Anti Roboter… Oder anti Netflix?
Ich glaube „The Electric State“ kann nur gewinnen, wenn man all das Marketing, das gigantische Budget, die Starallüren und vor allem die viel düsterere Vorlage komplett ausblendet. Dann ist dieser fast familienfreundliche Sci-Fi-Roadtrip durch eine Roboter-Postapokalypse oberflächlich brauchbar, unterhaltsam, attraktiv. Und deswegen glaube ich auch, dass sich „The Electric State“ über die nächsten Jahre zu mehr mausern könnte als man ihm momentan zutraut. Wenn er sich denn von all dem Ballast lösen kann. Bzw. wir Zuschauer Filme auch mal wieder losgelöst vom Drumherum genießen und einordnen können. Oder gehört das heutzutage einfach dazu und ist eine festgefahrene Masse der toxischen Wechselwirkungen?!… Jedenfalls erzählt „The Electric State“ gefühlt nostalgisch, visuell allerdings auf dem allerneuesten und teuersten Stand, von einer Welt, in der die Roboter eigene Gedanken entwickelt haben, Rechte wollten, den Untergang der gesellschaftlichen Ordnung herbeigeführt haben, ausgestoßen wurden - und von denen sich nun einer mit einem jungen Mädchen auf einen Roadtrip durch die zerrütteten Staaten begibt…
Netflixs „A.I.“… und das Ergebnis spricht Bände!
An wem sich die Russos hier ein Beispiel genommen haben, ist jedem Filmfan fix klar. Spielberg, Zemeckis und Cameron rufen zu laut durch all den technischen CGI-Neuzeit-Bombast. Und dieser Retroaspekt ist ja eigentlich nichts Schlechtes. Wenn man es denn gut und dann doch eigen genug macht. Das schafft „The Electric State“ aber leider nur bedingt. Erst recht wie gesagt, wenn man gemessen am Ausgangsmaterial nicht weniger als einen Sci-Fi-Meilenstein erwartet hat… Aber eins nach dem Anderen. Zuerst das Gute. Ich mag Millie Bobby Brown noch immer. Ich finde die Roboter und Effekte sehen überragend und fotorealistisch aus. Da sieht man das Geld also durchaus. Ebenso hört man es an einer Menge Pophits (die jedoch fast schon ablenken und Überhand nehmen). Es gibt viele kurze Nebenauftritte bekannter, beliebter Charakterdarsteller (Harrelson, Quan, Tudyk, Tucci, Cox, Esposito, Mackie, Kohli, Domingo u.v.m.). Und selbst die Nervigkeit eines Chris Pratt war für mich hier jetzt nicht unüberwindbar. Nicht toll, aber auch nicht schmerzhaft. Mehr kann ich bei ihm momentan kaum erwarten. Zudem sind die Dunkelheit, Menschlichkeit und technisch-moralischen Gedanken der Vorlage durchaus noch intakt. Halbwegs. Abgemildert. Nie allzu bissig oder clever oder bitter. Aber da sind sie schon noch. Und ich mag einige Designs der Roboter und Welt, wie eine Mixtur aus „Fallout“ und „Cuphead“. Daher kann ich mit diesen zwei Stunden „Electric State“ als slickes Netflix-Blockbuster-Paket solide leben. Der Look insgesamt sieht auch nicht zu sehr nach Netflix aus und wenn man bedenkt, was da sonst schon in dieser Gewichtsklasse rausgespuckt wurde („Red Notice“, „Gray Man“, „Murder Mystery“), dann liegt mir diese glatte Roboter-Retro-Ruckzucknummer schon deutlich mehr. Und trotzdem will ich natürlich nicht verschweigen, dass es auch massive Krähenfüße an der Sache gibt und im Grunde viel, viel, viel mehr drin war.
Robot Player None
Let's go! Einige Figuren erscheinen wie Hüllen. Einige Sprünge in Handlung und Ort sind haarsträubend. Und wem M.B.B. und Crisp Rat eh schon auf die Nerven gehen, wird hier seine persönliche Hölle durchlaufen. Dazu schüttelt jeder wütend bis ungläubig den Kopf, der die viel reifere und tiefere Vorlage schätzt, aufgrund des hier deutlich kindlicheren Tons und noch mehr durch das gehetzte, sprunghafte Tempo. Alles wirkt viel leerer und seelenloser als es sollte. Eyecandy und nicht viel mehr. Die Roboter brillieren eher durch Quantität als Qualität. Da ziehe ich Nummer 5 dem gesamten Roboterensemble hier noch immer ganz locker vor. Und über den Eindruck leerer Kalorien kommt man einfach nicht herum. Es ist so schade, es ist so vage. Für Kinder, unerfahrene Zuschauer, Gelegenheitsgucker kann das reichen. Anspruch und Ziel sollten das aber nicht sein. Nicht für die Rossos. Nicht für Netflix. Nicht für die beiden Stars. Nicht für die Möglichkeiten und Macher der Vorlage. Und man merkt auch ehrlich gesagt heftig, dass die Russos zusammen keinen halben Spielberg abgeben…
Blechbüchsen ohne Herz
Fazit: stylisch, teuer und… nichtsnutzig?! Als oberflächliche Sci-Fi-Retro-Unterhaltung im Streamingbereich wirklich noch okay. An seinem Budget, allen Beteiligten und vor allem der Vorlage gemessen nahezu ein regelrechtes Dollar-, Material-, Talent- und IQ-Massaker. Das reicht nicht, liebe Russos!