Review

Nach seinem leicht surrealen “The Church” drehte der Zögling von Dario Argento, Michele Soavi, wieder einen Horrorfilm namens “The Sect” der, bedingt durch die Mitwirkung von Argento klar dessen Handschrift zeigt, jedoch eigenständig genug ist um sich klar von den Meisterwerken des Mentors zu distanzieren, ihn nicht stilistisch zu kopieren. Zwar erinnern manche visuelle Szenen - wie die lange Kamerafahrt an einem Wasserrohr - an Argento, doch dies sind klare Ausnahmen. Soavi hat sich mit diesem Film ein ganzes Stück weiterentwickelt; mir gefällt er ob seiner ungewöhnlichen Erzählweise mehr als “The Church”, an seinen klaren 10/10er “Dellamorte Dellamore” kommt er aber nicht heran.

Der Film an sich ist schwer zu beschreiben und vielschichtiger als er beim ersten Sehen zu seien scheint. Klar gibt es die zitierten Parallelen zu “Rosemaries Baby”, doch Soavi greift nur die Grundelemente (Sekte will junge Frau zum austragen des Wiedergeburt des Leibhaftigen missbrauchen) auf um daraus einen atmosphärisch dichten Okkult-Schocker zu basteln der stark von den Sehgewohnheiten abfällt, jedoch massentauglicher als “Dellamorte Dellamore” ist. Einen starken Magen braucht man trotz manch harter Szene weniger, vielmehr eine Menge Geduld und Offenheit für die Erzähltechnik Soavis. Denn er lässt die Geschichte ziemlich langsam angehen und flechtet eine Menge Details ein ohne anfänglich wirklich vorwärts zu kommen.

Doch dies ist wie gesagt nur Schein, die Geschichte mag zwar aufgesplittert in manche scheinbar langatmige Stränge, laufen diese doch am Ende zu einem homogenen Ganzen zusammen und als ob Soavi im Laufe des Drehs bemerkt hat das er mit seinem Tempo nicht jedermann fesseln kann dreht er in den letzten 40 Minuten auf und zieht das Tempo merklich an, lässt auch die Sekte sichtbar auftreten welche anfänglich nur durch den Abgesandten des Teufels in Gestalt eines alten Mannes (exzellent: Herbert Lom, der impotente Hexenjäger bei “Hexen bis aufs Blut gequält”) repräsentiert wurde. Trotz der “Stolperstellen” fliegt man nie auf die Nase - denn dazu bewegt sich zu viel mit offenen Augen in der von Michele Soavi geschaffenen Welt.

Visuell wird eine Menge geboten; neben manch hübscher Kamerafahrt (z.B. durch/über die erwähnten Wasserrohre) bringt Soavi wieder manch phantasievolle Szene mit kraftvoll surrealem Einschlag ein. So z.B. die Szene als die Hauptdarstellerin - nachdem ihr der Teufel einen Skarabäus durch die Nase “injiziert” hat - auf einer Wiese eine wundersame Begegnung mit ihrem späteren Samenspender hat. Die Verkörperung der negativen Energie durch einen Pelikan(!) war schon recht interessant. Nicht ganz so facettenreich diese Szenen wie beim - ich muss ihn immer wieder einbringen - phantastischen “Dellamorte Dellamore”, doch Soavi zeigt schon wohin es ihn treibt. Natürlich ist er noch dabei seinen eigenen Weg zu finden, doch ist “The Sect” schon weitaus ausgereifter als “The Church”.

Im Gegensatz zu diesem fährt er aber eines zurück: die Bluteffekte. Sicherlich Soavis unblutigster Film, er setzt hier mehr auf Schock- denn auf Ekelszenen. Dennoch gibt es einige Härten zu bestaunen, z.B. als der Frau die Gesichtshaut abgezogen wird oder der Pelikan einen Hals aufpiekst. Ausgewalzt sind die Szenen aber nicht und zudem notwenig für die Geschichte; wieder einmal toll gemacht von Sergio Stivaletti. Auch andere bekannte Namen finden sich in den Credits: das Intro stammt von Terry Gilliam(!) und erinnert in seiner Machart schon an Monty Phyton - Humor wurde aber gänzlich ausgespart um so die extrem stimmige Atmosphäre nicht zu zerstören.

Wie gesagt der Film fällt etwas von den Sehgewohnheiten ab, eben keine typisch amerikanische Standardproduktion. Wer sich darauf einlässt der bekommt hier eine durchgehend dichte Geschichte geboten die nicht zwar nicht durchgehend spannend ist, dafür aber dem Zuschauer Zeit gibt den Film zu entdecken und diesen sich entwickeln zu lassen. Diese Art von Erzähltempo mag sicher Geschmackssache sein, ich fand es interessant anders.

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