Review

Der Architekt Noel Holcroft wird vom Banker Manfredi dringend von New York nach Genf gerufen und davon in Kenntnis gesetzt, dass das Erbe seines leiblichen Vaters in Kraft tritt. Dieser war General Clausen, ein wichtiger Mann im Dritten Reich, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aber Gewissenbisse bekam und zusammen mit seinen Kumpels, den Generälen von Tiebolt und Kessler, einen Vertrag aufsetzte. Wird dieser vierzig Jahre später von den ältesten Söhnen der drei unterzeichnet, stünden diesen viereinhalb Milliarden (zu der Zahl später noch was) für die Holocaust-Überlebenden und allgemeine wohltätige Zwecke zur Verfügung.

Aber noch während der Besprechung gibt es die ersten Morde: Holcroft sieht sich von Profikillern verfolgt. Doch in London lernt er den Oberst kennen, Leiter einer Organisation, die dafür sorgen soll, dass das Geld auch wirklich der ihm angedachten Verwendung zugeführt wird und dem Architekten zu Hilfe eilt. Über ihn begegnet Holcroft auch Helen und Johann von Tiebolt sowie Erich Kessler.

Der Unterzeichnung des Vertrages stünde also nichts im Wege, doch die Verfolger geben nicht so leicht auf und auch auf der Seite der scheinbar Guten ist was faul im Staate Dänemark: Insbesondere Holcrofts Mutter, die ihren ersten Mann doch genau kannte, traut der Sache mit dem Vertrag ganz und gar nicht…


Zuerst einmal dies: Im englischen Original ist von „billions“ die Rede. Auf Deutsch sind das „Milliarden“, was Generationen von Dolmetschern in deutschen Synchronstudios aber nicht davon abgehalten hat, die Zahl fälschlicherweise allzu wörtlich zu übersetzen. So natürlich auch hier. Aber lassen wir das, der Film an sich kann ja nichts für die Dummheit seiner Übersetzer und hat wahrlich grössere Probleme.

Der 2002 verstorbene John Frankenheimer, der einerseits Meisterwerke wie „The Manchurian Candidate“ oder „Seconds“ geschaffen, andererseits aber Graupen wie „The Prophecy“ oder „The Island of Dr. Moreau“ (die Version mit Marlon „Fleischberg“ Brando) zu verantworten hat, scheint sich hier nicht ganz sicher gewesen zu sein, was zur Hölle er denn eigentlich inszeniert: Wenn Helen aus heiterem Himmel mit Holcroft ins Bett springt oder ihr Bruder Johann Holcrofts Mutter à la Blofeld im vollen Overacting-Modus seinen bösen Plan erklärt (kein Spoiler, wer noch alle Hirnzellen beisammen hat, kann sich schnell mal ausrechnen, dass mit dem was nicht in Ordnung ist), wirkt der Film eher wie eine Parodie als ein ernstzunehmender Agenten-Thriller. Eher befremdlich ist auch, wie Holcroft es schafft, dem Oberst bei ihrem ersten Treffen eine Pistole aus der Hand zu winden (für den Leiter einer Geheimorganisation eine ziemlich schwache Nummer), oder wie ein toter Hund äusserst Plump zu einem wichtigen Storyelement wird. Und als schlussendlich der Plan der Bösewichte offen gelegt wird, erweist sich dieser als derart blödsinnig, dass man sich wirklich in einem Samstag-Vormittag-Cartoon wiederzufinden glaubt. (Auch sonst ist das Finale ziemlich lasch.)

