Review

Riecht nach frisch gemähtem Meisterwerk

David Lynch ist kein Meisterregisseur, weil "Eraserhead" oder "Mullholland Drive" subservive, unvergessliche Brainfucks sind. Und er ist auch nicht ein Meister seines Fachs, weil einem "The Elephant Man" oder eben "The Straight Story" heftig ans Herz gehen. Er ist einer der besten Regisseure aller Zeiten, weil er eben diese beiden Extreme beherrscht. Weiter könnten Filme inhaltlich wie formal nicht auseinanderliegen. Qualitativ sind dafür beide Pole ähnlich herausragend. Welche der beiden Seiten seiner Medaille man bevorzugt ist dann am Ende Geschmacksache. Ich für meinen Teil kann mir die geradlinigen Emotionshammer jedenfalls öfters und angenehmer angucken. Vor allem "The Straight Story" ist dabei ein dermaßen starker Film, dass man ihn nicht überschätzen kann. Wundervoll, einfach, geradeaus. Ein alter Mann, sein Rasenmäher und die Fahrt zu seinem Bruder - that's it. Und das ist alles was es brauchte um uns einen der besondersten und unvergesslichsten Americana-Road-Movies zu schenken. Und eben Lynchs Genie.

"The Straight Story" handelt von einem alten Mann, der mit einem Rasenmäher quer durch die Staaten zu seinem verstrittenen Bruder fährt. Platt gesagt. Nur steckt in diesem ungewöhnlichen Roadtrip mehr Gefühl, mehr Ehrlichkeit, mehr Menschlichkeit als in den meisten zehnmal komplexeren Werken. "The Straight Story" ist eine Explosion des emotionalen Understatements. Ehrlich, fühlbar, greifbar. Und genau deswegen episch wie das einrahmende Sternenbild. Lynch war fasziniert von dem gefühlvollen und (oberflächlich) minimalistischen Script. Ich bin begeistert von seiner Umsetzung. Eine Meisterleistung von allen Beteiligten. Vergebung, Wut, Traurigkeit und Mut. Eine inspirierende Geschichte über einen klapprigen Opa auf einem noch klapprigeren Mini-Mähdrescher - klingt wie der langweiligste Film aller Zeiten. Es wurde einer der besten. Manchmal fast meditativ und immer horizonterweiternd. Radikal einfach. Lohnenswert. Egal ob Lynch-Fan oder nicht.

Fazit: ungewöhnlich für Lynch, sein simpelstes, diszipliniertestes Werk. Geht auf direktem Weg ins Herz. Kostbar wie ein wachsender Grashalm. Beruhigend schön. Das Gegenteil eines "Eraserhead" - jedoch keinen Deut schwächer. Entschleunigte Schönheit. Von weiten Landschaften und freundlichen Fremden, vom Nutzen der Zeit und der späten Erkenntnis. Extrem stark!

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