Review

Die Abgründe Anatoliens

Väter, Söhne. Erbe, Schmerz. Tradition, Gewalt. Masken, Facetten. Traumata, Schuld. Verdrängung, Familie. Mütter, Schwestern… „The Things You Kill“ ist sicher einer der komplexeren, wuchtigeren und mysteriöseren Thriller der letzten Zeit. Nicht nur aus der Türkei. Dabei liegen Themen und Schlagwörter wie oben immer klar und deutlich auf dem Tisch. Und doch wendet Alireza Khatamis abgründiges, perfides und doch irgendwie nachvollziehbareres Familiendrama ein paar Kniffe und Tricks an, die dem Ganzen einige Ebenen, Facetten und Auraringe mehr spendieren als man auf Anhieb ganz fassen kann… Erzählt wird grob gesagt von einem türkischen Sohn und Uniprof, der nach dem Tod seiner kranken Mutter wesentlich düsterere Familienkonflikte aufschwelen lässt… 

Die Sünden des Vaters

Sehr viel Familiendrama, sehr wenig Genre. Da kann man mal wieder streiten, ob der wirklich z.B. auf das Fantasy Filmfest gehörte. Auf den ersten Blick wäre ich wohl eher bei „Guter Film - aber nein!“ gewesen. Doch umso mehr ich „The Things You Kill“ in meinem Kopf ziehen und wirken und garen lasse, desto mehr Schichten bekommt er und desto mehr Schauer jagen mir über den Rücken. Das bittere Drama geht weit über seine erhabenen Landschaften, ein paar piekfeine Kameratricks und engagierte Darsteller hinaus. Alles ist hier durchzogen von einer tief verwurzelten Unsicherheit, Identitätskrisen und väterlichen Problemen. Und Jungs, ganz ehrlich, haben wir die nicht alle? Okay, nicht so extrem und eskalierend (hoffentlich) wie hier dargestellt. Aber ich glaube fast jeder Mann kennt diese Konflikte und dieses Kopfschütteln über seinen Vater, die eigene Familie, die eigenen dunklen Seiten (!) zumindest in Ansätzen sehr gut. Und ich glaube das ist der fiese Kern - der im Übrigen logisch weit über die Türkei hinaus geht! - der „The Things You Kill“ besonders persönlich, besonders gemein, besonders intelligent macht. Und bestimmt bleibend. Denn gerade solche langsam wuchernden und im Körper des Zuschauers wandernden Werke überdauern und wachsen wortwörtlich über sich hinaus… Ob man direkt mit Lynch vergleichen muss, ist eine andere Sache. Empfehlenswert für konzentrierte Zuschauer und Grenzgänger ist „The Things You Kill“ aber absolut. Und besonders für Söhne und Väter… 

Fazit: fordernder und sehr theoretischer, trockener, tragischer und trauriger Türkeithriller… Schwere, Metaphern, Gewalt, Schuld. Wie der Vater so der Hohn… Dickes Ding, muss man erstmal sacken lassen. Sehr wenig Genre, sehr viel finsterstes Familiendrama. Nur um sich dann in etwas Fieseres und Intimeres zu verformen… 

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