Dazu passen auch die Leistungen der Schauspieler: Den gelernten Theaterschauspieler Anthony Andrews als Johann hab ich ja schon erwähnt (und diese Knalltüte soll die Welt… naja, zu viel will ich doch nicht spoilern), der legendäre Mario Adorf („Schachnovelle“, „Rossini“) macht sich in seinem (relativ kurzen) Auftritt als Kessler ebenfalls ordentlich zum Vollhorst (noch etwas begeisterter und er wäre explodiert).
Michael Caine („Alfie“, „The Prestige“) hingegen läuft über weite Strecken auf Sparflamme und schwankt zwischen völliger Ausdruckslosigkeit oder Zugedröhntheit, abgesehen von einigen Wutanfällen, wo er dann schon mal heftig übertreibt. (Am bemerkenswertesten der unvermittelte Ausbruch gegenüber Manfredi.) Und trotzdem: Als Alltagstrottel, der von der Situation hoffnungslos überfordert ist und dementsprechend ziemlich hilflos agiert (da passen die Wutausbrüche dann doch ins Bild), vermag er doch ein Stück weit zu überzeugen. (Wird dann aber ziemlich schnell zum abgebrühten Supermann. Bei Dustin Hoffmans Charakter in „Der Marathon-Mann“ hat das besser funktioniert.)
Victoria Tennant („Inseminoid“, „Zugzwang“) bleibt als Love Interest irgendwie nichtssagend, bis hin zum wenig beeindruckenden Finale. (Mal abgesehen davon, dass sie neben Holcroft auch ihren eigenen Bruder besteigt. Die Blutlinie versauen durch Inzest? Der Gröfaz würde sich im Grab umdrehen.) In einer grösseren Nebenrolle findet sich Lilly Palmer („Anastasia“, „Mädchen in Uniform“, „The Boys from Brazil“) ein, wirkt aber wie eine Face-Lifting-Patientin, bei der was falsch gelaufen ist.
Die rotzigen und oft genug einfach unsinnigen Dialoge helfen auch nicht gerade.

So daneben die Story und die schauspielerischen Leistungen auch sind, zumindest wird sie Sache nicht langweilig. Die Handlung schreitet rasch voran, schüttet den Zuschauer mit Twists zu und zumindest ein gewisses „WTF?“-Gefühl hält einen bei Laune (je mehr, je länger der Film dauert). Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings die hiesige Angewohnheit, den Filmapparat öfters mal schräg in die Gegend zu stellen, was (besonders in Verbindung mit kurzen Kamerafahrten und Zooms) zwar ein hübsches Gefühl von Unbehagen und Desorientierung verursacht (was ja durchaus zur Handlung passt), aber alles in allem halt doch etwas zu viel des Guten ist. Man kann auch übertreiben. (Uneingeschränkt wunderbar fand ich aber den kurzen Zoom auf Kesslers Gesicht, als der seinen Unterling bedroht.) Ein paar Pyroeffekte und Verfolgungsjagden (eine gar mit dem Helikopter) gibt’s auch, ganz nett, aber nichts Aussergewöhnliches.

So richtig im Gedächtnis bleibt einem schlussendlich die Nuttenparade im Rotlichtviertel Berlins: Nackte Brüste, Kerle in Dessous und Orgien allüberall, dazu eine versuchte Entführung, bei der schräge Kamera, Schattenspiele und Tempo zusammenkommen und die rasanteste Sequenz des Filmes bilden. Der singuläre und durchgeknallte Höhepunkt des Filmes, an den der Rest leider nicht anschliessen kann.
Unvergesslich auch der Score von Syrewicz („The Lair of the White Worm“, „Extreme Ops“), allerdings nur aufgrund seiner Qualitäten als Folterinstrument: Ich hab selten ein derart abscheuliches Synthie-Gedudel wie hier gehört. Aber, zugegeben, teils bringt der Herr Komponist auch erträgliche bis ganz nette, witzige (vor allem in Verbindung mit Marschmusik-Anleihen) Töne zustande.

Fazit: „Der 4 ½ Billionen Dollar-Vertrag“ (Argh!) ist ein durchwachsenes Werk. Wirklich gut ist er auf keinen Fall, so *richtig* abgrundtief schlecht ist er aber auch nicht. (Zumindest zu Beginn und auch danach langweilt man sich wenigstens nicht gross.) Er kommt bis zu einem gewissen Grade durchaus als Trash durch (das miserable Schauspiel, der Klein-Mäxchen-Plan der Bösewichter, die schrägen Szenen im übertragenen und wortwörtlichen Sinne), bleibt schlussendlich aber einfach zu blah, um eine Trashgranate zu sein. Kann man sich mal ansehen, aber ein must see für Trashologen ist der Streifen nicht. (Dann schon eher „The Prophecy“.)

Details
Ähnliche Filme