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„Die unscheinbare Masako arbeitet als Näherin im Familienbetrieb. Freunde hat sie keine, ihre Familie nimmt sie eher als Inventar wahr, ihre jüngere Schwester macht sich gerne über sie lustig. Als eines Tages die Mutter stirbt, kommt es zum Streit, Masako tötet ihre Schwester und flüchtet. Im Laufe ihrer Odyssee quer durch Japan lernt sie nicht nur die kaputteren Seiten des Landes kennen, sondern vor allem ihre eigenen Sehnsüchte und Begierden. Junji Sakamotos gewagtes Roadmovie über die befreienden Aspekte antisozialen Verhaltens lebt vor allem von der Hauptdarstellerin Naomi Fujiyama, in Japan ein gefeierter Bühnenstar.“ (Japanisches Filmfest Hamburg)

Face ist ein "Roadmovie", ohne die typischen Roadmovieklischees zu bedienen. Es gibt keine jungen Männer, die die Welt entdecken wollen, kein Pärchen auf der Flucht vor Gangstern oder der Staatsmacht, keine Elvis-Songs, keine harten Gewaltszenen und auch keine betörenden Landschaftsaufnahmen. FACE ist eine One-Woman-Show der in Japan recht bekannten Hauptdarstellerin Naomi Fujiyama. Ihre Vorstellung der etwas zurückgebliebenen und introvertierten Näherin Masako und deren Öffnung gegenüber der Welt und gegenüber sich selber ist eine schauspielerische Glanzleistung par excellence.

In ihrem Gesicht spiegelt sich die Bewegung des Films, nicht in den bereisten Landschaften. Der Film ist in Episoden aufgeteilt, wobei die einzelnen Etappen durch immer die gleiche Verbindungsmusik unterbrochen werden (ansonsten gibt es quasi keinen Soundtrack, bis auf die szenische Musik z.B. in einer Karaoke-Bar). Innerhalb der Episoden entwickelt sich Masako sichtbar aber langsam weiter. Ihr vorher fast nicht vorhandenes Sozialverhalten und ihre Schrulligkeit weicht einer misstrauischen Offenheit, bis sie am Ende fast schon als selbstbewusster und sich mit den eigenen Wünsche vertrauter Mensch zu bezeichnen ist.
Tragisch sind dann immer die Beendigungen der Episoden, in denen sie regelmäßig vor der Polizei flüchten muss, die eher zufällig auf der Szene erscheint. Ihrer Vergangenheit als Schwestermörderin kann sie nicht fliehen. Alles, was sie sich aufgebaut hat, wird sofort wieder zerstört. Jedoch gibt sie nicht auf und fügt sich der Realität und baut sich ein neues Heim, wobei ihr ihre freundlich-bescheiden-hilfsbereite Art zu Hilfe kommt.

Trotz dieses ja eigentlich eher dramatisch, fast tragischen Plots, arbeitet der Film überraschenderweise mit einigem Humor. Dieses Stilmittel ist jedoch nicht störend, sondern lockert die Atmosphäre auf und gibt der Handlung noch mehr Tiefe. Denn so entwickelt der Film eine Leichtigkeit, ohne seine tragischen Unterton aus den Augen zu lassen.

Ein ruhiger Film, der wunderschön ist und hoffentlich auch den Weg in unsere Programmkinos finden wird. Es lohnt sich.

Mirco Hölling (02.06.2004)

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