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Zwischen Sand, Schweiß und Schatten eines Meisterwerks

Ridley Scott hat’s wieder getan. Der alte Löwe Hollywoods ist noch einmal in die Arena gestiegen – oder besser gesagt: Er hat uns erneut hineingeschickt. Mit Gladiator hat Scott im Jahr 2000 ein Epos geschaffen, das längst zum festen Bestandteil der Filmgeschichte gehört – ein Monument aus Sand, Schweiß und Pathos, zugleich klassisch und modern, getragen von der Wucht eines Russell Crowe und dem Donnern von Hans Zimmers unsterblichem Score. Es war Blockbuster-Kino in seiner reinsten Form: archaisch, emotional, unvergesslich. Für mich bis heute einer der besten Filme aller Zeiten.

Aber das ist nun ein Vierteljahrhundert her. Und seither scheint die kreative Hochphase des Regisseurs in der Wüste Hollywoods ein wenig verdunstet zu sein. Seine letzten Filme waren allesamt solide, handwerklich sauber, aber emotional lauwarm. Ridley Scott, mittlerweile 87 Jahre alt, ist längst nicht mehr der Gladiator des Kinos, sondern eher der Senator – respektabel, erfahren, aber ein bisschen zu verliebt in seine eigene Legende. Sich jetzt also noch einmal an ein Mammutwerk wie Gladiator II zu wagen? Gewagt. Sehr gewagt. Denn was soll man erzählen, wenn eigentlich alles gesagt ist? Dieser Film kann eigentlich nur verlieren. Er steht unweigerlich im Schatten des Originals – und das tut er auch. Die Geschichte von Gladiator II ist eine, die eigentlich nicht darauf gewartet hat, erzählt zu werden. Wir treffen Lucius (Paul Mescal), den Sohn von Lucilla (Connie Nielsen) und einstiger Bewunderer von Maximus Decimus Meridius. Lucius ist erwachsen geworden, voller Wut, Ideale und ein bisschen Daddy Issues. Kurz: Er ist das klassische Sequel-Kind. Das Römische Reich taumelt, Intrigen sprießen wie Disteln im Wüstensand, und bald findet sich Lucius – Überraschung! – als Gladiator in der Arena wieder. Die Prämisse: bekannt. Die Konflikte: vertraut. Nur die Begeisterung will sich nicht recht einstellen.

Die Story mäandert zwischen politischen Machtspielchen und sandverkrusteten Arenaduellen, verliert sich dabei aber in zu vielen Handlungssträngen, die weder Spannung noch emotionale Wucht erzeugen. Wo einst archaische Größe herrschte, dominiert hier das Gefühl, eine gut ausgestattete Kopie zu sehen. Statt epischer Erzählung bekommt man hier eher ein Best-of der alten Motive – ein bisschen Rache, ein bisschen Ehre, ein bisschen Staub. Und leider auch: ein bisschen Langeweile. Es gibt starke Ansätze, ja – Momente, in denen man spürt, dass da etwas Größeres mitschwingen könnte. Aber der Film findet selten jene emotionale Wucht, die „Gladiator“ einst getragen hat und das Drehbuch traut sich nicht, wirklich neue Wege zu gehen. Was einst Shakespeare in Sandalen war, ist hier oft nur noch Netflix mit Rüstung: flott, laut, aber seltsam seelenlos. Die Dialoge pendeln zwischen heroischer Deklamation und schlichter Banalität. Wo Maximus einst von Ehre, Familie und Gerechtigkeit sprach, hören wir heute Formulierungen, die eher nach Drehbuchlabor als nach Inspiration klingen.

Sand im Getriebe eines Giganten

Ridley Scott war immer ein Architekt der Bilder und ein Meister der Atmosphäre. In seinen besten Momenten – Blade Runner, Alien, Thelma & Louise, Gladiator – erschuf er Welten, die nicht nur visuell, sondern emotional funktionierten. In Gladiator konnte man den Staub der Arena förmlich schmecken, das Blut roch nach Kino, und selbst die Sonnenstrahlen schienen choreografiert. Doch in Gladiator II? Da will sich dieses Gefühl einfach nicht einstellen. Es ist ein Film, der zwar beeindruckt, aber nicht berührt. Schon die Eröffnungsszene zündet nicht. Wo das Original mit einer Schlacht eröffnete, die bis heute als Musterbeispiel für visuelle Wucht gilt, beginnt der Nachfolger mit digitalem Spektakel, das trotz aller Perfektion steril bleibt. Kein Gänsehautmoment, keine Brachialität, keine Wucht. Es sieht gut aus, keine Frage, aber es fühlt sich an wie ein digitales Gemälde: perfekt beleuchtet, aber seelenlos. Das Setting bleibt visuell beeindruckend, ja – aber die Atmosphäre wirkt unnatürlich, fast steril. Zu viel CGI, zu glatte Oberflächen, zu wenig Schmutz. Das Römische Reich wirkt hier eher wie ein Computerspiel-Level auf „Ultra High Settings“, nicht wie ein lebendiger, gefährlicher Ort.

