dennoch schaffte es der auch im höchsten Alter enorm produktive Mann z.B. mit seinen sträflichen Rückkehrereien in den „Alien“-Kosmos einen massiv faden Beigeschmack zu hinterlassen. Richtig sein gemusst hat das nicht mehr. Richtig Power, Kreativität, Epik und Drive scheint der fast 90(!)-Jährige eindeutig schon länger nicht mehr zu besitzen. Wie eben üblich in seinem Alter. Vielleicht also nicht die beste Idee nun (endlich?) „Gladiator 2“ anzugehen, nachdem ihn das Studio jahrzehntelang mit kruden Drehbüchern und wundersamem Ideen gelockt hatte? Wie dem auch sei, nun lässt der Altmeister jedenfalls wieder einen Sklaven zum Gladiator und dann zur Legende werden - und ein chaotisches Rom kurz vor seinem Zusammenbruch zittern… Nur den Zuschauer leider nicht.
Ein Zoo im Colosseum
In den letzten Tagen habe ich oft gelesen und gehört, dass „Gladiator“ nur ein guter Film sei, etwas überbewertet, eine ausgedehnte Sandalensoapoper, keiner der Besten von Scott und so weiter und so fort. Bliblablubb. Alles Quatsch. Wenn’s nach mir geht. Das Original ist nicht weniger als ein perfekter Film, ein wahres Meisterwerk, vielleicht das letzte echte von Scott. Eine prägende Erfahrung, ein Epos der Superlative sondergleichen. Zusammen mit „Spartacus“ und „Ben-Hur“ einer der ultimativen Sandalenschinken, der das komplette Subgenre zu Beginn des neuen Jahrtausend wiederbeleben konnte. Das Ding ist schlicht eine Größe, legendär und noch immer grandios gut. Und dieses Erbe gibt’s nunmal, das ist nicht wegzureden, selbst wenn „Gladiator II“ gefühlt stark auch als reines Update für eine ganz andere, jüngere Generation gesehen werden kann. Aber ca. 35-Jährige wie ich werden Maximus und seinen Rachefeldzug eben nicht mal eben abtun, herunterstufen oder vergessen können. Wollen wir auch gar nicht. Die Vergleiche wird sich „Gladiator II“ immer gefallen lassen müssen. Und dann kann er natürlich nur verlieren. Ein Abklatsch, ein Abziehbild, ein Schatten, im Schatten. Fußstapfen, die einfach zu groß sind. „Gladiator II“ geht als oberflächliches und jetzt schon miserabel alterndes Popcornkino vielleicht noch klar. Denzel rettet hier mal wieder vielen Leuten mit seinem Charisma den Arsch. Auch Mescal und Pascal kann man kaum nicht mögen. Dazu zwei psychopathische Pappnasen als neue Mini-Cäsaren. Unterhaltung durch Schwachsinn und Wahnsinn. Nashörner, Affen und Haie (!) in der Arena. Wie gesagt, auf dem Papier und für die Jungen, denen das Original nicht am Herzen liegt oder die es gar nicht wirklich kennen, geht das gut durch. Aber ich spreche nunmal für mich. Und da kackt „Gladiator II‘ einfach in zu vielen Bereichen gnadenlos ab. Die CGI-Tiere - bäh! Eine erstaunlich konfus erzählte Geschichte - why? Eine Stunde lang ein Geheimnis krämen, das jeder direkt erkennt, der „Gladiator“ je gesehen hat - wow?! Arenakämpfe nahezu komplett ohne Wucht und Gravitas - was soll das? Haie wie bei Asylum - wollt ihr mir savaschen?! Nochmal unglaublich viele Plotpoints des Vorgängers eiskalt aufwärmen - muss man eigentlich nicht machen. Musikmomente und thematisch-musikalische Rückblicke in eine Sternstunde von Hans Zimmer sind die einzigen Gänsehautmomente - sagt schon alles. Eine Liebesgeschichte, die sage und schreibe fünf (!) Minuten am Anfang gezeigt wird, als Kern von sehr vielen Charaktermotivationen - lächerlich! Ein paar wiederkehrende Charaktere und Schauspieler aus dem Original - geschenkt! Und diese Liste liesse sich noch länger ärgerlich fortsetzen. Den Titel, die Marke „Gladiator“ und seinen Ruhm hat diese faule Fortsetzung nicht verdient. Und der gute Ridley Scott sollte das nicht mehr nötig haben, eventuell doch über die wohlverdiente Rente nachdenken. Sein „Gladiator II“ zeigt traurig, was sich bei ihm in dem letzten Vierteljahrhundert in Sachen Motivation, Kraft und Magie verringert hat…
Fazit: teils spektakulär und kurzweilig. Meist jedoch nochmal das, was „Gladiator“ und Russell Crowe vor über zwanzig Jahren schon deutlich packender und besser gemacht haben. Das perfekte Beispiel für Ridley Scotts Abstieg… „Gladiator II“ lässt mich kalt. Und das ist bei meiner Vorgeschichte zum ersten Teil ein echtes Armutszeugnis. Selbst wenn er jetzt auch sicher nicht nächsten Monat in die Jahresflopliste wandert. Aber der Anspruch sollte eben ein ganz, ganz anderer sein…