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Wie heißt der einzige Amerikaner mit einem Ehrengrab in Moskau ? John Reed... Wer war also dieser John Reed ? In MEXIKO IN FLAMMEN versuchen die sowjetische Mosfilm und die italienische Cinefin in Verbindung mit der RAI eine Antwort auf diese Millionenfrage. Zunächst war John Reed nur ein unauffälliger Harvardstudent, der gelegentlich Gedichte publizierte, die auch in der New Yorker High Society gelesen wurden. Als er auf Einladung eines Kollegen die sehr einseitige und bleihaltige Eskalation des Streiks der Seidenweber in Paterson/New Jersey miterlebt, schlägt er sich auf die Seite der Arbeiter, bricht aber die Kontakte zur New Yorker Elite nicht ab. Da er in Harvard Soziologie und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, findet er in den Verwerfungen der mexikanischen Revolution von 1910 bis 1920 eines seiner großen Themen.
Sergej Bondartschuk, einer der Premiumregisseure des modernen Sowjetfilms, startet seine revolutionären Impressionen mit einem Porträt der schießwütigen Horden des Emiliano Zapata, richtet zwischendurch den Fokus auf die niedergedrückten Befindlichkeiten der genervten Zivilbevölkerung, um dann schon bald von den revolutionären Banditen des Pancho Villa zu erzählen. Das gelingt ihm durchweg kurzweilig und ohne propagandistisches Pathos. Anhand von vielerlei Rückblenden und Traumsequenzen soll wohl die Zerrissenheit der Persönlichkeit des Frontreporters John Reed demonstriert werden. Leider sind die einzelnen Filmabschnitte so unklar strukturiert, dass auch ein wenig Verwirrung erzeugt wird.
John Reed kann seine journalistische Unabhängigkeit nicht sehr lange aufrechterhalten und bastelt schon bald für den wegen Mordes gesuchten Pancho Villa Handgranaten. Das Wechselspiel aus der gezwungenen Kumpanei mit den mexikanischen Revolutionären und den Ansprüchen und Angeboten seiner feudalen New Yorker Freundin setzt ihm in psychischer Hinsicht hart zu. Als die USA in den 1.Weltkrieg eintreten wollen, hält er im Verlagshaus, das ihn beschäftigt, eine flammende Rede gegen die Kriegsteilnahme.
MEXIKO IN FLAMMEN bietet in Sachen Ursachenforschung der äußerst blutigen mexikanischen Revolution nur die verkürzte Binnenperspektive, wonach das Verhältnis zum militaristischen Entwicklungsdiktator Porfirio Diaz und der feudalen Schicht der Großgrundbesitzer eben zerrüttet gewesen sei. Die ökonomischen Wurzeln reichen aber weit tiefer bis ins beginnende 19.Jahrhundert, als der seit zweieinhalb Jahrhunderten florierende Manila-Acapulco Handel auf Wunsch einiger spanischer Städte endgültig zusammenbrach. Damals waren die Philippinen Kronkolonie unter Spaniens Vizekönig in Mexiko. Der Manila-Acapulco Handel war über Jahrhunderte derart einträglich, das weder auf den Philippinen noch in Mexiko in weitere wirtschaftliche oder kulturelle Infrastrukturen investiert wurde. Es zählte einzig und allein der schnelle Peso und so blieben weite Teile der Bevölkerung praktisch ohne Bildung und ohne Aufstiegschancen. Als die Handelsprofite ausblieben, führte das zu einem gigantischen Schuldenberg, der irgendwann nicht mehr abgetragen werden konnte. Die ökonomischen Folgen des „Guerra de la Reforma“ von 1858 -1861 taten ein übriges. Das kränkelnde Frankreich war als Hauptgläubiger tief betroffen und schickte 1862 eine riesige Streitmacht nach Mexiko City. Eine Marionettenregierung unter dem Kaiser Maximilian von Habsburg wurde eingesetzt und es herrschte schon bald allgemeine Tributpflicht. Alle weiteren Verwicklungen in Mexiko leiten sich aus diesen Sachverhalten ab.

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