Review

Ein Werwolf ohne Biss

Es gibt Filmstoffe, die einen so zuverlässig heimsuchen wie der Vollmond den Mythos vom Werwolf. Und es gibt Regisseure wie Leigh Whannell, die seit Jahren bewiesen haben, dass sie klassischen Horrorstoffen ein zeitgenössisches Echo entlocken können. Nach dem nervös vibrierenden „Upgrade“ und dem atmosphärisch fein geschliffenen „Der Unsichtbare“, galt Whannell als einer der wenigen modernen Genre-Handwerker, die mit Präzision, Gespür und technischer Finesse gleichermaßen hantieren können. Umso größer war die Erwartung an seine Neuinterpretation des Werwolf-Mythos – jener uralten Parabel vom inneren Tier, dem Menschen in der Krise, dem unaufhaltsamen Rückfall in die Urgewalt der Natur. „Wolf Man“ jedoch zeigt sich als gebändigtes Biest. Eine elegante Oberfläche, starke Darsteller, ein Regisseur mit Erfahrung im Genre – und dennoch bleibt das alles merkwürdig kraftlos. Ein Film, der vieles will, wenig erreicht und am Ende irgendwo zwischen psychologischem Familiendrama und horroreskem Creature-Feature verhungert. Doch bevor man dem Streifen gänzlich das Fell über die Ohren zieht, lohnt ein genauer Blick – denn in diesem Werwolf steckt durchaus ein Herzschlag, auch wenn er viel zu selten gegen die Wand der eigenen Ambitionen donnert.

Die Geschichte rund um Blake – gespielt von Christopher Abbott – einem Familienvater, der nach einem mysteriöser Angriff mit einer Veränderung infiziert wird, und fortan langsam der Natur des Werwolfs anheimfällt, klingt auf dem Papier nach einer klassischen Rückkehr zu den Wurzeln des Genres. Mondlicht, innerer Konflikt, animalische Anziehung, familiäre Bedrohung – all die Zutaten, aus denen Monsterfilme gemacht sind. Doch Whannells Skript scheint selbst unschlüssig, welches Biest es eigentlich entfesseln möchte. Einerseits versucht der Film, ein psychologisches Drama über Angst, Verantwortung und die Zerbrechlichkeit familiärer Bindungen aufzubauen. Andererseits möchte er die alten Horrortraditionen des Werwolfkinos ehren. Das Resultat ist eine erzählerische Halbmondphase: zu wenig Biss für Horror, zu wenig Tiefgang für Drama. Der vielversprechende Ansatz, die Verwandlung eines Familienvaters in ein Monster als emotionales Pulverfass zu inszenieren, das jede Bindung in Frage stellt, wird fast schon fahrlässig verschenkt. Denn Blake wirkt nie wie eine echte Bedrohung für seine Familie. Seine dunkle Seite schleicht eher wie ein schüchterner Haushund durchs Drehbuch – zahnlos, zurückhaltend, auf seltsame Weise harmlos.

Wer auf blutiges Spektakel hofft, wird hier enttäuscht. Gorehounds schauen in „Wolf Man“ in die Röhre. Es wird selten blutig, und richtig explizit schon gar nicht. Der Film ist in seiner Gewaltdarstellung geradezu asketisch. Die wenigen Action- und Angriffsszenen wirken eher pflichtbewusst eingestreut als dramaturgisch zwingend. Whannell, sonst ein Regisseur, der kinetische Energie und physische Intensität versteht, bleibt hier merkwürdig zurückhaltend. Statt Krallenhiebe gibt es Kratzspuren. Statt Raserei eine Art kontrolliertes Schnauben. Das Untier bleibt brav, gezähmt, fast kunstbeflissen. Und das ist bei einem Wolf – filmisch wie biologisch – eher suboptimal. Die zentrale Transformation – Blakes Metamorphose zum Werwolf – ist audiovisuell jedoch hervorragend umgesetzt. Der Sound knackt, grollt, quietscht; die visuellen Effekte verbinden organisches Leiden mit imposanter Körperlichkeit. Diese Szenen funktionieren, elektrisieren, und wäre der restliche Film auf einen ähnlichen Niveau, hätte er vielleicht seinen eigenen Mythos geschrieben statt nur auf alten Spuren zu wandeln.

Inmitten dieser blassen Genre-Melange stehen drei Darsteller, die dem Film eine Tiefe verleihen, die dem Drehbuch fremd bleibt. Julia Garner verkörpert Blakes Partnerin mit einer Mischung aus Verletzlichkeit und innerer Stärke, die den Film immer dann hebt, wenn er droht, in Mittelmäßigkeit zu sinken. Ihre Darstellung hat Nuancen, die man in einem stärker auf Charakter konzentrierten Film viel größer hätte ausspielen können. Christopher Abbott wiederum gelingt es, die Auflösung seiner Figur spürbar zu machen. Er zeigt einen Mann im inneren Zerfall, mal stoisch, mal verwirrt, mal von einem animalischen Impuls durchzuckt. Seine Mimik, sein Tempo, sein Spiel zwischen Kontrolle und Kontrollverlust sind präzise. Matilda Firth kann als Tochter ebenfalls überzeugen, und dieses Trio schafft es, uns zumindest stellenweise emotional zu involvieren.

Fazit

„Wolf Man“ ist eine elegante, schön inszenierte, manchmal berührende – und doch erschreckend durchschnittliche Neuinterpretation des Werwolf-Mythos. Whannell bleibt seltsam zahm, als wollte er vermeiden, die Bestie wirklich aus dem Käfig zu lassen. Der Film versucht, ein psychologisches Drama zu sein, hat dafür aber zu wenig Tiefgang. Er möchte ein Horrorfilm sein, ist dafür aber zu harmlos. Er möchte atmosphärisch sein, bleibt aber farblos. Und doch: Es gibt drei starke Darsteller. Eine großartige Transformation. Einzelne Momente, die aufblitzen und daran erinnern, dass hier ein Regisseur am Werk ist, der sein Handwerk eigentlich versteht. Am Ende steht ein Film, der sich nirgends blamiert, aber auch nirgends brilliert. Ein Wolf, der nur selten heult und fast nie beißt.

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