Code 46 ist keine leichte Kost. Ungewöhnlich. Mit interessantem Abgang. Aber auch schwer verdaulich. Ein Film zwischen den Stühlen, in das in jeder Hinsicht...
Das Setting: Eine Zukunftsdystopie, beklemmend und doch angenehm realistisch zugleich. Ein Umstand, der auf das geringe Bugdet zurückzuführen ist, aber dennoch große Wirkung erzielt. Regisseur Winterbottom entführt uns in ein weitentferntes Szenario, das unserer Gegenwart gar nicht mal so unähnlich ist. Keine High-Tech-Bauten, keine schwebenden Autos, kein schnieker Future-Firlefanz. Stattdessen versmogte Großstadtatmosphäre und staubige Wüstenlandschaften, die für ein perfides Zwei-Klassen-System einstehen. Eine Weltbevölkerung, die nach unzähligen Genexperimenten und Invitrio-Geburten vor der genetischen Degeneration steht. Die Vielfalt der DNS ist de facto kaum noch vorhanden, weshalb Menschen mit identischem Erbgut keine sexuelle Bindungen eingehen dürfen. Ansonsten greift Code 46: Verbotene Früchte werden abgetrieben, die Erinnerungen an die Liaison gelöscht und die Liebenden, sofern sie sich ihrer genetischen Ähnlichkeit bewusst waren, in die Einöde verbannt.
"Code 46" beschäftigt sich mit den Fragen, die aktuelle Entwicklungen innerhalb der Genetik in der öffentlichen Wahrnehmung aufwerfen und treibt diese auf die Spitze. Ohne jedoch eine allzu eingefahrene Stellung zu beziehen. Schließlich kann man der hier skizzierten Entwicklung auch positive Aspekte abgewinnen. In "Code 46" sind ethnische Grenzen längst überwunden, die Menschheit ist - von der nicht ganz unwesentlichen Einteilung von Arm und reich mal abgesehen - ist endlich eins. Schön veranschaulicht in der Sprache, die von den Menschen in "Code 46" gesprochen wird: Ein einheitlicher Dialekt, der mit spanischen, chinesischen und arabischen Flosskeln durchsetzt ist. Flosskeln deshalb, damit der Film noch allgemein verständlich bleibt, was allerdings nicht immer einwandfrei gelingt.
Und auch der Staatsapparat ist keine per se böse, machtgierige Institution, kein ultimativer Big Brother. "Code 46" ist an sich zum Schutze der Menschheit ausgerufen worden. Eine abschließende Bewertung bleibt somit aus. Inwieweit eine zielgerichtete Eugenik vertretbar oder verwerflich ist, die Antwort auf diese Frage muss jeder für sich aushandeln.
Löblich, dass ein Film zum Nachdenken animiert, weniger löblich ist allerdings, dass wir kaum etwas über die Hintergründe des hier gezeigten Zukunftsszenarios erfahren. Die obigen Ausführungen sind deshalb sogar eher als Deutungsansätze zu verstehen. "Code 46" rückt nämlich kaum explizite Erklärungen heraus. Stattdessen lässt er jede Menge Raum und Zeit für die zentrale Liebesgeschichte.
Tatsächlich ist "Code 46" mehr Liebesdrama als Science-Fiction. Der Film erzählt von der Begegnung zweier Menschen, die sich verbotenerweise ineinander verlieben. Nicht nur, weil sich Ermittler Wiiliam Geld (Tim Robbins) in die Ausweisfälscherin Maria Gonzales (Samantha Morton, eine der "Pre-Cogs" aus "Minority Report") verliebt, die er eigentlich dingfest machen soll, sondern weil sich eben ihr Erbgut zu sehr ähnelt. In leisen Bildern und von wunderschönen Melodien untermalt, findet das ungleiche Paar zueinander, obwohl es keine gemeinsame Zukunft haben kann. Aber selbst das gelöschte Erinnerungsvermögen Marias kann die wahre Liebe nicht besiegen. Klingt kitschig, ist es erstaunlicherweise aber nicht. Sondern einfach nur schön. Wären da nicht die Momente, in denen das allzu routinierte Spiel des Darstellerduos arg durchschimmert. Tim Robbins ist weit von seiner Höchstform entfernt, und Samantha Morton muss ihren Weg dorthin erst noch finden. Allerdings deutet sie an, dass sie sich in einer Hauptrolle durchaus wohlfühlen kann. Ein weiteres Problem, das die anrührende Atmosphäre von "Code 46" zerstört, ist die lakonische Synchronisation: Liebeserklärungen werden hier schonmal wie Wettervorhersagen vorgetragen.
Ein zusätzliches Manko: Die Dramaturgie schafft es nicht, die brisante Konstellation, in der sich William und Maria nun gegenüber stehen, adäquat einzufangen. "Code 46" ist ein Film der leisen Töne - und will es auch bis zum Verrecken bleiben. Selbst der dramatische und überraschende Höhepunkt der Affäre ist als solcher kaum zu erkennen, so sehr geht er im gemächlichen Bilderfluss unter. Die tragische Montage danach gehört zwar wieder zu den starken Momenten des Streifens, sie ändert aber nichts daran, dass der Spannungsbogen die letzten 85 Minuten über äußert flach geblieben ist. Diese Beobachtung stößt dann besonders säuerlich auf, wenn man sich die vielen hektischen Schnitte im Mittelteil auf der Zunge zergehen lässt. Ein bisschen mehr Rasanz wäre also möglich gemessen. Stattdessen wurde ein Stilmittel zu Lasten der Verständlichkeit geopfert, da sich der Cutter letztendlich für zwei, drei kapitale Gedankensprünge verantworten muss.
Fazit: "Gattaca" trifft auf "Vergiss' mein nicht" - so lässt sich die Formel von "Code 46" zusammenfassen, ohne dass der Film die Klasse der beiden erstgenannten Referenzen erreichen könnte. Die Anlagen dazu hätte er gehabt, nur leider wurden sie in den entscheidenden Momenten nicht bzw. falsch ausgekostet. Nichtsdestotrotz ist ein Blick empfehlenswert - sofern man genügend Sitzfleisch für diesen romantischen Leisetreter mitbringt. (6,5/10)