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Dass Regisseur und Drehbuchautor Shane Black ein großer Fan von Hard-Boiled-Literatur ist, wird nicht nur von ihm selbst gern angemerkt, sondern zieht sich auch als roter Faden durch sein Werk. Insofern ist es konsequent, dass er sich auch an „Play Dirty“, einer Adaption der Parker-Romane von Donald Westlake, für Amazon versuchen durfte.
Nach Lee Marvin in „Point Blank“, Mel Gibson in „Payback“ und Jason Statham in „Parker“ verkörpert nun also Mark Wahlberg die Figur. Parker ist ein Typ, dem sein Ruf vorauseilt, das merkt man schon zu Beginn, als ein Komplize erst das Maul aufreißt, aber ganz schnell ganz kleine Brötchen backt, als Parker seinen wahren Namen verrät. Zusammen mit seinem Kumpel Philly Webb (Thomas Jane) organisiert er den Überfall auf ein Wettbüro, es gibt ein Actionintermezzo auf der Pferderennbahn, als ein Hinzukommender seine Chance wittert, die Räuber überfällt, aber mit einer Kugel im Kopf endet. Der Auftakt etabliert Parker als Szenegröße, als jemanden, der unnötiges Blutvergießen vermeidet, aber im Zweifelsfall ohne mit der Wimper zu zucken tötet, und der einen Ehrenkodex besitzt.
Einem anderen Ehrenkodex folgt dagegen die neue Komplizin Zen (Rosa Salazar), die ihre Kollegen nach dem erfolgreichen Coup umnietet und mit der Beute türmt. Für sie gibt es „The greater good“, die Befreiung ihres Heimatlandes aus dem Griff des diktatorischen Präsidenten De La Paz (Alejandro Edda), und dazu braucht sie die 400.000 Dollar aus dem Überfall. Parker überlebt schwer verletzt, doch als er Rosa aufspürt, ist das Geld schon weg, Startkapital für den nächsten Coup: Zen will mehr als eine Milliarde Dollar in Kulturschätzen aus dem Besitz jenes Diktators stehlen, um es zum Wohle der Bevölkerung zu nutzen. Für Parker beginnt der Zwiespalt zwischen Ehrenkodex (der besagt Zen zu töten) und der Chance auf das nächste große Ding, wobei er sich vordergründig für letztere Option entscheidet.

Parker ist kein Robin Hood, sieht jedoch die Chance auf einen Zahltag und rekrutiert alte Freunde wie Grofield (LaKeith Stanfield), um den Coup durchzuführen – auch wenn sich die Beteiligten gegenseitig nicht wirklich vertrauen können...
Ursprünglich sollte „Play Dirty“ von Blacks Freund und Mentor Joel Silver produziert werden, der sich gleich die Rechte an der kompletten „Parker“-Reihe sicherte, sodass „Play Dirty“ auf gleich mehreren Romanen basiert. Da Silver allerdings gegenüber Assistentinnen ausfällig wurde, wurde er von „Play Dirty“ entfernt (das „Road House“-Remake erschien bei Amazon dann noch mit seinem Namen). Gemeinsam hatten Black und Silver bereits „Kiss Kiss Bang Bang“ und „The Nice Guys“ gestemmt, zwei weitere Neo-Noirs – und die gezeichneten Vorspänne von „Play Dirty“ und „Kiss Kiss Bang Bang“ ähneln einander. Doch wo die früheren Produktionen bewusst augenzwinkernd als selbstreflexive Actionkomödien angelegt waren, da meint „Play Dirty“ es ernst. Zumindest bis zu einem gewissen Grad, denn neben den Tough Guys der 1960er und 1970er standen hier auch die Actionhelden der 1980er und 1990er Pate, die Black mit Scripts zu Filmen wie „Lethal Weapon“ und „Last Boy Scout“ gleichsam mitprägte. Dementsprechend gibt es Oneliner und komödiantische Einlagen, aber ohne große Meta-Ebene oder Genrereflexion.

