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Wenn der Neo brutzelt – Österreichisches Genrekino zwischen Schmäh und Schießerei

Zwei Jahre nach dem überraschenden Erfolg von „Pulled Pork“ servieren uns Andreas Schmied und das Duo Pizzera & Jaus mit „Neo Nuggets“ nun den nächsten Gang ihres österreichischen Genrekino-Menüs – und diesmal wird’s international. Zumindest fühlt es sich so an. Schon das stylische, fast schon überambitioniert elegante Bond-like-Intro signalisiert: Hier will jemand Kino machen. Nicht „österreichisches Kino“, sondern schlicht Kino. Groß, laut, bunt. Mit Explosionen, Punchlines und Pathos. Samsara Filmproduktion liefert erneut, was sie am besten kann – sauberes Handwerk mit Mut zum Pop, österreichisch geerdet und zugleich nach Hollywood schielend. 

Doch der österreichische Charme bleibt. Denn wo James Bond im Smoking Champagner schlürft, trinkt unser Held vermutlich lieber einen Spritzer – und rettet die Welt mit Schmäh, nicht mit Hightech. „Neo Nuggets“ ist das, was passiert, wenn man Tarantino mit einem Witz von Pizzera kreuzt, ihn von Andreas Schmied inszenieren lässt und das Ganze dann doch in der Steiermark statt in Los Angeles dreht. Es gibt Action, Witz und Emotion – alles in einer so glänzenden Verpackung, dass man fast den Eindruck bekommt, Schmied hätte heimlich eine Patenschaft bei Michael Bay beantragt. Eine Mischung aus Selbstironie und Ambition – und damit die perfekte Metapher für den gesamten Film. Denn Schmied und seine Crew zielen hoch, schießen aber nicht immer ins Schwarze.

Die Geschichte – ein Hybrid aus Heist, Buddy-Komödie und Thriller – folgt der klassischen Formel, wie sie auch in Hollywood auf jeder Serviette durchgekaut wird: zwei ungleiche Helden, ein überzeichneter Bösewicht, eine Verschwörung, ein paar Überraschungen, und irgendwo dazwischen Freundschaft, Loyalität und eine Prise österreichischer Lebensphilosophie. Schmied weiß, was er tut – er spielt bewusst mit bekannten Tropen. Das Drehbuch liefert, was man erwartet, manchmal vielleicht ein wenig zu sehr. Die Wendungen wirken teils konstruiert, wie ein Puzzle, bei dem das letzte Teil einfach nicht ganz passt, und dramaturgisch läuft der Film nicht immer rund. Und doch – langweilig wird’s nie. Denn Schmied versteht Timing. Er weiß, wann der nächste Gag kommen muss, wann Action die Oberhand gewinnt, wann Pathos erlaubt ist. Auch wenn die Balance nicht immer perfekt ist, bleibt das Ganze durchgehend unterhaltsam.

Man könnte sagen, Neo Nuggets lebt – wie schon Pulled Pork – vor allem von seinem Duo. Die Wortgefechte zwischen Pizzera & Jaus sind präzise getimt, charmant und mit jener rotzigen Schlagfertigkeit versehen, die man aus ihren Bühnenauftritten kennt. Ihre Chemie ist unbestreitbar, ihre Dialoge funkeln, ihre Schlagabtausche sitzen – meistens. Wenn die beiden sich die Bälle zuspielen, dann klirren die Pointen wie Sektkorken an Silvester. Da wird gefrotzelt, geflirtet, geflucht – und ja, manchmal auch philosophiert. Ihr Schmäh ist nicht aufgesetzt, sondern organisch. Natürlich, nicht jeder Gag zündet, aber selbst die Fehlzündungen sind sympathisch. Der Humor bleibt dabei typisch österreichisch: trocken, selbstironisch, mit einer gesunden Portion „Uns is eh wurscht“-Mentalität. Man spürt, dass hier keine Dialogmaschine am Werk war, sondern Menschen, die sich kennen, verstehen und mit Sprache spielen können. Schmied lässt seinen Stars Raum zum Atmen, und das merkt man. Diese Dynamik zwischen Improvisation und Inszenierung verleiht dem Film eine gewisse Leichtigkeit, die über manche Drehbuchschwäche hinweghilft.

