Wenn Präzision zur Pose wird
Neun Jahre. In Hollywood-Zeitrechnung ist das eine halbe Ewigkeit – lang genug, um ganze Superhelden-Franchises neu zu starten, drei „Mission: Impossible“-Filme zu drehen oder Ben Affleck einmal komplett durch die Phasen des Lebens, der Liebe und des Alkoholkonsums zu begleiten. Und doch: „The Accountant 2“ ist da - das klingt zunächst nach einer jener Fortsetzungen, die niemand wirklich gefordert, aber alle irgendwie erwartet haben. Schließlich war der erste Teil von 2016 eine kleine Kuriosität im Hollywood-Kanon: ein Actionthriller über einen autistischen Buchhalter, der in seiner Freizeit Menschen erschießt und Steuerbetrug aufdeckt. Eine Mischung aus „Rain Man“ und „John Wick“, deren Ergebnis kurios, eigenwillig und irgendwie faszinierend war. Nun also Teil zwei. Und man merkt schnell: Die Formel funktioniert noch, aber nur auf halber Flamme. Der Film schwankt zwischen brillant kalkulierter Coolness und seltsam mathematischer Emotionslosigkeit. Was bleibt, ist ein Werk, das irgendwo zwischen solide und sympathisch unfertig hängt – wie ein Buchhalter, der seine Excel-Tabelle nie ganz abschließt, weil ihm die letzte Zeile zu langweilig ist.
Regisseur Gavin O’Connor und Drehbuchautor Bill Dubuque bleiben ihrer Linie treu: Christian Wolff (Ben Affleck), der autistische Buchhalter mit tödlicher Präzision, kehrt zurück und lebt immer noch in jener merkwürdig klinischen Welt zwischen Zahlen, Waffen und neurotischer Ordnung. Diesmal wird er, wie sollte es anders sein, erneut in eine undurchsichtige Verschwörung verwickelt. Ein Auftrag läuft schief, jemand verschwindet, Zahlen werden manipuliert, und ehe man sich versieht, steckt Wolff wieder mittendrin in einer Spirale aus Gewalt, Geld und moralischen Grauzonen.
Man merkt, wie sehr der Film versucht, an die melancholische Coolness des Originals anzuknüpfen – nur dass die damalige Mischung aus Rätsel, Action und Charakterstudie diesmal nicht mehr aufgeht. Es fehlt an Reibung, an Risiko, an jener paradoxen Mischung aus Distanz und Intensität, die den ersten Teil so reizvoll machte. Das Drehbuch will mehr Tiefe, mehr Innerlichkeit, mehr Drama. Und das gelingt ihm – stellenweise. Doch zwischen all den emotionalen Nachsteuerungen und Plotverästelungen verliert der Film den Blick fürs Ganze. „The Accountant 2“ will Familiendrama, Actionthriller und psychologische Studie zugleich sein – und stolpert dabei manchmal über die eigenen Ambitionen.
Was „The Accountant 2“ jedoch interessant hält, ist die Beziehung zwischen Christian und seinem Bruder Braxton (Jon Bernthal). Ihre Chemie ist das Herz des Films, wenn auch ein unregelmäßig schlagendes. Die beiden liefern sich Dialoge, die irgendwo zwischen lakonisch, brüderlich und angenehm absurd pendeln. Erstaunlicherweise ist es Jon Bernthal, der Affleck aus seiner emotionalen Reserve lockt. Ihre gemeinsamen Szenen – insbesondere eine wunderbar skurrile Bar-Sequenz, in der Bernthal versucht, den steifen Bruder zum Tanzen zu bringen – gehören zu den wenigen Momenten, in denen der Film wirklich atmet.
Die Erzählung plätschert vor sich hin, immer in der Hoffnung, dass die melancholische Gravitas der Hauptfigur das fehlende Tempo kaschiert. Doch die dramaturgische Kurve bleibt flach wie eine fehlerfreie Bilanz. Erst im letzten Drittel zündet der Film – buchstäblich, denn der Showdown knallt ordentlich rein. Hier zeigt O’Connor, dass er es noch kann: präzise, knackig, visuell durchdacht, ohne übermäßigen CGI-Klamauk. Das Finale ist ein makelloses Stück Inszenierung: scharf geschnitten, klar choreografiert, mit einem physisch greifbaren Sounddesign. Hier sitzt jeder Schuss, jede Bewegung hat Gewicht, jede Explosion Timing. Für zehn Minuten ist „The Accountant 2“ plötzlich das, was man sich den ganzen Film über gewünscht hätte – ein nervös vibrierender Actionthriller mit Stil, Punch und Wucht. Und dann ist’s auch schon wieder vorbei. Die Kamera von Seamus McGarvey liefert gewohnt starke Arbeit. Klare Linien, kontrastreiche Kompositionen, ein Auge für architektonische Symmetrie.
Ben Affleck als Christian Wolff, bleibt das stoische Zentrum des Films – eine Mischung aus Rechenmaschine, Einzelgänger und emotionaler Black Box. Jemand der in der Logik der Zahlen Schutz findet und in der Gewalt Präzision. Affleck konstruiert Wolff mit jener kontrollierten Leere, die irgendwo zwischen Understatement und emotionaler Anämie pendelt. Doch hier funktioniert diese Figur nur teilweise. Was im ersten Teil noch als mysteriöse, stoische Coolness durchging, wirkt hier manchmal schlicht leblos. Die Idee, Wolff emotional aufbrechen zu lassen, ist zwar charmant, aber nicht immer glaubwürdig umgesetzt. Jon Bernthal hingegen bringt Leben in die Zahlenwüste. Er spielt Braxton mit jener Mischung aus ungezähmter Energie und verletzlicher Männlichkeit, die ihn seit „The Punisher“ auszeichnet.
Fazit
Gavin O’Connor liefert mit „The Accountant 2“ handwerklich sauberes, aber emotional kühles Kino, das in seinen besten Momenten an die Stärke des Originals erinnert, jedoch nie ganz daran anknüpft. Er ist ein Film, der zu sehr versucht, alles gleichzeitig zu sein – Charakterdrama, Actionthriller, Familiensaga und Gesellschaftskommentar – und dabei seine eigene Identität aus den Augen verliert. Der Showdown knallt, die Bar tanzt, die Kamera glänzt – aber das Feuer, das den ersten Teil ausmachte, bleibt ein Funken, der nie richtig zündet. Am Ende bleibt ein solider, wenn auch unspektakulärer Thriller – professionell gemacht, gelegentlich berührend, aber nie wirklich aufregend. Ein solider, manchmal charmanter, aber letztlich zu kalkulierter Nachtrag.