Review

Seine Qualität liegt im Fehlen herkömmlicher Qualität.
Cyborg 2 lädt ein zum C2-Bashing, zum Ablästern und Fokus auf die junge (!) Angelina. Doch wie bei Ed Wood Jr. sind es die Schwächen, die erst Qualität sichtbar machen.


Es heißt: „B-Movies sind eine Kunstform für sich. Ihre Unvollkommenheit verleiht ihnen Charakter. Der Charme eines B-Movies ist, daß er menschlich ist, mit Schwächen. Er gibt sich Mühe und versagt. Da können viele Menschen mitfühlen.“ [… Sinngemäß:] Die Oscars gehen an die falschen Filme. B-Movies hätten sie eher verdient, wegen ihrer schwierigen Aufgabe: Sie müssen ständig aus Nichts etwas schaffen. Sie müssen aus einer Ratte ein Festmahl machen. Einen Film mit 40 Millionen Dollar zu machen, ist leicht. Aber mit 40 Tausend Dollar... (1)


C2: Absurd gestellte Kampfszenen, billige Kulissen und maskierte Statisten, alles wird immer wieder verwendet, Sex-Einlagen zur Steigerung des „Production Value“, gestelzte Dia- und Monologe, die einen völlig wirr im Kopf machen - all das kennen wir von Unmengen anderer C-Trash-Schocker und Möchtegern-Action-Reißer. *


Doch C2 enttäuscht die einfach gestrickte Zuschauer-Erwartungen zweifach:


Zum ersten ist enttäuscht, wer wenigstens den Versuch „hochklassiger“ Action, Tricks, Stunts, Logik und Spannung erwartet. All das erscheint höchstens wie angerissen, nur kurz zitiert: „Versuch“ misslungen.


Zum zweiten wird enttäuscht, wer mangelnde Originalität und tölpelhafte Fehler erwartet, ohne eine Spur von Gestaltungswillen: C2 ragt da heraus!


Denn wer über das Fehlen von Action, Story und Hollywood-Chic und -Glätte hinwegsehen kann (wer auch ohne die Werbeästhetik eines Ridley Scott'schen BLADE RUNNER leben kann), der wird belohnt mit bizarren Einfällen, einer Visualisierung, die jegliche Bodenhaftung ignoriert, überbordenden Bildern, die sich ganz dem Trash-Schauwert verschrieben haben, sinnlos greller Ausstattung und übertriebenen, frei assoziierten Texten und Bildern, die sich einen Dreck um Glaubwürdigkeit und Sinnhaftigkeit scheren.


Genau die wunderbaren Resultate, die Kinder lieben, wenn sie ein weißes Blatt Papier vollkritzeln, oder die Surrealisten mit ihrem „Écriture automatique“ (dt.: Automatisches Schreiben), oder John Waters, der statt solcher Genre-Aufmischer lieber sein eigenes Genre, das "John Waters-Genre", erschuf (2), oder Hard Harry, der irre Piraten-DJ aus HART AUF SENDUNG / PUMP UP THE VOLUME (1990), der seine Hörer aufstachelt: „Act Crazy!“, „Seid verrückt!“ Dieser Aufforderung scheinen die C2-Macher drei Jahre später gefolgt zu sein.


Ganz oben auf meiner Liste dieses verrückten Unsinns rangieren die spöttisch-wirren Monologe, die Jack Palances solarisierte Riesenlippen auf TV-Monitoren äußern (er braucht noch nicht mal Strom dafür).


Weitere gestelzte Reden sondert der melancholisch-selbstverliebte und schönheitssüchtige Profikiller ab. Glanzvoll nervt sein Pathos!


Und sein kosmetisch operiertes (schlabbriges) Gesicht wird dann auch gleich im Kugelhagel mit Glasscherben gespickt, so daß es gegen Ende in blutigen Matsch zerfällt. Super!


Dieser irre Killer, bloody face, adelt C2 mit einem großartigen Auftritt als Archetyp der Einsamkeit, wenn er gegen Ende, blutig, zerschlagen und hoffnungslos zu seinem Hocker kriecht – so kaputt, einsam und enttäuscht, daß ein Weiterkämpfen bis zum Tod immer noch schöner ist als in diesem Leben zu bleiben.


Der Grundton von C2 ist diese Melancholie, die sich am stärksten in diesem Bild konzentriert, aber auch in Ms. Jolies („Cash“) suchenden, fragenden Blicken und großen Augen (einmal legt sie sich eine gefundene Jacke um, als Schutz vor der kalten Welt), oder auch in Mercys cockpit-artiger Bude über der Stadt, wo er tagaus, tagein von seiner toten Frau träumt und sein Glück darin sucht, dem fernen jungen Liebespaar zu helfen.


