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Wenn das Heimkommen zum Fiebertraum wird

Von außen sieht alles so vertraut aus. Ein österreichisches Dorf, ein Heimkehrmotiv, eine junge Frau, die ihre Vergangenheit sucht. Doch unter der stillen Oberfläche beginnt es zu gären. Andreas Prohaska, bekannt für sein Gespür für Atmosphäre und Ambivalenz, liefert mit Welcome Home Baby ein Stück feinstes Genrekino ab – handwerklich brillant, erzählerisch eigenwillig und mit einer hypnotischen Sogkraft, die man eher im Arthouse als im Horror verortet hätte. Prohaska, der spätestens seit „Das finstere Tal“ als der große Ästhet unter Österreichs Genre-Regisseuren gilt, zieht uns hier in einen Sog aus ruraler Beklemmung, psychologischer Verunsicherung und audiovisueller Verführung. Und er tut das, wie man ihn kennt – mit Präzision, Understatement und einem spürbaren Vergnügen am Spiel mit filmischen Konventionen.

Die Geschichte folgt einer Frau, die heimkehrt – ein klassisches Motiv, fast archetypisch. Heimat als Sehnsuchtsort, der sich beim Wiedersehen in einen Albtraum verwandelt. Julia Franz Richter spielt diese Rückkehrerin mit einer stoischen Verletzlichkeit, die den Film trägt. Sie ist zugleich stark und verloren, rational und von einer Ahnung getrieben, die sie nicht erklären kann. Das Drehbuch, geschrieben mit spürbarem Sinn für Andeutung, hält sich an die klassische Struktur des psychologischen Horrors: Ein vertrauter Ort wird zur Bedrohung, das Normale zum Abgrund. Prohaska entwirft diesen Plot nicht als lineares Rätselspiel, sondern als atmosphärisches Mosaik. Immer wieder schiebt er surreale Sequenzen ein, bricht die Wahrnehmung auf, lässt Traum und Realität ineinanderfließen - eine Art Trancezustand aus Bildern, Klängen und Andeutungen.

Doch über die fast zwei Stunden Laufzeit zeigt sich auch die Schwäche dieser Erzählweise: Die Spannung verflüchtigt sich, der Sog verliert an Kraft. Die surreale Schönheit der Bilder kann nicht immer verdecken, dass dramaturgisch zu wenig passiert. Manchmal verliert sich der Film in diesen hypnotischen Momenten – zu lang, zu selbstverliebt, zu wenig dienlich der Geschichte. Aber sie sind visuell so stark, so verführerisch komponiert, dass man sie ihm kaum übelnehmen mag. 

Das Flüstern des Unheimlichen

Welcome Home, Baby ist kein Horrorfilm, der Antworten liefert. Er ist ein Film, der fragt, ohne zu erklären - was hier eigentlich passiert, ob übernatürliche Kräfte am Werk sind oder nur die Psyche der Protagonistin zersplittert, werden nicht beantwortet. Doch das ist, und das muss man Prohaska zugutehalten, kein dramaturgisches Versäumnis, sondern eine bewusste Entscheidung. Denn das eigentlich Unheimliche entsteht hier nicht durch Erklärung, sondern durch Schweigen. Es ist die psychologische Komponente, die Welcome Home Baby trägt. Das Gefühl, dass Realität und Wahn ineinanderfließen. Das Dorf als kollektives Unterbewusstsein – schön, gepflegt, aber von dunklen Trieben durchzogen. Diese surreale Ebene ist es, die dem Film seinen ganz eigenen Reiz verleiht. Welcome Home Baby ist kein Horrorfilm, der auf Schockeffekte setzt – er will verunsichern, nicht erschrecken. Und wenn der Horror dann doch einmal in Form eines gelungenen Jumpscares vorbeischaut, sitzt er – sauber getimt, mit chirurgischer Präzision.

Prohaska spielt hier mit den Regeln des Genres, und das mit sichtbarem Vergnügen. Er zitiert den klassischen Horrorfilm, das Psychodrama, sogar das Mystery-Kino der 1970er – und macht daraus eine Mischung, die sich einer eindeutigen Zuordnung entzieht. Dabei zeigt sich einmal mehr, wie sicher Prohaska im Ton ist. Er hat keine Angst vor Stille, keine Angst vor Langsamkeit. Er vertraut auf Atmosphäre statt auf Plot. Welcome Home Baby ist nicht laut, nicht grell, nicht effekthascherisch. Es ist ein Film, der lieber schleicht als springt, lieber schwebt als läuft. Doch diese Entschleunigung hat ihren Preis. Zum Ende hin verliert der Film spürbar an Drive. Wo der Beginn hypnotisch fließt, kippt die zweite Hälfte in eine gewisse Trägheit. Die dramaturgische Spannung löst sich, der Rausch wird zum Nebel. Doch selbst in diesen Momenten bleibt der Film interessant – weil er visuell, klanglich, atmosphärisch so reich ist, dass man sich gerne in ihm verliert.

Großen Anteil an der Wirkung haben die Schauspieler. Julia Franz Richter trägt den Film mit einer beeindruckenden Intensität. Ihre Figur ist keine klassische „Scream Queen“, sondern eine Frau, die mit leisen Mitteln kämpft, mit Blicken und Gesten, mit innerer Spannung. Man glaubt ihr die Verunsicherung, die schleichende Angst, die innere Zerrissenheit. An ihrer Seite liefert Gerti Drassl eine Performance, die man nur als „unheimlich elegant“ bezeichnen kann. Ihre Figur hat eine beunruhigende Ausstrahlung – freundlich, hilfsbereit, aber nie wirklich vertrauenswürdig. Es sind diese feinen Nuancen, die das Spiel so stark machen. Kein Overacting, kein Horror-Theater, sondern echtes, feines Schauspiel. Auch die Nebenfiguren – Dorfbewohner, Verwandte, zufällige Begegnungen – sind präzise besetzt. Man glaubt ihnen, man spürt, dass sie Teil dieses sonderbaren Mikrokosmos sind.

Fazit

Andreas Prohaska hat mit Welcome Home, Baby ein bemerkenswertes Stück österreichisches Genre-Kino geschaffen – elegant, rätselhaft, ästhetisch präzise. Ein Film, der nicht schreit, sondern flüstert. Er verlangt Geduld, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich auf etwas Unausgesprochenes einzulassen. Es ist kein perfekter Film, aber ein eigenwillig schöner. Ein Werk, das den Mut hat, offen zu bleiben, vage, verführerisch. Wer auf klassische Horrorstrukturen wartet, wird sich womöglich wundern, wie still, wie langsam, wie seltsam dieser Film ist. Aber genau darin liegt seine Stärke. Andreas Prohaska liefert kein lautes Spektakel, sondern einen hypnotischen Trip, der mit den Regeln des Genres spielt, sie verbiegt, sie manchmal ausreizt, manchmal aus den Augen verliert – aber immer mit Stil, mit Haltung, mit einem Gespür für Atmosphäre.










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