Review

Staffel 1

Im Jahr 1997 versprach uns das Finale des vierten ALIEN-Films (ALIEN: RESURRECTION) die Landung des Monsters auf der Erde. Statt epischer Science Fiction bekamen wir jedoch 2004 und 2007 zunächst zwei im wahrsten Sinne des Wortes unterirdische Predatorstreifen. Um so sehnsüchtiger wurde Ridley Scotts offizielle Fortführung des Franchise erwartet. Diese stieß jedoch ebenso zahlreiche Fans vor den Kopf – zum Teil aufgrund der epischen Esoterik, zum Teil wegen der bisweilen hanebüchenen Drehbücher. Erst Fede Alvarez‘ solide Best of-Compilation ALIEN: ROMULUS lieferte den Fans 2024 dann den gewünschten Service. Die Reihe war wieder auf Erfolgskurs und 2025 lief die erste ALIEN-TV-Serie an. 

Showrunner Noah Hawley hatte bereits sehr erfolgreich die Serie FARGO entwickelt, die lose auf dem Werk der Coen Brothers basierte, in ihrem Spirit jedoch völlig eigenständige Geschichten erzählte. Dieses Prinzip wendet Hawley nun auch auf das ALIEN-Universum an. ALIEN: EARTH atmet den Geist des kompletten Franchises, ohne dreist Schlüsselszenen zu kopieren wie Alvarez. Der Look, die Technik, die Ausstattung, der Sound, die Musik und natürlich das Creature Design – das alles ist unverkennbar ALIEN. 

Seinen Schwerpunkt setzt Hawley jedoch zunächst nicht auf eine simple Monsterhatz (auch wenn es einige Action-und Spannungsszenen gibt), sondern auf das andere große Thema der Reihe, künstliche Wesen und Intelligenz, hier differenziert in Menschen mit künstlichen Upgrades („Cyborgs“), komplett synthetische „Synths“ und sogenannte „Hybrids“ – synthetische Wesen mit menschlichem Bewusstsein. Die Firma „Prodigy“, Konkurrenzunternehmen von Weylandt Yutani, deren jugendlicher Gründer einen ausgewachsenen Peter Pan-Komplex hat, verpflanzte gerade erfolgreich das Bewusstsein einiger todkranker Kinder in neue synthetische, mit Superkräften ausgestattete Körper. Als ein Raumschiff von Weylandt Yutani mit mehreren verschiedenen (!) außerirdischen Spezies in ein Prodigy-Gebäude crasht, versuchen alle, sich die potenziellen „Biowaffen“ zu sichern. 

Es hat einen ganz eigenen Charme, wenn eine Handvoll junger Erwachsener mit dem Wesen kleiner Kinder durch das gestrandete Raumschiff streifen, in dem gefährliche Aliens lauern. Und: Sie verhalten sich nicht viel intelligenter als manche Wissenschaftler in Scotts Filmen. Die Folgen in beengten Locations, sei es im Schiff oder später in der Forschungsstation auf der „Neverland“ Insel, gehören aufgrund ihrer klaustrophobischen Stimmung naturgemäß zu den besten der Staffel.

Folge 5, die wohl actionreichste der ersten Staffel, zeigt uns in einem Rückblick, wie es zum Crash kam und welche tödlichen „Überraschungen“ die anderen Spezies noch auf Lager haben. Das ist quasi eine einstündige Variante des original ALIEN Films wie aus einem Paralleluniversum. Manche Entscheidung der Macher darf allerdings ruhig in Frage gestellt werden. Zum Beispiel, das Alien so häufig komplett zu zeigen, wie es böse gestikulierend durch die Gänge schleicht oder sich profan mit Menschen prügelt wie ein Mann im Gummianzug. Auch das „Tentakelauge“ scheint nicht so recht ins ALIEN-Universum zu passen – sondern mehr zu MARS ATTACKS!. Aber auch hier gab es beispielsweise in ALIEN: RESURRECTION schlimmere Entgleisungen. 

Nach einem leichten Leerlauf in der Mitte präsentiert die Serie in Staffel 1 dann noch ein paar Wendungen, die Puristen des Franchise nicht gefallen werden. Aber eine Adaption des Stoffes ohne dessen Weiterentwicklung hatten wir ja erst. Und nonstop Alienhorror hätte auf Seriendauer auch nicht funktioniert. Dass ALIEN: EARTH sich jedoch in den letzten beiden Folgen teilweise in Richtung des JURASSIC PARK Franchises entwickelt, enttäuscht in Anbetracht des sonstigen Einfallsreichtums Hawleys etwas. Die Kreatur büßt im tageshellen Dschungel komplett ihre Mystik und Bedrohlichkeit ein. 

Insgesamt ist die Serie wie zu erwarten hochwertig gemacht, es gibt ausreichend interessante Charaktere/Schauspieler wie Hauptfigur Wendy (charmant-naiv wie tough: Sydney Chandler), Cyborg Morrow (stoisch-charismatisch: Baboo Cesay) und Chef-Synth Kirsh (Rutger Hauer-Gedächtnisperformance: Timothy Olyphant), lediglich "Wunderkind“ Boy Kavalier (Samuel Blenkin) ist deutlich zu plakativ und nervig angelegt/gespielt. 

Für folgende Staffeln wäre zu wünschen, dass die Serie gerne weitere Themen abseits der bekannten ALIEN Mythologie erforscht – so lange sie sich nicht zu sehr bei anderen Blockbusterfranchises bedient und im besten Sinne unberechenbar bleibt. Wie sich das für ein ALIEN gehört.

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