Tomás Milián und Hans Terofal in einem Film, und das ist nicht das einzig Schräge.
Spoiler voraus.
„La vita a volte è molto dura, vero Provvidenza?“ aus dem Jahr 1972. Zu Deutsch: „Providenza! – Mausefalle für zwei schräge Vögel“ aka „Zwei schaffen alle“. Eine Italowestern-Komödie (Produktionsländer Italien, Deutschland, Frankreich) von Giulio Petroni („Tepepa“), die ob ihres zuweilen reichlich schrägen Humors polarisieren dürfte. Ein Spaßwestern aus der Endphase der Italowestern-Ära, der zwar seine Parallelen zu den weit populäreren Spencer/ Hill-Produktionen, in Vielem aber doch seinen sehr eigenwilligen Charakter hat.
Der gerissene Kopfgeldjäger Providenza liefert bei verschiedenen Sheriffs den in mehreren Staaten steckbrieflich gesuchten - eigentlich gutmütigen - Banditen Hurricane Kid ab. Er kassiert das entsprechende Kopfgeld, um Kid hiernach jedes Mal die Flucht zu ermöglichen. Eine Zweckgemeinschaft, sehr zum finanziellen Vorteil von Providenza, was den naiven Kid verständlicherweise allmählich wütend macht… Das ungleiche Duo gerät im Laufe der episodenhaften Handlung u.a. an einen verbrecherischen Sheriff und dessen Bande, einen Falschgeldhändler, das Saloon-Mädchen Stella (Janes Agren) und hochverschuldete religiöse Siedler, die gerade eine Kirche errichten.
Erste Hauptrolle: Tomás Milián als marottenhafter, aber seinen Gegnern stets überlegener Kopfgeldjäger Providenza. Eine Figur, optisch angelehnt an Chaplins „The Tramp“, die oft nah am Bizarren ist und im Zuge der Handlung auch mal kurzzeitig in die Rolle eines überdrehten Yoga-Meisters oder Sherlock Holmes‘ schlüpft. Der überaus wandlungsfähige Milián überschreitet dabei immer wieder ironisch die Grenze zum Overacting, wird zum Comic-Charakter. Die Figur des Providenza ist nach meinem Empfinden oft etwas zu viel des Guten (zeitnah sah ich Maurizio Lucidis "Der Todesengel", der wieder einen gänzlich anderen Milian präsentiert).
Zweite Hauptrolle: Gregg Palmer als Hurricane ‚Kid‘ Smith. Auf den ersten (und auch zweiten) Blick ein Bud Spencer-Plagiat (inklusive Synchronstimme von Wolfgang Hess), dem man zuerst sehr ablehnend zuschaut, weil man sich stattdessen lieber den echten Spencer herbeiwünscht. Es gelingt Palmer jedoch rasch, nicht nur sympathisch zu erscheinen, sondern auch eigene kleine Akzente zu setzen.
Janet Agren (“Mangiati vivi”, “Paura nella città dei morti viventi”, “Red Sonja”) versprüht lächelnd ihren Charme, ist aber relativ rasch wieder aus dem Film verschwunden. Einer der vielbeschäftigsten Nebendarsteller des deutschen Films, Hans Terofal, den ich trotz seines Zauselbartes hier tatsächlich sofort an seinem typischen Rumgezappel erkannt habe, gibt als Falschgeldmacher den komischen alten Kauz (den ja zwingend jeder Western braucht).
Horst Janson hat eine winzige Szene als Sheriff, Dieter Eppler kann, als nicht ganz sauberer Gesetzeshüter, schon eher Akzente setzen, nicht zuletzt weil er auch eine größere Rolle hat. Die deutsche Schauspieler-Riege resultiert fraglos auch aus dem Umstand, dass der Film, wie schon erwähnt, auch eine deutsche Produktion ist. Ebenso mit von der Partie Giovanni Cianfriglia als Ken Wood, er bietet im Wesentlichen einen grimmigen Gesichtsausdruck, aber den überzeugend.
Wie soll man nun diesen Film bewerten?
Ich persönlich hege eine mittelschwere Aversion gegen Charlie Chaplin, der hier ja in vielen Momenten Pate für Miliáns Rolle stand. Und dann kommt auch noch Palmer als Bud Spencer-lookalike… Dennoch hat der Film mit einigen originellen Einfällen schon nach wenigen Minuten mein Interesse erregt, die beiden Hauptprotagonisten taxiert man dann erst einmal abwartend…
„Providenza!“ ist ein Dauerfeuer in Sachen Klamauk, bizarrem und teilweise durchaus hintergründigem Witz, Genre-üblichen Kloppereien, dazu kommen einige Hommagen an den Slapstick der Stummfilmära, kurzum: Es wird manchmal etwas viel. Giulio Petroni hat aber auch ein Gespür dafür, wo der turbulente Film mal eine Ruhepause braucht. Stillere Szenen, die nicht unbedingt deckungsgleich mit den leichten Längen sind, die der Film im Mittelteil aufweist.
Dabei ist er recht episodenhaft inszeniert und auftauchende Personen tun dies nicht zwingend ein zweites Mal. Es dominiert das ungleiche Duo Providenza-Milián/ Kid-Palmer, obwohl immer wieder vorzüglich ausgesuchte Nebenrollendarsteller und Komparsen ins Bild gesetzt werden (man beachte nur die interessanten Typen und Gesichter unter den christlichen Siedlern).
Nicht weniger als fünf Drehbuchautoren haben an „Providenza!“ gearbeitet, vielleicht wirkt der Film deshalb, obwohl er insgesamt ein homogenes Bild abgibt und seinen Charakter wahrt, etwas zerfasert.
Die Produktionswerte sind recht hoch, die Ausstattung kann sich sehen lassen, die Kameraarbeit überrascht dabei immer wieder mit ungewöhnlichen Perspektiven. Und der zuerst sehr aufdringlich erscheinende, dann aber doch einen allmählich in die Knie zwingende Ohrwurm-Titelsong von Morricone hat wieder höchsten Wiedererkennungswert.
Zwei Szenen möchte ich hervorheben, die lange Billard-Szene, die wirklich vor Originalität und Spinnereien sprüht, und die völlig überdrehte Verfolgungsjagd im Finale, die ich so noch in keinem Western auch nur annähernd vergleichbar gesehen habe: Providenzas komfortable Kutsche entpuppt sich als Gefährt mit Gimmicks in Bond-Auto-Manier und die verfolgende Reiterschar wird aufgerieben (der Film ist übrigens konsequent unblutig), wozu die jubilierende Filmmusik, die zwischen Klassischem und Morricones Titelmelodie lückenlos hin- und herspringt, regelrecht auf einen einschlägt .
In diesen Momenten ist der Film um keinen Deut schwächer als ein „Lo chiamavano Trinità“ („Die rechte und die linke Hand des Teufels“). - Doch als Ganzes hält der verrückte „Providenza!“, der mit „Ci risiamo, vero Provvidenza“ noch eine - wie man hört sehr gelungene Fortsetzung - erfahren hat, diesem Vergleich mitnichten stand.
7/10. Die Billard-Szene und die Verfolgungsjagd im Finale: 9/10.