Blasen sind nur der Anfang…
Direkt vorweg: das Buch kenne ich nicht. Daher kann ich mich nicht über Änderungen, Auslassungen, Details oder geswappte Hautfarben, wie manch ein „Fan“, echauffieren. Ist vielleicht auch besser so. Dann steht der erbarmungslose „Walkingthriller“ umso krasser für sich - und schließt im Sauseschritt zur Top 10 meiner favorisierten Stephen King-Filme auf. Boom! Und ja, auch wenn es über die Jahrzehnte viele grottige Verfilmungen seiner Werke gab, heißt das mittlerweile etwas. Zehn bis fünfzehn richtig, richtig gute sollte jeder zusammenkriegen. Und daher muss das als gewaltiges Qualitätsmerkmal gesehen werden. Womit „The Long Walk“ auch zu den packenderen Genrefilmen des Jahres gehört. Und auch als solides Beispiel, dass „Mid Budget“ noch verdammt gut funktionieren kann und ein Konzept für die nahe Zukunft sein könnte. Zumindest qualitativ, wenn schon nicht immer ganz an den weltweiten Kinokassen… „The Long Walk“ lässt eine fünfzigköpfige Gruppe männlicher Teenager gehen. Freiwillige. Scheinbar. Sie dürfen nicht stehen bleiben. Nicht unter 3 mph fallen. Es gibt keine Ziellinie. Quer durch die zerrüttete USA mit teils gespenstigen, sehenswerten Landstrichen. Toten Augen als Zuschauer. Der letzte Geher gewinnt. Der Rest ist geliefert. In einer Welt ohne Hoffnung, Vorbilder, Zukunft oder Sinn… Eine starke Metapher für… vieles?!
Long Gone Silver (Lining)
Die größte Stärke von „The Long Walk“ sind seine Jungs. Sowohl die Charaktere als auch die Darsteller. Ihre Anfeindungen, ihr Zusammenhalt, ihr Tempo, ihre Sprüche, ihre Tode. David Jonsson ist erneut ein Highlight. Hamill ist glaubhaft kalt und böse und abgefuckt. Aber auch der Rest der Wanderschaft überzeugt und bekommt viel mehr Tiefe als man befürchtet. Und wenn ein klasse Konzeptthriller wie dieser (oder „Das Experiment“ oder „Cube“ oder „Das Millionenspiel“ oder „The Platform“ usw.) dann auch noch solche Jungs bietet, dann er hat mich. Dann bin ich investiert. Dann bin ich angespannt. Dann verfliegt die Laufzeit. Dann spüre ich jeden Kopfschuss, jeden Verlust, ja fast jeden Schritt. „The Long Walk“ ist pessimistisch, schockierend und höchst akut für unsere aktuelle Zeit. Auch den Zeitgeist. Und das macht nicht besonders Mut oder Hoffnung. Aber es unterstreicht eben noch den filmischen Nachhall und die enorm Kraft von „The Long Walk“. Da verzeihe ich die überbreite Landefläche als sehr offene Metapher (am ehesten natürlich für Krieg), die nur angeschnittenen Hintergründe und das nicht wirklich wichtige Worldbuilding. Und zwar big time. „The Long Walk“ ist ein intensives Kammerspiel in blutigen Converse. Und er hat auch nach Jahrzehnten und hunderten Kilometern auf der Uhr noch immer Wut im Bauch.
Im Gleichschritt gen Tod
Fazit: intensiv, brüderlich, schwitzig und einfach stark. In einer fairen Welt wäre das erfolgreicher als drei „Hunger Games“ zusammen. Aber eins ist einem nach „The Long Walk“ klar wie Kloßbrühe - diese Welt ist alles andere als fair oder logisch…