Hollywood durch die Wiener Brille

Was Neo Nuggets von vielen heimischen Produktionen unterscheidet, ist der Mut zur Stilistik. Schmied inszeniert ein Österreich, das man so selten sieht: neongetränkt, rhythmisch geschnitten, fast schon „cool“. Die Bilder sind stilisiert, überhöht, fast amerikanisch, aber stets mit diesem leicht schiefen österreichischen Blick, der alles ironisch relativiert. Man erkennt klar die Vorbilder aus Hollywood, vor allem in der Kameraführung: weite Drohnenschwenks, Lichtreflexe, Schnittgewitter. Das Bond-artige Intro – mit stylischen Grafiken, fließenden Kamerabewegungen und einem Score, der sich irgendwo zwischen Hans Zimmer und Austropop bewegt – setzt den Ton: Das hier ist kein Hinterhof-Krimi. Das ist Genre mit Anspruch. Der Film will pulsieren, vibrieren, mitreißen – und schafft das meistens auch. 

Neo Nuggets ist ein Film, der sich seiner eigenen Grenzen bewusst ist, sie aber mit sichtbarer Lust ignoriert. Es gibt Momente, da könnte man fast glauben, man sehe einen europäischen Actionfilm mit Netflix-Budget. Besonders die kurzen, aber effektvollen Actionsequenzen stechen hervor – dynamisch, sauber geschnitten, gut choreografiert. Sie zeigen, dass Schmied durchaus ein Auge für kinetische Energie hat. Ob Autoverfolgung oder improvisiertes Schussgefecht: Die Szenen sind straff inszeniert, übersichtlich geschnitten und mit einem gewissen Popcorn-Appeal versehen. Schmied nutzt die urbane Enge, spielt mit Perspektiven und sorgt dafür, dass jede Explosion (auch die metaphorische) sitzt. Hier zeigt sich: Das österreichische Kino kann Tempo, wenn es will. Der Score ist ein weiterer Gruß aus Hollywood: wummernde Bässe, heroische Streicher, elektronische Akzente. Der Soundtrack schwelgt in epischen Klangteppichen, ohne seine Herkunft zu verleugnen. Man spürt, dass Schmied und seine Tonabteilung Spaß daran hatten, groß zu klingen – auch wenn das Bild nicht immer mithalten kann.

Pizzera & Jaus sind das Herzstück, die Seele und der eigentliche Motor des Films. Ihre Chemie ist so natürlich, dass man glaubt, sie würden auch beim Drehbuchlesen noch improvisieren. Sie sind charmant, verschmitzt, manchmal albern – aber nie unglaubwürdig. In den stilleren Momenten zeigen sie zudem eine überraschende emotionale Tiefe, die den Film erdet. Neben dem zentralen Duo ragt Benno Fürmann als Antagonist heraus – ein Bösewicht, der zwischen charismatisch und karikaturesk pendelt. Fürmann spielt mit spürbarem Genuss, doch manchmal auch mit einer Spur zu viel davon. Sein Bösewicht ist ein wenig zu glatt, zu theatralisch, zu „böse“ im klassischen Sinne. Sein Overacting ist amüsant, keine Frage, aber es entzieht den Szenen mitunter die Spannung, die sie verdienen würden. In den Nebenrollen glänzen Sylvia Schneider und Gizem Emre: Schneider bringt Charme und Bodenhaftung in den überdrehten Plot, während Emre eine frische Energie mitbringt, die man sich öfter wünschen würde.

Fazit

Neo Nuggets ist ein Film, der viel will – und das merkt man ihm an. Er will unterhalten, glänzen, überraschen, Emotionen wecken, Genregrenzen sprengen. Und er schafft das – stellenweise brillant, stellenweise holprig. Und er zeigt, dass das österreichische Kino längst nicht mehr im Schatten von Kabarett und Kammerspiel stehen muss. Andreas Schmied liefert mit seinem Team feines, selbstbewusstes Genrekino aus Österreich, das sich nicht verstecken muss. Es ist Popcornkino mit Schmäh, ambitioniert und augenzwinkernd zugleich. Nicht alles funktioniert, nicht jeder Gag sitzt, und dramaturgisch könnte man hier und da nachschärfen. Aber der Wille, Kino zu machen – echtes, unterhaltsames, handwerklich gutes Kino – ist in jeder Einstellung spürbar. Am Ende bleibt ein Film, der sich selbst nicht zu ernst nimmt, aber das Publikum ernst genug, um es nicht zu langweilen. Neo Nuggets ist charmant, temporeich, manchmal zu sehr bemüht, aber immer mit Herz. Oder, um es mit einem Pizzera-Zitat zu sagen: „Eh leiwand, aber da geht no was.“


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