Bruce Lee ist längst nicht mehr nur eine Film- und Kampfsportikone, sondern ein Mythos. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs und vor der Vollendung seines Game of Death verstarb er bekanntermaßen. Das unvollendete Werk blieb für viele Fans ein faszinierendes Mysterium.
Nun wurde das gesamte Rohmaterial, das für die Dreharbeiten zu Game of Death angefallen ist, neu abgetastet und als "Special Feature" im Rahmen der Bruce Lee 4K-UHD-Box von Arrow Films veröffentlicht.
Diese Dokumentation dauert drei Stunden und 40 Minuten. Das Rohmaterial wird chronologisch und Take für Take gezeigt. Unterlegt sind die Szenen mit düsterer Ambient- und Industrial-Musik. Der dunkle, tendenziell verstörende Charakter dieser Musik passt für mich nicht zu den Bildern und wirkt irritierend.
Ein Off-Sprecher kommentiert die Szenen und liefert Hintergrundinformationen zu den Produktionsumständen. Vieles davon ist interessant, manchmal wird der Bildinhalt jedoch einfach vom Kommentator beschrieben, eine wenig ergiebige Doppelung. Teilweise sind die Ausführungen des Kommentators längst vorbei, dennoch wird der Vollständigkeit halber jeder Take gezeigt. Der Erkenntnisgewinn durch die ständige Wiederholung jedes einzelnen Takes hält sich in Grenzen. Für mich war das repetitiv und daher langweilig. Als Fanservice und aus Gründen der Vollständigkeit aber nachvollziehbar.
Das Highlight und Herzstück dieser Doku ist eindeutig der Rekonstruktionsversuch von Game of Death, der der Vision von Bruce Lee vermutlich am nächsten kommen dürfte. Wie schon in Bruce Lee – Der Weg eines Kämpfers (2000) sieht man am Ende einen Zusammenschnitt des Rohmaterials und bekommt eine gute Vorstellung davon, wie der Film hätte aussehen können.
Diese Version ist die vollständigste, da bisher nie gesehenes Bildmaterial verwendet wurde. Bei der Nachvertonung hat man sich Mühe gegeben und Soundeffekte aus den Golden Harvest-Archiven verwendet.
Die Synchronstimme hingegen ist auf räudigstem Porno-Niveau und zerstört die Atmosphäre komplett. Auch der Schnitt ist oft schlecht getimt, die Kämpfe wirken hölzern und steif. Obwohl Lee viele gute Ideen hatte, ist der Film in der vorliegenden Form äußerst ernüchternd und alles andere als beeindruckend.
Ob Game of Death ein Meisterwerk geworden wäre, bleibt Spekulation. In dieser Doku sehe ich jedenfalls wenig, was darauf hindeutet. Dennoch hat Lee mit Game of Death ikonische Bilder geschaffen, die die Popkultur nachhaltig beeinflusst haben. Er war zweifellos ein Genie des Kampfsports und ein charismatischer Visionär. Der Ruf und die Legendenbildung um ihn und sein Game of Death haben über die Jahre allerdings dermaßen überlebensgroße Ausmaße angenommen, dass der Bruce Lee, den ich in diesem Zusammenschnitt sehe, Schwierigkeiten hat, dem Erwartungsdruck standzuhalten.