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Wird mal wieder Zeit, der Dachbodenkiste der Fernsehens ein paar alte Schätze oder Schätzchen zu entlocken, da lagert noch soviel, was wir dank der Streamingdienste gar nicht mehr bemerken, was aber dreist immer mehr bemühte Personen im Internet auf diversen Plattformen zur Verfügung stellen. Alles was auf der Insel zum Thema Horror erstellt wurde, interessiert mich ja immer sehr und nachdem ich die Ghost Stories for Christmas, Courtesy of BBC, einen nach dem anderen besprochen habe, wende ich mich nun mal ITV zu.

Die Sendelandschaft Großbritanniens ist eine Geschichte, die hier den Rahmen sprengen würde, aber genauso wie Opa heute noch von den berühmten „drei Programmen“ erzählt, die man hierzulande empfangen konnte (plus 2 Sender Ostzone, der zweite mit viel Schnee), bevor das Kabel TV aufkam, war ITV die erste private Konkurrenz, die „Auntie Beeb“, die große alte Dame BBC, akzeptieren musste. Bzw. wurde der Sender ja 1955 explizit gegründet, damit es überhaupt Wettbewerb geben konnte, gegen das Monopol der staatsgeführten BBC.

Alsbald lief ITV (man stelle sich das Network als eine Mischung aus ZDF, dritten Programmen und RTL vor) der BBC mehr und mehr den Rang ab, weil sie ausländische Ware häufiger boten und gleichzeitig regional mehr Serien produzierten. Und als die BBC mit den „Ghost Stories“ ab 1971 immer wieder einen Weihnachtshit einfuhren, der den Leuten unter dem Baum eine Gänsehaut verschaffte, versuchte es ITV 1974 selbst mit etwas Gruseligem zum Fest.

Warum nun gleich zwei Filme für ein Jahr – 1974 – produziert wurden, ist nicht so ganz klar, aber die beiden Filme „The Ferryman“ und „Poor Girl“ gingen am 23. Bzw. 30.12. jeweils auf Sendung.

Und sie blieben die einzigen Beispiele der als „Haunted“ betitelten Reihe, was wirklich schade ist, denn memorabel sind beide Stories durchaus, wenn auch nicht vollends gelungen.

Die erste Folge war noch das, was man wirklich eine „Ghost Story“ nennen könnte, wobei auffällig ist, dass im Gegensatz zur BBC, die mit ca 30-35 Minuten arbeitete, ITV mit einer ganzen Stunde, also 50 Sendeminuten, große Kaliber auffuhr.

„The Ferryman“ ist jetzt nicht eben ein Thrillerchiller, der einem die Nächte unruhig macht, aber die Story hat ihren „Hook“, der über weite Strecken sehr sehr gut funktioniert. Der zukünftige TV-Sherlock-Holmes Jeremy Brett darf hier als Horrorschriftsteller Sheridan Owen reüssieren, bislang ein eher erfolgsarmer Schreiberling, aber sein letztes Buch „The Ferryman“ hat sich zur Sensation entwickelt, weswegen sein Verleger auch nicht mehr so ganz schwer atmet. Leider ist Owen kein besonders netter Mensch und der Literaturbetrieb und die Party zu seinen Ehren fällt ihm schnell auf den Wecker, so dass er sich mit seiner holden Ehefrau im Oldtimer auf den Weg in die Sommerfrische macht. Aber auf merry old England ist Verlass, ein Regensturm kommt auf und es feuchtet durch alle Ritzen, so dass man in der nächstbesten Unterkunft Unterschlupf suchen muss. Die entpuppt sich – das Unwetter verzieht wie durch ein Wunder – als hübscher, aber fast leerer Landhotelpub mit dem Namen „Ferryman“, so in etwa wie in Owens Buch. Und der Manager heißt mit Nachnamen wie der Manager im Roman. Und der Barmann. Und der Besitzer. Und eine Tochter hat er auch wie im Buch, die gemäß der schreiberischen Künste Sheridans quasi dem Tode geweiht wäre. Zum Glück weilt sie ja in London, da können sich die Eheleute – bestimmt alles nur Zufall – einen schönen Tag machen. Und dann steht die Gute abends auf Stippvisite in der Tür…

Für Owen bedeutet der Plot eine Abfolge steter zusätzlicher Verunsicherung, denn immer wenn er sich just mit Hilfe der Gattin (die eigentlich diejenige ist, die an Geister glaubt und er eben nicht) eingeredet hat, dass das alles nur ein Zufall ist, würgt ihm die nächste Co-Inzidenz von hinten schon einen rein. So bekommt die Ghost Story ein stets verunsicherndes Twilight-Zone-Feeling, denn man weiß nie: ist der Pub real und sind es die Leute dort auch oder sind sie alle schon tot und wie hat Sheridan eigentlich das Buch geschrieben? Aber was ein wackrer Schreiberling ist, der lässt schon mal den Griffel fallen und schreitet um Mitternacht gemäß seiner Vorlage zur Tat, um zu retten, was zu retten ist.

Ich will nicht zu viel verraten, was das Finale ausmacht, aber trotz guter Ideen ist der Höhepunkt technisch holprig ausgefallen. Hatte die Geschichte bis dahin eine traumähnliche Qualität, so wird die Geisterjagd im Park um Mitternacht durch die allseits „bescheiden“ ausfallenden Day-for-Night-Aufnahmen zunichte gemacht.  Da muss schon eine Uhr herhalten, um uns bei dem offensichtlichen und sonnigen Tageslicht davon zu überzeugen, dass nun Geisterstunde sein soll. Und was den bösen Butzemann angeht, da hätte man sich – man sieht ihn nicht in im Detail – doch ein bißchen mehr Mühe machen können, denn es sieht so als würde sich da jemand mit dem Gärtner kloppen.

Dennoch, die Pointe – jaja, man kann sie vorher sehen, aber sie wirkt dann eben doch recht gut – lässt das Ganze auf einer interessanten Note enden und wenn die Geschichte auch nicht die Qualität von M.R. James (dem Verfasser der ersten fünf verfilmten BBC-Ghost Stories von 1971-75) besitzt, aber der Autor der Vorlage, Kingsley Amis, war ein geachteter Novelist, Romancier und Dichter (der TV-Adaption seiner Vorlage „The Green Man“ widme ich mich gern ein anderes Mal) und sie funktioniert auch in dieser Adaption noch sehr gut.

Natürlich ist es eine kleine TV-Produktion, aber sie ist mit gekonnter Hand gemacht und wer heute über die Sendung stolpert, sollte sich eine schöne mysteriöse Stunde machen. (7/10)










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