Mit Filmen wie „Scouts vs. Zombies“, „Happy Deathday“ und „Freaky“ hatte Christopher Landon seine größten Erfolge im Bereich der Horrorkomödie gefeiert, wagte sich dann aber mit „Drop“ an einen comedyfreien High-Concept-Thriller, wie so oft für die Produktionsfirma Blumhouse. Wie schon bei den „Ouija“-Filmen oder der „The Purge“-Reihe tat sich Blumhouse hier mit Platinum Dunes, der Produktionsfirma von Michael Bay, zusammen.
Hauptfigur ist die verwitwete Violet (Meghann Fahy), die vornehmlich online für eine Frauenberatungsstelle arbeitet. Im gemütlichen Eigenheim hat sie sich eingeigelt, über eine Dating-App einen geduldigen Verehrer kennengelernt und will sich nun endlich für eine Verabredung mit ihm treffen. Ihre Schwester Jen (Violett Beane) passt auf den Sohnemann auf und sucht das passende Outfit für Violet heraus, die eigentlich eher backfischig gekleidet zum Date gehen will. Langsam, aber nicht zu ausschweifend baut der Film seine Hauptfigur auf und gibt einige Hintergrundinfos, die später wichtig werden und/oder in anderem Kontext erscheinen.
Das Restaurant ist ein Nobelladen, der über den Dächern von Chicago mit Panoramablick gelegen ist. Dorthin hat der Fotograph Henry (Brendan Skelar) sein Date eingeladen. Henry kommt ein paar Minuten zu spät, was dem Film Gelegenheit gibt schon mal das Figureninventar und den luxuriös anmutenden Schauplatz vorzustellen. Gerade letzterer gehört zu den Stärken von „Drop“, ist das Design des Nobelrestaurants doch hübsch anzuschauen und bietet immer was fürs Auge. Da sich der High-Concept-Thriller bis auf wenige Passagen zu Beginn und Ende auch allein hierauf konzentriert, keine schlechte Wahl.
Während des Dates mit Henry erhält Violet Nachrichten mit der fiktiven Technologie Air Drop: Jemand in Sendeweite will ein Spiel mit ihr spielen. Als sie die Herausforderung annimmt, muss sie feststellen, dass hinter dem Spiel bitterer Ernst steckt und es um Leben und Tod geht…
Das mag kurz nach einem Horrorfilm oder Psychothriller anmuten, entpuppt sich aber schnell als einer jener auf Spannung gezirkelten Filme, in denen ein Normalo von Verschwörern zu einer Tat gezwungen werden soll – man denke an „Gegen die Zeit“, „Red Eye“ oder das Jaume-Collet-Serra-Trio aus „Carry-On“, „The Commuter“ und „Non-Stop“. Letzterer stammt wie „Drop“ auch aus der Feder von Chris Roach, der gemeinsam mit seiner „Wahrheit oder Pflicht“- und „Fantasy Island“-Co-Autorin Jillian Jacobs diese Idee mit anderem Setting und anderer Hauptfigur auf den Weg bringt. Dummerweise gehört gerade das Script der beiden eher zu den Schwachpunkten des Films, was schon mit der Ausgangslage zu tun hat. Violet kann die Air Drops theoretisch ignorieren, weshalb man sich fragen muss, warum sie die Anfrage nach mehreren Ablehnungen annimmt. Ist das ein Versehen? Denn das Druckmittel der Schurken bekommt sie erst danach zu sehen. Und was hätten diese eigentlich gemacht, wenn sie das Spiel nicht mitgespielt hätte? Zumal die Begründung, warum es ausgerechnet Violet sein musste und warum der ganze Zinnober anstatt geradliniger Lösungen veranstaltet wurde, die Logik nochmal auf reichlich dünnes Eis führt.
Auch sonst ist es da bisweilen düster mit der Plausibilität. Erst später erfährt man, dass die Verschwörer offensichtlich alle Sicherheitskameras gehackt haben, die anscheinend sogar in der Toilette filmen, aber an manchen Tischen des Restaurants offensichtlich nicht. Jedenfalls wissen die Fieswichte aus unerfindlichen Gründen auch immer, wo sie zusätzlich Mikros anbringen müssen, und wie manches Detail (z.B. die Banknote im Salat) funktioniert haben soll, bleibt auch nach Filmende unergründlich. Dass die Protagonistin im Showdown beinahe Actionheldinnenqualitäten entdeckt, inklusive Brachialfahrt und Handgreiflichkeiten, kann man dagegen noch als Genrestandard abtun. Weniger erklärlich ist dagegen die Tatsache, dass sich das Restaurant zwischendurch wohl in ein Flugzeug verwandelt haben muss (Stichwort: Glasbruch).
