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Gleich zu Beginn gibt es Lichtbrechungen, Spektralfarben. Die Augen sind verwirrt. Dann wird aus Andersens Schneekönigin zitiert. Das ist so beeindruckend, das die Kälte die folgen wird, spürbar ist. The Tone is set, wie der Engländer sagt. Und das sehr mächtig...


Jeanne, ein Teenie, lebt in einem vielleicht Heim (das wird anfangs nicht geklärt, wird später verständlicher) zusammen mit anderen Kindern, sitzt am selben Tisch. Irgendwann macht sie sich auf, die Schneekönigin zu finden. Eine kleine Mitbewohnerin macht sich Sorgen um sie, hat Angst. Jeanne verspricht ihr aber, ihr bei der Rückkehr etwas von der Schneekönigin mitzubringen. So macht sie sich dann heimlich auf, in die schneebedeckte Winterlandschaft einer Provinz mit bergiger Umgebung. Per Anhalter kommt sie (mehr oder weniger) an ihr vermeintliches Ziel. Mangels eines Platzes die Nacht zu verbringen steigt sie in ein Kellerfenster ein. Dort findet sie dann einen Platz zu schlafen, auf Decken, hinter Kulissen (vielleicht). Dann wird sie wach und es schneit das erste Mal in diesem Film. Und sie sieht erstmalig die Schneekönigin! Deren Auftritt ist überwältigend. Jeanne, die sich später nach Entdecktwerden Bianca nennt, ist auch sogleich der Anziehungskraft der Protagonistin ihres Lieblingsmärchens erlegen. Später lernen sie sich kennen... 


Ich mag die Filme der Lucile Hadzihalilovic. Sie sind immer geheimnisvoll, nie wird richtig klar wo jetzt Realität und wo Traum ist. Alles ist in einem Nebel, unsichtbar, nicht greifbar. Dieser Film ist vielleicht ihr stringentester. Es gibt mehr Dialog, im Verhältnis zu Evolution und Earwig wird geradezu gequasselt. Die Handlung hat ein Anfang und ein Ende. Dazwischen gibt es sehr schöne Sounddesigns, phantastische Bilder, herausragende Schauspielerinnen und eine Landschaft die eisiger und dunkler kaum sein kann. Und das sogar nur am dortigen Filmset. Zu Bewußtsein kamen mir Hammer-Filmproduktionen, z.B. Dracula. Später, im Filmstudio und dessen Räumlichkeiten, wurde ich an Catch 22 erinnert, wenn Yossarian die Prostituierte aufsucht. Leere Gänge, leere Räume, abgerissene Tapeten. Allgegenwärtige Stille, wie im Schnee. Der Verfall macht sich breit. Und David Lynch hätte sicher seine Freude an diesem Filmfest! gehabt. Ich habe große Schwierigkeiten, meine Eindrücke hier niederzuschreiben. Den Film habe ich gestern auf dem Film Festival Köln gesehen. Das Werk verfolgt mich immer noch. Marion Cotillard mimt die Schneekönigin, das es eine Freude ist. Die, die über ihr Reich herrscht, für immer und alleine. Dieser Film packte mich und zog mich in die eisige Kälte und Dunkelheit hinab, in die Kälte der 70er, der schneebedeckten Umgebung und in das von Wind gemachte, eisige Reich der ewigen Schneekönigin. 


Ein herausragender Film mit einem super harmonisierendem Schauspielerinnen-Duo. Volle Punktzahl! Da bleibt nur zu wünschen, das eine deutsche Synchronisation zum Kinostart den Film nicht zerstört.

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