Jetzt wissen ALLE wer der Babo ist
Der Dokuhype des Jahres in Deutschland, dem man sich auch nicht mehr entziehen kann, wenn man (schon lange) kein Deutschrap (mehr) hört. Über Aykut Anhan aka Haftbefehl - sein Leben, seine Herkunft, seine Familie, seine Dämonen und seinen heftigen Absturz…
Mitleid, Machos, Mundart
Ich glaube, ich würde Haftbefehl fast als den Einschnitt überhaupt sehen, wo ich endgültig nahezu aufgehört habe Deutschrap zu hören. Meine Generation ist quasi mit Kool Savas, Sido, Bushido und vielleicht noch etwas dem anfänglichen Kollegah aufgewachsen, aber bei Hafti konnte ich dann weder Sprache noch Hype wirklich nachvollziehen, verstehen oder feiern. Manch einen geilen Beat vielleicht noch, doch die wirkliche Zielgruppe war ich dann Mitte 20 schon lange nicht mehr. Doch all das nimmt nichts davon, wie mich „Babo“ auf Netflix nun dann doch berührt bis fertig gemacht hat. Selten war ein Künstler und Superstar ehrlicher, verletzter und sterblicher, der Selbstzerstörung und dem Tod näher. Selten war eine solche Musikdoku schmerzhafter und fast schon eher eine „Antidrogenkampagne“. Schlüsse werden einem selbst überlassen - vom Rapper selbst über seine Frau und sein Umfeld bis zur gesamten Branche und auch uns als tatenlose Zuschauer selbst bzw. leidgeile Gesellschaft. Dazu ein top Pacing und interessante talking heads. Ein paar gestellte Szenen und Rückblicke tragen etwas dick auf. Und die Frage insgesamt bleibt, warum keiner hilft bzw. warum jetzt schon eine Doku kommt, wenn das Ding bzw. Aykuts Schicksal gefühlt noch lange nicht in trockenen Tüchern ist. Und auch, ob es, als diese tragische Richtung dann immer klarer wurde, nicht alles doch etwas gestellt und auf „extra echt“ gemacht wurde. Trotzdem konnte und wollte ich meinen Blick nicht abwenden und sehe Haftbefehl jetzt sowas von mit neuen Augen. Und vor allem die Aussagen zum Thema „Väter/Söhne/Erbe“ und sich wiederholendem Schicksal haben mich tief getroffen und nachdenklich gestimmt. Persönlicher und intimer geht’s dann eigentlich kaum noch. Und das geht weit, weit über Rap, Musik und Gangsterkunstpersonen hinaus.
Fazit: berührend, bitter, brutal… „Babo“ ist eine der ultimativen Künstlerdokus Deutschlands. Nicht nur im Rapgame. Sehr krass, schmerzhaft ehrlich, noch immer mittendrin. Hat mich oft genug kalt erwischt. Stark!