Das zehrt dann an den Qualitäten von „Drop“, der noch eine weitere Schwäche in der Glaubwürdigkeit hat. Natürlich gehört es zum Normalo-wird-erpresst-Thriller, dass die Protagonistin einerseits den Anweisungen der Schurken folgen muss, diese andrerseits aber sabotieren möchte und dabei Dinge tut, die anderen Menschen komisch oder verdächtig erscheinen. Violet verhält sich aber teilweise so seltsam und fahrig, dass man sich irgendwann wundert, dass Henry und das Restaurantpersonal sie nicht direkt einweisen lassen – und eine gute Ausrede für ihr Verhalten packt Violet erst in der zweiten Filmhälfte aus. Hätte sie dies schon vorher zu Henry gesagt, wäre es wesentlich verständlicher, dass der nicht einfach die Flucht ergreift bei diesem seltsamen Date.
So sind es all diese Details, die „Drop“ immer wieder runterziehen, während die Prämisse nicht originell, aber auf Regieseite handwerklich sauber umgesetzt ist. Die Textnachrichten werden optisch hübsch ins Bild integriert, die Spannung durchaus hoch gehalten, wenn Violet das Restaurant nicht verlassen darf, aber immer wieder ergründen möchte, wer denn nun die Nachrichten schickt. Auch die Liste der möglichen Verdächtigen ist gelungen, darunter die resolute Barkeeperin, der Kellner, der lieber Stand-Up-Comedian wäre, der arrogante Barpianist, das verliebte Pärchen, die beiden Leute auf dem Blind Date oder der Kerl, mit dem Violet immer wieder zusammenstößt. Das Drehbuch und die Inszenierung legen die falschen Fährten geschickt aus und können mit der schlussendlichen Enthüllung durchaus überraschen. Warum Violet tun soll, was man ihr aufträgt, hat man angesichts des Berufs einer bestimmten Figur dagegen schnell erraten.
Ansonsten ist das Ganze die übliche Routine: Violet versucht verdeckt Hilfe zu rufen oder die Pläne der Schurken zu durchkreuzen, nur um festzustellen, dass diese scheinbar an alles gedacht haben. Muss ja bei dieser Art von Thriller auch so sein, denn sonst wäre die ganze Chose ja vorbei, ehe Spielfilmlänge erreicht wird. Doch gerade in der zweiten Hälfte steigert sich der Film, wenn Violet einerseits wesentlich glaubwürdiger ihr Verhalten erklären kann, andrerseits deutlich bessere Wege findet, um den Plan der Schurken zu sabotieren. Wenn sie im späteren Verlauf sogar eigene Lebenserfahrungen zu ihrem Vorteil einsetzen kann, dann zahlt sich aus, wie Landon und Co. ihre Vorgeschichte nach und nach entblättern, und man fragt sich, wie der Film wohl gewirkt hätte, wenn er dauerhaft so gut strukturiert wäre – auch wenn man das generische Finale dann immer noch schlucken müsste.
Dass kostengünstige Produktionen zum Erfolgsrezept von Blumhouse gehören, ist allgemein bekannt – auch „Drop“ fuhr mit einem Einspiel von 28 Millionen fast das Dreifache seines Budgets von 11 Millionen Dollar ein. Jenes ist in den schicken Schauplatz gut investiert, die Darsteller sind kostengünstig unbekannt, was aber auch Vorteile hat. Niemand kommt mit einem Rollenimage daher, keine Nebenfigur ist durch eine prominente Besetzung als möglicher Schurke prädestiniert. Hauptdarstellerin Meghann Fahy überzeugt als Witwe, deren erstes Date nach Jahren zum Alptraum wird, die aber nicht direkt zum schreienden Häufchen Elend wird. Glaubwürdig, weil sie weder übertrieben heroisch noch wie ein flatterndes Hemd spielt. Brandon Sklenar wirkt manchmal eine Spur zu glatt und verständnisvoll, ist insgesamt aber doch ein guter Anspielpartner für Fahy, denn große Teile des Films konzentrieren sich auf die beiden. In Nebenrollen setzen vor allem Gabrielle Ryan als Barfrau, Jeffery Self als redseliger Kellner und Reed Diamond als unbeholfener Mann auf einem Blind Date Akzente.
So wechseln sich Licht und Schatten bei „Drop“ ab. Der Schauplatz macht einiges her, die Prämisse ist nicht neu, wird aber recht effektiv als Kammerspiel inszeniert. Dummerweise hapert es bisweilen arg an der Logik, was bei einem Thriller nicht unbedingt verzeihlich ist, zumal sich das Drehbuch hier sogar einige besonders dicke Klöpse leistet. Das kann man weniger verschmerzen als den reichlich generischen Haudrauf-Showdown, den man einer Figur wie dem Air Marshall in „Non-Stop“ allerdings eher abnimmt als dem erzürnten Muttertier Violet.