Review

Du musst den Klunker durch den Nippel zieh'n! 

Ich will nicht lügen, die ersten beiden aufsehenerregenden Werke von Cattet/Forzani („Amer“, „Der Tod weint rote Tränen“) haben mich damals etwas überfordert bis gar genervt. Etwas voreilig und harsch habe ich sie als „Style over Substance“ abgetan. Über die Jahre habe ich aber mehr und mehr in die Spur der beiden Regieexzentriker gefunden und ihr letztes Werk, „Let The Corpses Tan“, welches jetzt auch schon wieder 8 Jahre her ist, habe ich sogar von Anfang an aufgesogen und gar gefeiert. Nun sind die beiden endlich zurück, mit einer - wie könnte es auch anders sein - überstylischen Eurospy-Persiflage mit mehr Splitscreen als Mario Kart, mit mehr Karat als Shirley Bassey je besungen hat, mit mehr Masken als das Team von Ethan Hunt 3D-drucken könnte und mit mehr comichafter Reflektion als drei Tarantinos zusammen… Über einen gealterten, legendären Geheimagenten, der sich, zugegeben zusammen mit uns Zuschauern, in einem Netz aus Erinnerungen und Affären, Bösewichten und doppelten Böden, Möglichkeiten und Missionen verstrickt… 

Die Masken fallen, die Korken knallen!

„Reflection In a Dead Diamond“ gewinnt sicher nicht nur den Pokal für den coolsten Filmtitel des Kinojahres, sondern ist genauso stylisch und kunstvoll, wie man es von dem italienisch-französischen Regieduo erwartet. Vielleicht sogar ein Stück mehr noch. Das ist ein Fresko der blutigen Diamanten, ein Mandala des knarzenden Leders, ein Orgasmus der tosenden Meeresbrandung, eine Visitenkarte mit Rasiermesserrand, ein Spiegelkabinett der Eitelkeiten, ein Wundbrand der Erregung, eine Missionsbesprechung auf LSD, ein Fetischclub der anonymen Spyoholiker, ein Labyrinth der brennenden Sonne, eine Alzheimerdröhnung im Geiste des Connery. Das ist meta, das ist verrückt, das ist wild. Das ist ein Kunstfilm ohne Wenn und Aber, damit muss man umgehen können. Arthouseabgeneigte sollten einen weiten Bogen machen. Wirklich Sinn und Logik hat das nicht. Ganz zu schweigen von einer runden Geschichte. Manchmal habe ich gar das Gefühl, dass Cattet/Forzani einfach alles mit Anlauf und möglichst viel Glitzer an die Wand bzw. Leinwand klatschen, was ihnen in die Finger gerät. Und zum Wohle einer Geschichte oder eines verständlichen Werks mit Fokus und bestimmter Betonung, sollte man als Filmemacher durchaus auch (geile) Dinge streichen können. Aber das schiene hier gegen Konzept und Kontext zu schießen. „Reflection In a Dead Diamond“ ist zudem auch keinesfalls hohl. Man kann sich da einiges herausziehen zum Thema der Agentenfilme und einiger seiner Muster, Klischees und internen Logiken. Ich verstehe aber auch jeden, der hier flott frustriert abwinkt. Trotzdem ist das wohl der bisher rundeste und kompakteste Film des Duos. Wirklich zugänglich oder mainstreamig ist's aber bei Weitem noch nicht. Da wären selbst Mario Bava am Set von „Gefahr: Diabolik“ die Augen übergegangen… 

Der Spion, der aussiebte… 

Fazit: ultrahübsche, aber auch reichlich konfuse und unkonzentrierte Arthouseagentenhatz. Eine verspielte, versierte und veritable Dekonstruktion des Spygenres… Das kann dermaßen ungeniert und exzessiv, ja auch anstrengend teils, nur dieses Duo momentan! 

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