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Zwischen Blut, Schweiß und Selbstfindung

Manchmal schlägt das Leben härter zu als jeder Gegner im Oktagon. Dwayne „The Rock“ Johnson, sonst eher bekannt als charismatischer Abrissunternehmer im Franchise-Kino, versucht sich hier an etwas Unerwartetem: einer echten Geschichte. Und zwar keiner seichten Heldensaga, sondern der rauen, ungeschönten Lebensrealität von Mark Kerr – MMA-Pionier, Ausnahmeathlet, gebrochener Mensch. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten und begleitet Kerrs Aufstieg und inneren Zerfall zwischen 1997 und 2000, jener Ära, in der Mixed Martial Arts noch irgendwo zwischen Untergrundspektakel und Weltsport schwankte. Eine Zeit, in der man bei „Octagon“ nicht an Streamingrechte dachte, sondern an Schweiß, Schmerz und Tapout-Shirts. Klingt nach einem emotionalen Knockout, nach einem cineastischen Uppercut ins Herz, nach einem testosterongeladenen Drama mit philosophischem Tiefgang. Und ja, all das will der Film auch sein. Nur trifft er dabei nicht immer präzise – manchmal schwingt er vorbei. The Smashing Machine ist roh, ehrlich, manchmal zäh, oft beeindruckend.

Der Film erzählt die Geschichte von Mark Kerr, einem der dominantesten und zugleich tragischsten Kämpfer der frühen MMA-Ära. Zwischen 1997 und 2000 war Kerr ein Name, der in den Hallen des Pride Grand Prix in Japan Ehrfurcht hervorrief. Der Film zeigt seinen rasanten Aufstieg, den Ruhm, die inneren Konflikte und den unausweichlichen Absturz. Soweit, so klassisch. Das Problem ist: Diese Geschichte ist so roh, so echt, dass sie sich fast schon gegen das typische Hollywood-Drehbuch sträubt. Es gibt keine perfekt gesetzten Höhepunkte, keinen klaren Wendepunkt, keine orchestrierte Triumphgeste. Es ist keine klassische Heldenreise – eher eine dokumentarisch angehauchte Charakterstudie, die zwischen Triumph und Tragödie pendelt. Das Drehbuch wagt sich an große Themen: Ehrgeiz, Selbstzerstörung, Ruhm und das fragile Ego eines Mannes, der nur im Schmerz seine Wahrheit findet. Das ist an sich lobenswert – Authentizität ist schließlich das Mantra des Films –, doch es macht den Plot auch etwas behäbig. Man spürt die Mühe, den Realismus mit dramaturgischem Drive zu verbinden, doch das klappt nur bedingt. Es fehlt der narrative Uppercut, das emotionale Crescendo, das den Zuschauer aus dem Kinositz knockt. Doch gerade diese Zurückhaltung hat Stil. Der Film will keine Heldenmythologie aufbauen, sondern Realität zeigen – und die ist nun mal kein Hollywood-Spektakel, denn das echte Leben hat selten perfekte Dramaturgie. Für MMA-Fans ist das kein Nachteil: Sie bekommen tiefe Einblicke in die Szene, in die Abgründe des Kämpferdaseins, in die Rituale hinter den Kulissen. Aber für den Normalzuschauer, der auf ein Spektakel à la „Creed“ hofft – ist das hier eher ein zäher Clinch als ein fliegender Kick.

Im Oktagon der Authentizität

Wenn The Smashing Machine eines wirklich meisterhaft kann, dann ist es Atmosphäre. Der Film atmet die späten Neunziger mit jeder Faser: von den Trainingshallen voller Schweißgeruch über die Hotelzimmer mit vergilbten Tapeten bis zu den grellen Pride-Events in Tokio, die wie ein neonfarbener Fiebertraum-Mix aus Martial Arts und Popkultur wirken. Das Setting wurde mit beeindruckender Liebe zum Detail umgesetzt. Die Farbpalette: ein leicht vergilbter, schwitziger Look, irgendwo zwischen VHS-Nostalgie und Neonlicht-Katerstimmung. Die Kostüme: Baggy Pants, Tribal-Tattoos, Trainingsjacken, die man heute nur noch auf Flohmärkten findet. Die Ausstattung: Dreckig, echt, ungeschönt – wie MMA damals eben war, bevor es Hochglanz und Pay-per-View gab. Die Kostüme, das Produktionsdesign, selbst die Körnung des Bildes – alles schreit „authentisch“. Das ist großes Kino für alle, die die späten 90er noch erlebt haben.

