Review

Der Rausch der Schwerter, der Tanz der Dämonen

Es gibt Namen, die im popkulturellen Diskurs wie Leuchttürme wirken – weithin sichtbar, omnipräsent, unausweichlich. „Demon Slayer“ gehört zweifellos dazu. Doch manchmal bleibt ein Leuchtturm eben auch nur ein ferner Schimmer: man kennt ihn, man registriert ihn, aber man steuert ihn nie direkt an. So erging es mir bisher mit dieser Serie. Ich wusste um ihre Popularität, um die zahllosen Memes und Bilder, die durchs Netz geisterten – aber gesehen hatte ich sie nie.

Bis jetzt. Denn als „Demon Slayer: Infinity Castle“ ins Kino kam, konnte ich der Verlockung nicht widerstehen. Der Hype war zu groß, die Schlagzeilen zu laut: Rekorde hier, Box-Office-Meilensteine dort. Der Film wurde schon vor Release als globales Phänomen gehandelt – und siehe da, er hat tatsächlich mehrere Einspielrekorde pulverisiert. Der Film ist, um es salopp zu sagen, ein Popkultur-Orkan, und ich saß mittendrin, mit einem Grinsen als hätte mich ein visueller Sturm erwischt.

Wenn Pathos auf Schwertkunst trifft

Die Handlung knüpft direkt an die Serie an (ja, hier habe ich ein paar Wissenslücken gespürt, aber erstaunlicherweise konnte ich trotzdem problemlos folgen). Im Zentrum steht das titelgebende „Infinity Castle“, eine labyrinthartige Festung voller Fallen, Schatten und Dämonen, das wie ein architektonischer Fiebertraum wirkt: Räume verschieben sich, Dimensionen kollabieren, alles ist in Bewegung. Es ist nicht nur Schauplatz, sondern fast schon ein lebendiger Protagonist. Hier kulminiert der lang vorbereitete Kampf zwischen den Demon Slayern und den Mächten der Finsternis.

Besonders beeindruckend fand ich, wie der Film mit seinen Dämonen umgeht. Das sind nicht einfach gesichtslose Monster, die man abmetzelt wie Level-Gegner in einem Videospiel. Nein, sie haben Geschichte, Tragik, Vergangenheit. Man spürt, dass sie einst Menschen waren, dass sie Narben tragen, dass sie Gründe hatten, warum sie wurden, was sie sind. Gerade darin liegt eine emotionale Wucht, die weit über klassische Gut-gegen-Böse-Erzählungen hinausgeht.

Das Drehbuch selbst schwächelt im Mittelteil ein wenig – da hängt die Dramaturgie für meinen Geschmack leicht durch. Ein paar Szenen wirkten gestreckt, als wolle man unbedingt allen Figuren ihren Moment im Rampenlicht gönnen. Das ist löblich, aber es kostet an Tempo. Doch diese Schwäche erweist sich letztlich nur als Atempause – eine Vorbereitung für das, was folgt. Denn sobald Tanjiro und Giyu gegen Akaza antreten, bricht das Kino quasi aus den Fugen. Dieser Showdown ist pure Energie, ein Crescendo aus Action und Emotion, das man kaum in Worte fassen kann.

Ein Schloss aus Schatten, ein Feuerwerk aus Klingen

Die Atmosphäre von Infinity Castle ist schlicht überwältigend. Den Machern gelingt es, dem Schloss eine beinahe hypnotische Qualität zu verleihen. Die architektonischen Spielereien, die endlosen Gänge, die surreale Raumaufteilung, das Zusammenspiel von Licht und Schatten, von Farben und Dunkelheit – all das verschmilzt zu einer Welt, die zugleich bedrohlich und faszinierend wirkt. In den Actionszenen verschmelzen Soundtrack und Bild zu einem audiovisuellen Rausch, einem Orkan im Dolby-Format. Die Musik treibt die Action voran, peitscht sie hoch, lässt sie explodieren – und man sitzt da, halb gebannt, halb überwältigt, und denkt sich: „Das ist Kino. DAS ist Anime.“ Die Kämpfe sind dynamisch, wuchtig, atemberaubend choreografiert. Jeder Schlag, jeder Schwertstreich, jede Bewegung fühlt sich an, als sei sie minutiös geplant und gleichzeitig aus einer wilden Inspiration heraus geboren. Es ist nicht einfach „Kampf“. Es ist Ballett. Martial Arts trifft auf Oper. Ein Tanz aus Blut, Schweiß, Tränen und Feuer. Es ist dieser Mix aus brachialer Energie und kunstvoller Eleganz, der die Action so einzigartig macht.

Ufotable hat hier wieder einmal bewiesen, warum sie in einer eigenen Liga spielen. Die Qualität der Animationen ist schlicht überragend. Jede einzelne Einstellung wirkt, als könnte man sie als Poster an die Wand hängen. Die Detailtreue ist absurd hoch: vom flackernden Licht in den Augen bis hin zu den feinsten Texturen in den Gewändern. Dazu kommen die flüssigen Bewegungen, die mit CGI-Elementen kombiniert werden, ohne jemals künstlich oder steif zu wirken.

Was mich als Neuling besonders fasziniert hat: Trotz der Fülle an Charakteren und Story-Elementen behält der Film den Überblick. Klar, für Serienkenner mag das noch mehr Gewicht haben, aber auch so hatte ich nie das Gefühl, komplett verloren zu sein. Das liegt vor allem an der klugen Inszenierung, die die wichtigsten Momente hervorhebt und mit einem fast schon filmischen Pathos ausstattet, das man sonst eher in epischen Hollywood-Blockbustern findet. Besonders stark fand ich den Wechsel zwischen Intimität und Spektakel. Mal sitzt man ganz nah an den Figuren, spürt ihren Schmerz, ihre Zweifel, ihre Trauer. Und im nächsten Moment wird die Leinwand zu einer Bühne für ein Action-Feuerwerk, das einem die Schuhe auszieht. Besonders erwähnenswert ist auch noch die Musik. Man könnte meinen, ein Soundtrack sei „nur“ Begleitung. Aber hier ist er viel mehr: Er ist integraler Bestandteil der Inszenierung. Er ist Puls, Herzschlag, Adrenalin.

Fazit

Demon Slayer: Infinity Castle ist weit mehr als ein weiterer Eintrag in einer erfolgreichen Anime-Saga. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das die Grenzen zwischen Serie und Kino, zwischen Animation und „ernsthaftem“ Film endgültig auflöst. Vor allem aber beweist der Film, dass Anime längst nicht mehr als Nischenphänomen betrachtet werden darf. Mit seinen Einspielergebnissen schreibt er Kinogeschichte, mit seiner Bildsprache setzt er Maßstäbe, mit seiner Emotionalität berührt er weltweit Menschen. Ob visuell, musikalisch oder emotional – dieser Film ist ein Volltreffer. Ich war beeindruckt, bewegt und schlichtweg weggeblasen. Ich kam ins Kino als jemand, der Demon Slayer nur vom Hörensagen kannte. Ich ging hinaus als Fan. Und ich weiß: Ich bin nicht der Einzige.

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