Dieses Paar, eigentlich unvereinbar (Mensch und Maschine!), das ähnlich melancholisch durch die untergehende Welt wandelt, Glück nur noch in der gemeinsamen Einsamkeit am Ende der Welt findet, wo nichts außer einer Palme und ihrer Liebe lebt. Wieder ein Motiv von mythologischer Kraft, das der Film zugleich mit einer grotesken Greisenmaske und einem pathetischen Monolog konterkariert (wieder, im Scheitern eines großartigen Versuchs, zeigt sich das Drama des B-Films) - zugleich aber bricht C2 seine eigene Lächerlichkeit erneut durch die lange Kranfahrt und die melancholische Musik.


Die schon vorher die irreale Atmosphäre des Films bestimmte. Immer wieder wurde die Realität aufgehoben durch die Übermacht der Musik. Spätestens da müssten wir Betrachter merken, dass Alltagslogik und Bewertungskriterien aus der Wirklichkeit der falsche Maßstab in der Welt von C2 sind.


Wer dann noch sieht, daß Action-Sequenzen zwischen Dinosaurierskeletten, oder in der Küche einer „Nuclear Family“ stattfinden, daß schöne Frauen, am Hals aufgehängt, zwischen Häusern hin- und herschwingen, an Kanaldeckeln Disco-Türsteher wachen, Cyborg-Hunde auf den Arm genommen werden, die Flüchtlinge auf Müllfässern reisen **, die 22-jährige Frau dem männlichen Kampfsportlehrer ebenbürtig zur Seite gestellt wird (Aufzugszene!), der sollte erkennen, daß DIESER FILM NICHT AUF DEM BODEN UNSERER REALITÄT WEILT: und deshalb können wir ihn auch nicht mit herkömmlichen Maßstäben messen. Und damit hat er auch das Ziel eines „fantastischen“ oder SF-Films erreicht [was Quark wie TOTAL RECALL 2012 (Budget: 125 Mio. $$$) verfehlt]. Hurra!


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„Diese [B-Filme bei PRC] wurden erst viel später zu leuchtenden Exemplaren einer bestimmten Gattung; die galten früher als Wegwerffilme, als Billigfilme, die null Wert hatten. Kein Mensch hat damals, als er DETOUR gesehen hat, einen Klassiker gesehen. Das war ein Armutszeugnis.“ (1)


Wim Wenders: „Es war eine große Lektion, daß das billige, dreckige, unfertige, wacklige, fehlerhafte dieser B-Filme mitunter näher, dichter an die Wahrheit hinkommt, an die Authentizität oder auch an das Sein rankommt, als der Schein dieser Filmwelt [der großen, teuren Hollywoodfilme].“


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Hm. Zuallerletzt kann ich doch nicht umhin, auf einen weiteren Grund hinzuweisen, warum C2 mich so fasziniert. Schließlich springt da die jugendliche Angelina Jolie herum. Und die Kamera weiß diesen Schauwert zu nutzen: Volle Lippen, magersüchtig dünne nackte Arme, langes Haar, schlanker Körper. Alle Schlüsselreize versammelt! Dazu schlägt und kickt sie die bösen Konzerndeppen kaputt, schenkt dem Helden eine gratis Liebesnacht, steht vor einem künstlichen Sternenhimmel. Wenn das keine Traumfrau ist!


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* C2 hüllt sich dafür in ein SF-Gewand, das sich visuell (Eingangsflug über die Stadt), inhaltlich (die schöne Cyborg-Braut und ihr männlicher Beschützer im Kampf gegen böse Industriekonzerne) und dramaturgisch (die Flucht in die unzerstörte Natur) ungehemmt bei den Klassikern (hier BLADE RUNNER) bedient.


** Die trashigste Actionsequenz des ganzen Films: Als Ende eines Fluges auf einer Mülltonne (!) durch die Luft (Baron Münchhausen läßt grüßen) wird erst eine blaue Plastiktonne ins Bild geworfen, sie kollert vor ordentliche Stapel anderer blauer Tonnen, dann springen die zwei Hauptdarsteller ins Bild, bequem auf ihre Füße und einer davon rollt sich überraschend und völlig unnötig noch ab.


(1) aus „Edgar G. Ulmer. Der Mann im Off“ (Dokumentarfilm von Michael Palm, 2004).


(2) und später verriet. Siehe mein Verriss von „Cecil B. Demented“.

 

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