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Im Bereich des amerikanischen Sex-Trash-Films ist der Name Russ Meyer so etwas wie eine Legende. Mit frechen, ironischen, parodistischen und überaus freizügigen Streifen hat er über zwei Jahrzehnte ein von vielen Seiten angefeindetes Genre bedient – und das mal mehr, mal weniger originell. Dass seine Filme dabei auf mitunter plumpeste Weise Männerfantasien bedienen, mag unbestritten sein – dass seine besten Werke allerdings auch humorvolle Seitenhiebe auf eben diese Fantasien zu bieten haben, ist ebenso eine Tatsache.

Gleich sein erster Spielfilm etwa, „Der unmoralische Mr. Teas“, ist ein Paradebeispiel für diese Ambivalenz in seinem Low- bis No-Budget-Schaffen: Der knapp 60-minütige Film begleitet den Kurierfahrer Mr. Teas in seinem unspektakulären Arbeitsalltag am Ende der 50er Jahre: Er fährt mit dem Fahrrad seine Lieferungen aus, sucht in seiner Freizeit Erholung am Strand, am See oder im Wald – und begegnet überall großbusigen, knapp oder gar nicht bekleideten Frauen, die er anfangs hemmungslos voyeuristisch begafft, von denen er sich aber nach und nach überfordert und verfolgt fühlt.

Besonders aus heutiger Sicht, nach mehreren Jahrzehnten feministischer Filmdiskurse, dürfte schon dieses Erstlingswerk eine gewisse Herausforderung darstellen. War es zu seiner Entstehungszeit lediglich ein billiger Streifen, der für seine technische Simplizität und inhaltliche Überschaubarkeit abgestraft wurde (obwohl er direkt ein so großer finanzieller Erfolg wurde, dass sich Meyer fortan voll und ganz dem von ihm selbst und seiner Frau produzierten Filmedrehen widmen konnte), dürfte heute wohl eine etwas andere Frage im Fokus stehen: Ist „Der unmoralische Mr. Teas“ sexistisch?

Nun, ja und nein. Ja, unbestreitbar, weil hier jede Frau, die Mr. Teas über den Weg läuft, gnadenlos sexualisiert wird. Es ist völlig egal, in welcher Funktion und bei welcher Tätigkeit sie auftaucht – als Sekretärin, Zahnarzthelferin, Model oder in ihrer Freizeit mit Freundinnen am Strand – alles wird direkt zum Objekt plumpen Voyeurismus' und billiger Fantasien: Wenn sie sich nicht gleich selbst ausziehen und zusammen nymphenhaft planschen oder für ein Fotoshooting die knappen Bikini-Hüllen fallen lassen, erträumt er sie sich in seinen Tagträumen nackt und willig. Das ist aus Sicht einer in Hinblick auf die Objektifizierung von Frauen im Patriarchat inzwischen bedeutend sensibilisierteren Gesellschaft durchaus diskussionswürdig – um es vorsichtig auszudrücken.

Aber auch nein, weil dieser unbezweifelbare Voyeurismus, der ein zentraler Bestandteil der Produktion ist, auch von Anfang an ironisch gebrochen wird. Nicht nur durch den lakonischen Off-Kommentator, der Mr. Teas' plumpe Begaffung mit Kommentaren zum Leben und den Herausforderungen des modernen Großstadtlebens konterkariert, sondern auch durch die zunehmend absurden Handlungen und Ereignisse, denen der Film folgt. So wird Mr. Teas als im Grunde unbescholtener, braver 50er-Jahre-Bürger karikiert, der nur Erholung von seinem Arbeitsalltag sucht, aber überall, wo er hingeht, über nackte Frauen stolpert – bis hin zum Paukenschlagfinale, wenn seine Psychiaterin plötzlich nackt im Stuhl sitzt und verständnisvoll nickt. Durch diesen Kontrast zwischen auch damals schon als ungehörig verstandenem Verhalten und dem eigentlichen Wunsch, ganz in Ruhe vor sich hin zu leben, entsteht schnell ein leicht ins Groteske schielender Humor, der durchaus als Parodie auf die strengen Moral- und Sittlichkeitsvorstellungen der ausgehenden 50er verstanden werden kann. Die allgegenwärtige Nacktheit hier wird also als Angriff aufs moralische Korsett einer puritanischen Gesellschaft verwendet.

Auch dass Mr. Teas als zunehmend unter seinen Trieben leidend dargestellt wird, ist ein durchaus interessanter Aspekt für einen Sexfilm. Zwar beobachtet er bei jeder Gelegenheit Frauen und jedes Stückchen Haut, dessen er ansichtig werden kann – doch selbst in seinen Träumen bleibt es dabei. Sexuelle Handlungen werden weder angestrebt noch durchgeführt, es geht einzig und allein ums passive Zuschauen, und das erweist sich zunehmend als unbefriedigend. In seinen verstörten Reaktionen, wenn Damen ihm zu nah kommen, lässt sich sogar eine unausgesprochene Angst des Mannes vor der Frau erkennen – eine psychologische Andeutung, die dem Ganzen einen faszinierenden freudianischen Unterton verpasst.

Dass Meyer neben seinen plumpen Zielen der nackten Frauenhaut durchaus ein Könner darin ist, aus überaus begrenzten filmischen Mitteln das Beste herauszuholen – für gute Tontechnik war kein Geld da, also wird der Film ohne Ton gedreht und mit dem Off-Kommentar und viel Easy-Listening-Musik unterlegt; an Settings wurde verwendet, was öffentlich und leicht erreichbar war – trägt dazu bei, „Der unmoralische Mr. Teas“ bei aller künstlerischen Bescheidenheit immerhin zu einem originell und durchgehend ironisch inszenierten kleinen Werk zu machen. Dass diese Ironie im Schlussteil zunehmend schierem Voyeurismus weicht, dass es keinerlei Handlungsentwicklung oder echte Dramaturgie gibt – geschenkt. Bei gerade einmal 60 Minuten Laufzeit reicht das gerade noch aus, um die Unterhaltung am Laufen zu lassen.

Und so erweist sich Russ Meyers erster Spielfilm als Vorausschau auf all das, was da an Wildem und Ungehemmtem in seiner Filmografie noch kommen sollte, als ironisch-freundlicher Kommentar auf die spießigen USA der 50er und zugleich offenkundigstes Männerprodukt im Stile des frühen „Playboy“. Als Geheimtipp für aufgeschlossene Trash-Film-Fans durchaus empfehlenswert, auch wenn Meyer noch bedeutend Besseres geschaffen hat.

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