Regisseur Benny Safdie, der hier stilistisch merklich die Hand im Spiel hat, setzt auf eine Bildsprache, die ebenso roh ist wie die Welt, die sie zeigt. Er inszeniert die Kämpfe mit einer fast dokumentarischen Nüchternheit. Keine Zeitlupen, keine übertriebenen Musik-Einsätze, keine choreografierte Heldenästhetik. Stattdessen wackelt die Kamera, kratzt an verschwitzten Gesichtern, lässt Blut und Atem hörbar werden. Die Fights sind dadurch extrem intensiv, aber eben auch kurz. Wer auf epische Showdowns hofft, auf Kampfmontagen mit Pathos und Punchlines, der wird enttäuscht. Hier wird nicht inszeniert – hier wird abgebildet. Und das ist zugleich Stärke und Schwäche des Films: Es wirkt glaubwürdig, aber nicht unbedingt fesselnd. Stattdessen gibt’s Realismus pur – was für MMA-Fans ein Fest, für Gelegenheitszuschauer aber eher ein zäher Grappling-Knoten sein dürfte. Gerade die fehlenden dramaturgischen Spitzen machen sich hier bemerkbar. Statt eines klassischen Finales, das die Emotionen bündelt, bekommt man eine Reihe realistischer, aber etwas gleichförmiger Kämpfe. Das ist konsequent, aber auch ein bisschen unbefriedigend. Kein Glamour, kein Pathos, kein Hollywood-Finish. Nur Blut, Schweiß und der kalte Nachgeschmack von Realität

Der Score, komponiert von Trent Reznor und Atticus Ross, hält sich angenehm zurück. Keine Hymnen, keine heroischen Trompeten, sondern elektronische Texturen, die mehr an The Social Network erinnern als an Rocky Balboa. Und genau das macht es so interessant – The Smashing Machine ist kein Motivationsfilm, sondern eine Charakterstudie mit Puls. Die Überraschung des Films ist wohl Dwayne Johnson. Der Mann, der sonst Wolkenkratzer erklimmt und Autos mit bloßen Händen bremst, zeigt hier eine Seite, die man lange vermisst hat: Verletzlichkeit. Keine markigen Sprüche, kein Ironie-Panzer, keine Superheldenpose. Stattdessen zeigt er sich zerbrechlich, getrieben, suchend. Johnson gelingt es, Mark Kerr als tragische Figur darzustellen – einen Mann, der im Ring stark, im Leben aber schwach ist. Hier und da blitzt noch der alte „Rock“-Charme durch, aber gerade das verleiht der Rolle Wärme und Menschlichkeit. Emily Blunt, als Kerrs Freundin und emotionales Gegengewicht, ist wie immer fantastisch. Ihr Zusammenspiel mit Johnson funktioniert wunderbar, weil sie ihn nicht als Muskelberg, sondern als Menschen behandelt. Ein nettes Schmankerl für Fans: Echte MMA-Legenden wie Ryan Bader und Bas Rutten treten in Nebenrollen auf, was die Authentizität noch weiter verstärkt.

Fazit

The Smashing Machine ist kein Film für die Masse. Wer spektakuläre Kämpfe, Trainingsmontagen und Gänsehaut-Hymnen erwartet, wird hier eher enttäuscht den Schweiß von der Stirn wischen. Wer jedoch einen ehrlichen, rauen, fast schon dokumentarischen Blick auf die MMA-Szene der späten Neunziger sucht, der bekommt hier ein kraftvolles, manchmal schwer verdauliches, aber stets echtes Stück Kino. Es ist ein Film für jene, die sich für die Mechanik hinter dem Ruhm interessieren – für das, was passiert, wenn der Applaus verhallt und der Käfig leer ist. Für MMA-Fans ist er ein kleines Fest: realistisch, respektvoll, ohne Hollywood-Filter. Für alle anderen: ein ernsthaftes Drama, das vielleicht etwas zu sehr seinem Realismus verpflichtet ist, um emotional voll durchzuziehen. Trotzdem bleibt er sehenswert, gerade weil er sich traut, nicht alles glattzubügeln. Unterm Strich ist „The Smashing Machine“ ein ehrlicher, rauer, manchmal zäher, aber immer respektabler Versuch, die Wahrheit hinter dem Mythos zu zeigen. Kein Knockout – aber definitiv ein sauberer Treffer auf die Zwölf.

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