Man sollte meinen, Gladiator II liefert wenigstens bei den Arena-Kämpfen ab. Doch auch hier bleibt der Film hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Fights sind solide inszeniert – das Timing stimmt, die Choreografie funktioniert –, aber sie haben nicht diese rohe Energie, die das Original so unvergesslich gemacht hat. Statt schwitzender Körper und splitternder Knochen bekommt man Pixel und Greenscreen. Die CGI-Effekte drängen sich unangenehm in den Vordergrund, der Look wirkt oft künstlich. Da, wo einst Blut auf Sand traf, sprühen heute digitale Partikel. Das ist technisch sauber – aber emotional steril. Scott versteht sein Handwerk, das steht außer Frage. Aber Gladiator II wirkt überinszeniert. Jede Einstellung ist schön, keine ist erinnerungswürdig. Die Kameraarbeit von Dariusz Wolski liefert makellose Bilder – doch kein Moment hat die visuelle Wucht des Originals, keine Szene das cineastische Gewicht von Maximus’ letzter Fahrt über das Kornfeld. Alles sieht aus wie ein „Ridley Scott Film“, aber man spürt nicht, dass er einer ist.

Dass Hans Zimmer diesmal nicht den Takt vorgibt, merkt man schmerzlich. Ein Gladiator-Film ohne einprägsame Musik ist wie ein Triumphbogen ohne Säulen. Der Score von Harry Gregson-Williams ist – und das muss man leider so sagen – eine herbe Enttäuschung. Kein neues Thema, das hängen bleibt, keine musikalische Gänsehaut. Stattdessen: solide, funktional, aber austauschbar. Man vermisst das Donnern, das Pulsieren, das emotionale Crescendo. Diesmal bleibt nur Klangtapete, die sich höflich im Hintergrund hält. Und das, in einem Werk, das einst durch seinen Score unsterblich wurde, ist fast schon tragisch. Paul Mescal, der neue Held im Sand, gibt als Lucius eine überzeugende, körperlich präsente Performance. Er ist intensiv, verletzlich, glaubwürdig – aber kein Maximus. Ihm fehlt dieses Charisma, diese Aura, die Russell Crowe damals zum Mythos machte. Mescal spielt stark, aber nie legendär. Die Figur bleibt merkwürdig blass, vielleicht auch weil der Film sie nie richtig definiert. Denzel Washington gleitet mit gewohnter Grandezza durch seine Szenen, ein Mann, der allein durch seine Präsenz Gravitas erzeugt. Pedro Pascal liefert gewohnt souverän, hat aber wenig Raum, um wirklich zu glänzen. Joseph Quinn und Fred Hechinger hingegen wirken als kaiserliches Brüderpaar überdreht, fast karikaturenhaft – als hätten sie den Bösewicht-Workshop bei „Römer für Anfänger“ besucht. Besonders Hechinger driftet mitunter ins Lächerliche, was der Dramatik des Films schadet.

Man kann diesem Film nicht gerecht werden, ohne den Vergleich zum Original zu ziehen – und genau das ist sein Dilemma. Gladiator war ein Produkt seiner Zeit: altmodisch im besten Sinne, voller Ernst, Pathos, Wucht. Gladiator II wirkt, als wolle er genau das reproduzieren – aber in einer Ära, die für Pathos nur noch ein müdes Lächeln übrig hat. Ridley Scott versucht, an den alten Glanz anzuknüpfen, doch das Ergebnis ist eher museal als monumental. Gladiator II steht da wie eine perfekt restaurierte Statue – makellos, aber ohne Herzschlag. Das Original war Kino zum Fühlen. Die Fortsetzung ist Kino zum Betrachten.

Fazit

Gladiator II ist kein schlechter Film. Er ist ordentlich gemacht, handwerklich solide, stellenweise sogar beeindruckend. Aber er ist – und das ist sein größtes Problem – komplett überflüssig und entfacht nie das Feuer seines Vorgängers. Er erzählt eine Geschichte, die nicht erzählt werden musste. Er steht im Schatten eines Meisterwerks und versucht gar nicht erst, daraus herauszutreten. Stattdessen blickt er ehrfürchtig zurück, zitiert, kopiert und stolpert über die eigene Ambition. Wo Gladiator ein Film über Ehre, Verlust und Erlösung war, ist Gladiator II ein Film über Nostalgie, Pflichtgefühl und Studio-Strategie. Ridley Scott wollte noch einmal in die Arena. Gladiator II ist das Werk eines Mannes, der einst das Kino beherrschte – und nun versucht, an seinen eigenen Ruhm heranzureichen. Er hat gekämpft, ja. Aber das Publikum? Es bleibt nachdenklich sitzen, wischt sich den Sand von der Schulter – und hört irgendwo in der Ferne Russell Crowe flüstern: „Are you not entertained?“ Nun ja, Ridley. So halb.

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