Insofern wandert „Play Dirty“ auf einem Grad. Einerseits ist es ein Hard-Boiled-Gangsterstoff, andrerseits liefert er aber auch den schwarzen, sarkastischen Humor ab, für den man Shane Black kennt. Der ergibt sich einerseits aus den Dialogen (gerade zwischen Parker und seinem Buddy Grofield), aber auch aus Situationen. In typischer Shane-Black-Manier werden Erwartungen genüsslich gebrochen (etwa wenn ein vermeintlich Toter wieder aufsteht, nur um gleich wieder erschossen zu werden), manche Figur fungiert als Comedic Sidekick, wie das Paar aus Brenda (Claire Lovering) und Ed Mackey (Keegan-Michael Key) oder der etwas verpeilte Fluchwagenfahrer Stan (Chai Hansen). Eine etwas andere, sarkastisch-zynische Komik ergibt sich aus dem Umgang mit dem Leben von Gegenspielern, etwa wenn Parker einen im Kofferraum gefangenen Gangster-Chauffeur in einer Straßenschießerei als Ablenkung und unfreiwilligen Partner benutzt.
Denn „Play Dirty“ ist nicht nur ein Gangsterfilm und ein Heist Movie, sondern auch ein Actionthriller, in dem es regelmäßig zu Konfrontationen kommt. Parker, seine Verbündeten und seine Gegner (wobei diese Rollen schnell wechseln können), gehen dabei mit Präzision und ohne viel Federlesen vor. In den Shoot-Outs nutzen sie die Deckung, verteilen Kopfschüsse und nutzen die Umgebung zu ihrem Vorteil. Den sauber gemachten Schießereien, Stunts und Verfolgungsjagden stehen ein paar unschöne CGI-Einlagen im Weg. Beim anfänglichen Chaos auf der Rennbahn ist das zwar pferdefreundlich, könnte aber merklich besser getrickst sein. Besonders störend ist aber ein Hochbahn-Crash gegen Ende des zweiten Drittels, der in seiner Übertriebenheit ein ähnlicher Fremdkörper wie die Harrier-gegen-LKW-Szene in „Stirb langsam 4.0“ ist. Außerdem passt das Ganze kaum zur Figur von Parker, der sonst unauffällig bleiben und Zivilisten verschonen möchte, hier aber einen Unfall provoziert, bei dem Dutzende Fahrzeuge geschrottet werden und die Fahrer einem ungewissen Schicksal entgegenblicken.

Immerhin: Mark Wahlberg kauft man den Tough Guy mit Ehrenkodex ganz gut ab. Zwischen Profit und Prinzipien funktioniert er als Unterweltprofi, dessen Name allein Reaktionen hervorruft. Dass er New-York-Verbot hat, stärkt diesen Ruf nur, denn jeden anderen hätte die Mafia gar nicht davonkommen lassen. Deren Kopf verkörpert Tony Shalhoub mit Charisma und Spielfreude, wobei er sich die Bälle gut mit Nat Wolff zuspielt, der als glückloser Schergenchef eine weitere wichtige Rolle spielt. Rosa Salazar als Gauner und Femme Fatale ist ebenfalls ein Gewinn, LaKeith Stanfield eine ordentliche Ergänzung, die aber manchmal etwas neben Wahlbergs raumeinehmendem Parker untergeht. Keegan-Michael Key, Claire Lovering und Chai Hansen setzen weitere Akzente, in Kleinstrollen schauen Thomas Jane, Gretchen Moll, Nineties-Nikita Peta Wilson und Black-Spezi Yvonne Zima vorbei.
Mit diesem Ensemble dreht Black ein Hard-Boiled-Heist-Movie, welches sich in erster Linie damit zufrieden gibt das Genre zu bedienen. Spannung zieht sich aus der Frage, wie Parker in einer Gemengelage mit den Zens Rebellentruppe, der New Yorker Mafia und der Todesschwadron des Diktators oben auf bleibt, ob er seine Rache an Zen vollzieht, mit der er eine flirtende Zwangspartnerschaft hat (wobei die Antwort absehbar ist) und wieviel er von der Beute mit nach Hause nimmt. Wobei Grace (Gretchen Moll), die Witwe seines Kumpels Philly, es offen ausspricht: Kann er leben ohne Dinger zu drehen, kann er jemals genug haben? Das macht auf altmodische Weise Vergnügen, verliert gegen Ende allerdings etwas den Tritt, wenn das Script von Black und seinen Co-Autoren Chuck Mondry und Anthony Bagarozzi den einen oder anderen Twist zu viel abfeuert, wenn es darum geht, wie weit Parker schon vorausgeplant und wie er welche Figur in die Falle gelockt hat. Manchmal könnte „Play Dirty“ sein Publikum noch mehr zu Komplizen machen, es noch mehr in die Planung der Coups mit einbeziehen, um eine größere Bindung zu schaffen, doch die typische Heist-Movie-Spannung zwischen minutiöser Planung und dem Unvorhergesehenen während der Ausführung kann Black immer noch heraufbeschwören.

„Play Dirty“ mag nicht ganz das große Ausrufezeichen setzen, dass man sich nach sieben Jahren Abwesenheit von Shane Black erhofft hatte, aber der Regisseur und Drehbuchautor fühlt sich sichtlich wohl im vertrauten Hard-Boiled-Crime-Milieu. Das Flair stimmt, ebenso die typischen Dialoge und Script-Überraschungen Blacks, die Action besitzt immer dann Druck, wenn sie handgemacht ist, und die Gradwanderung zwischen tougher Pulp-Thriller und Komik funktioniert ebenfalls. Gegen Ende übertreibt es das Script mit den Twists, die CGI-lastigen Szenen auf der Rennbahn und beim Hochbahn-Crash fallen aus dem Rahmen und sind eher lau getrickst. Als Genreunterhaltung mit Old-School-Attitüde ist „Play Dirty“ aber immer noch eine gelungene Nummer, etwas in Ehrfurcht vor den eigenen Wurzeln erstarrt, ohne großes Innovationspotential. Dass das Ganze an Weihnachten spielt, ist bei Shane Black natürlich Ehrensache, auch wenn es hier nur für etwas Schnee und ein paar Randerscheinungen wie eine Kappe mit Santa-Schriftzug reicht.

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