Review

Der Trend der immer schneller geschnittenen Filme mit atemberaubend schnellen Kamerafahrten und Bullet-Time-Einstellungen ist nicht unbedingt im Sinne des Independent-Filmes und der Fans derer.

So war es für mich auch eine richtige Offenbarung, als ich "Dorn im Auge" gesehen habe. Noch nie zuvor ist mir ein Film zu Gesicht gekommen, der mit schöneren und phänomenaleren Bildern gespielt hat und dazu noch mit so wunderschön melancholischen Klaviertönen unterlegt war. Schon nach nur wenigen Sekunden sieht man einen Mann in einem Boot sitzen, wie er bei Dämmerung langsam über einen See gleitet. Die Schönheit der Bilder kann nicht in Worte gefasst werden, jeder muss sie sehen, um es zu verstehen.

Bei diesem Mann handelt es sich auf jeden Fall um Eddie, einem Ex-Kleinverbrecher. Der lebt mit Maria, einem Ex-Junkie, gemeinsam zurückgezogen auf dem Land. Denen beiden ist es zu verdanken, dass der Film die ersten 20 Minuten durchaus als Kammerspiel bezeichnet werden kann, da der Film in dieser Zeit ausschließlich von ihnen getragen wird. Eines Tages fährt Eddie dann aber in die Stadt, wo er einen mysteriösen Mann trifft, der sich bald als ehemaliger Komplize Eddies herausstellt. Er nimmt den Mann mit nach Hause, wo er eine Weile mit Eddie und Maria lebt. Bald jedoch kommt es zu ersten Problemen, doch Eddie kann den Mann nicht einfach herausschmeißen, da dieser ihm einst einen großen Gefallen getan hat und für ihn hinter Gitter ging.

Ja, die Story reißt nicht unbedingt vom Hocker, aber man muss einfach das Glück und Mut haben, "Dorn im Auge" anzusehen. Und natürlich Fan von ruhigen, melancholischen und authentischen Filmen sein. Dieser hier hat einen sehr komischen, bedrückenden Unterton, der vor allem aufgrund des später erscheinenden Nachbarsjungen entsteht, der ein wenig an "Die Blechtrommel" erinnert. Zudem gibt es gegen Ende eine Großaufnahme eines Penis, was ja auch nicht unbedingt selbstverständlich ist. Ich bin keinesfalls konservativ oder geschockt deswegen, doch man erwartet vieles in diesem Film, aber nicht so eine Szene, zumal vor dem Penis auch noch Maria kniet, die den Mann anscheinend gleich oral befriedigen wird. So was sieht der Zuschauer ja nicht jeden Tag im Fernsehen.

Gesprochen wird sehr, sehr wenig, denn sowohl Eddie als auch Maria sind wortkarg bis zum Gehtnichtmehr. "Dorn im Auge" ist somit ein sehr anstrengender Film, bei dem man wirklich Geduld aufbringen sollte, um ihn in vollen Zügen genießen zu können. Man wird ja auch schließlich mit wunderbaren Naturbildern und Kameraeinstellungen belohnt. Und Freunde trauriger Musik kommen auch auf ihre Kosten.

Es ist einfach großartig, im Zeitalter der "American Pie"-Filme, deren Verschnitte und 08/15-Klischeereißern wie "The Fast and the Furious" oder Ähnlichem zu wissen, dass es noch Regisseure und Leute gibt, die wirklich Ahnung haben, was einen guten Film ausmacht. Da muss es nicht hektisch oder rasant zugehen. Es muss auch nicht sonderlich viel gesprochen werden. Schauspieler sind eben gefragt. Und die machen ihr Handwerk in "Dorn im Auge" wirklich hervorragend, vor allem Kim Bodnia, manchen vielleicht aus "In China essen sie Hunde" bekannt, brilliert.

Sicher kein Tipp für Leute, die ausschließlich auf Actionfilme abfahren. Vielmehr sind natürlich die Independentfilm-Fans angesprochen, die hiermit wirklich große Freude haben könnten, auch wenn der Film natürlich auch teilweise deprimiert. Mir hat’s gefallen. 9/10 Punkte

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