Drei Schönheits-OPs für Aschenbrödel
Was für eine wunderbare Idee, die bekannte Aschenputtelgeschichte mal aus der Perspektive einer der „bösen“ Stiefschwestern zu erzählen! Regisseurin und Drehbuchautorin Emilie Blichfeld mixt für ihren modernen Märchenfilm vor allem zwei der bekanntesten filmischen Vorlagen: Disneys klassischen CINDERELLA (1950) und den vor allem in Deutschland so beliebten DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL (1973), dem der Film auch seinen hellen, weichgezeichneten Look und die immer etwas miefig anmutenden Kostüme verdankt. In einer Szene summt „Aschenputtel“ Agnes sogar Karel Svobodas legendäre Titelmelodie.
Für die festliche Vorweihnachtszeit ist Blichfelds Debut dennoch nur bedingt geeignet, denn wir folgen hier der Leidensgeschichte der mit nicht ganz so guten Genen gesegneten Stiefschwester Elvira – zu einer Zeit, als Bodyshaming noch zum guten Ton gehörte. Das leicht pummelige Mädchen mit den schlechten Zähnen soll für den Prinzen gepimpt werden und muss nun auf Anweisung ihrer (wirklich bösen) Mutter eine viermonatige Tortur über sich ergehen lassen, um auf dem großen Debütantinnenball (sprich: Jungfrauenschau) zu punkten.
Dabei assistiert ihr mit großer Hingabe zu seinem Beruf „Dr. Esthétique“ (Firmenmotto „Beauty is pain“) mit gezielten Eingriffen und modernsten Techniken – für die damalige Zeit, versteht sich. Diese Behandlungen und auch die spätere „Selbstverarztung“ Elviras werden selbst einige hartgesottene Bodyhorror-Fans zähneknirschend unter den Kinositz zwingen, denn sie sind ungewöhnlich realistisch in schonungslosen Closeups gefilmt. Und sie tun richtig weh – Respekt für Lea Myren, die sich hier quasi die Seele aus dem Leib spielt. Da THE UGLY STEPSISTER aber eigentlich eine (zugegebenermaßen sehr gnadenlose) Komödie ist, muss man über diese übertriebenen Grausamkeiten auch gleichzeitig lachen.
Nach dem ebenso brutalen wie seltsam schönen Ende wünscht man sich schließlich, Disney würde von seinem Trip runterkommen, jedes seiner frühen Meisterwerke als Realfilmfassung zu verhunzen und stattdessen Genreregisseuren Geld in die Hand geben, um ihre Stoffe aus bislang ungesehenen Perspektiven neu zu erzählen. Freuen wir uns auf die Perspektive der „Red Queen“ auf ALICE IN WONDERLAND, auf die JUNGLE BOOK Geschichten der Schlange Kaa und BAMBI aus der Sicht des Jägers!