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Armenarzt Dr. Jan Diffring (Curd Jürgens) ist die gute Seele von Hamburg-St. Pauli, hilft schon mal bei kleinen Boxkämpfen von Freund Willi Nippes (Heinz Reincke) aus und rettet die junge Prostituierte Ingrid Castell, als sie auf offener Straße zusammengeschlagen wird. Während er von seinen Patienten geliebt wird, ist der Kontakt zu seinem eigenen Bruder Klaus (Horst Naumann) gestört: Seit Jahren haben Jan und er nicht mehr miteinander gesprochen - blickt Frauenarzt Klaus doch auf die Arbeit seines Bruders herab.
Klaus ist nicht nur Frauenarzt, sondern nimmt in seiner Klinik auch illegale Abtreibungen vor. Um seine Spielschulden bezahlen und seinen dekadenten Lebensstil halten zu können, ist er außerdem als Zulieferer neuer Mädchen für die berüchtigten Sexpartys des Unternehmers Siegfried Gersum (Friedrich Schuetter) und seiner illustren Gäste tätig.
Zur gleichen Zeit kommt der junge Matrose Hein Jungermann (Fritz Wepper) in Hamburg an. Er erwartet, von seiner langjährigen Geliebten Margot Rau (Christiane Rücker), abgeholt zu werden. Doch Margot ist verzogen, ohne eine Kontaktadresse zu hinterlassen. Auf seiner Suche nach Margot sucht dieser auch den Kontakt zu Jan, doch der weiß auch nicht, wo Margot sich aufhalten könnte. Als kurz darauf ihre und die Leiche ihres neuen Freundes gefunden wird, gerät Hein unter Mordverdacht und wird vom Arzt von St. Pauli versteckt. Dieser kommt bei seinen Nachforschungen dem illustren Partykreis und den kriminellen Machenschaften seines Bruders gefährlich nahe...

Das ist, in groben Zügen, nach "Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn", die Handlung des zweiten Milieu- und Kiezkrimis von Rolf Olsen, dem noch die Klassiker "Auf der Reeperbahn nachts um halb Eins", "Das Stundenhotel von St. Pauli", "Der Pfarrer von St. Pauli" und "Kapitän Raubein aus St. Pauli" folgen sollten - alle mit dem "normannischen Kleiderschrank" Curd Jürgens in der Hauptrolle besetzt, wie der deutsch-österreichische Schauspieler wegen seiner Statur und kühlen Ausstrahlung genannt wurde.
Dabei erzählt Regisseur und Drehbuchautor Rolf Olsen, der das deutsche Exploitation-Kino der späten 60er und frühen 70er Jahre mit Sleaze-Perlen wie "Das Rasthaus der grausamen Puppen" oder "Blutiger Freitag" bereichert hatte, stets eine wenig einfallsreiche Handlung um Sex & Crime, bei denen vor allem die rauen "Reeperbahn"- und "St. Pauli"-Thriller durch nordischen Charme und jede Menge Lokalkolorit überzeugen konnten. Auch "Der Arzt von St. Pauli" macht sich die schlüpfrige Rahmenhandlung zunutze, die mehr als einmal den Anlass für eine sehr freizügige Inszenierung bietet, die mit gelegentlichen Härten und Sadismen den Liebhaber deftiger Hausmannskost erfreuen wird.
Auf der illustren Besetzungsliste glänzen vor allem das Hamburger Urgestein Heinz Reincke sowie Horst Naumann ("Jerry Cotton: Todesschüsse am Broadway") und Friedrich Schütter, während die, aus diversen Lustspielen wie "Unsere Pauker gehen in die Luft" und frivolen Komödien wie "Die Liebesquelle" oder "Heubodengeflüster" einschlägig bekannte Christiane Rücker, mit üppigen Busen überzeugen kann.
Curd Jürgens, der in den späten 70er Jahren die Ehre zu Teil wurde als Karl Stromberg in "Der Spion, der mich liebte" in die Ahnengalerie der Bond-Gegenspieler aufgenommen zu werden, passt in die Rolle des herzensguten und Fäuste schwingenden Samariters von altem Schrot und Doppelkorn wie die Faust aufs Auge.
In der ersten Hälfte recht zügig in Szene gesetzt, geht dem Kiezkrimi im actionlastigen Finale doch etwas die Luft aus - insgesamt bleibt unterm Strich jedoch ein plakatives, leicht anrüchiges und durchaus unterhaltsames Stück deutscher Trivial-Unterhaltung mit groovigem Soundtrack, kernigen Typen, Mord- und Totschlag und jeder Menge barbusiger Schönheiten - anspruchsloser Filmfreund, was willst Du mehr?

6,75/10

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