Review

Erleben wir da gerade die Geburt eines neuen Genres? Vielleicht die des "GreenScreen"-Films?
George Lucas hat's mit "Episode I" vorgemacht - Filme wie "Sky Captain and the World of tomorrow" oder "Sin City" machen es nach und in absehbarer Zeit wohl auch jeder ambitionierte Hobby-Filmer: die Kulissen und evt. ein paar Charaktere aus der CGI-Konserve und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt...Fluch oder Segen?
Für den Comiczeichner Enki Bilal sind diese Möglichkeiten sichtlich eine Erfüllung. Vertraut im Umgang mit Stift und Papier ist der Comiczeichner die absolute Kontrolle über seine Bilder seit jeher gewöhnt, mit "Immortal" treibt Bilal nun seine Visionen auf die Spitze und präsentiert einen der visuell aufregendsten Filme der letzten Jahre(!).
Sicher - die CGIs kommen selten über das Niveau gerendeter Videospiel-Sequenzen hinaus, das hat "Final Fantasy" vor Jahren schon einen ganzen Zacken lebensechter hinbekommen, aber Bilal geht es auch nicht um Realismus - seine Story um den ägyptischen Gott Horus, der in sieben Tagen die einzige Frau finden muss, die Kinder von Göttern gebären kann, scheint ebenfalls nicht wirklich direkt aus dem Leben gegriffen.
Auch die Charaktere wirken eher wie aus "StarWars" entsprungen, lediglich die drei Hauptcharaktere werden von echten Menschen gespielt - wenn's um darstellende Gefühle geht, setzt man diese tatsächlich immer noch besser analog in Szene. Auch wenn Linda Hardy und Thomas Kretschmann nicht wirklich gefordert werden, bilden diese doch das emotionale Herz des Films.
Mit diesen "Werkzeugen" gestaltet Bilal sein Bilder-Epos. Anleihen an andere visuell bahnbrechende Filme wie "Blade Runner" oder "The 5th Element" sind nicht von der Hand zu weisen, aber "Immortal" ist mehr als ein Abklatsch - er ist die logische Weiterentwicklung. Wo Besson cartoonige Akzente setzte und Scott dem speziellen 80er-Neon-Flair nicht gänzlich entkam, setzt Bilal auf eine in Blau-/Grau-Tönen gehaltenen Grimm'n'Gritty-Look, der in der Architektur am beeindruckendsten zur Geltung kommt. Personen und Viecher wirken wächsern und etwas sehr behäbig animiert, aber man gewöhnt sich dran, da jede Figur eine andere Rasse zu sein scheint und diese Kritkpunkte zu deren Charakterisierung nicht undienlich sind. Kretschmar und Hardy fügen sich ungewöhnlich gut in die künstliche Umgebung ein und machen selten einen deplazierten Eindruck. Dabei ist insbesondere Hardy als blauhaarige Jill ist eine echte Augenweide und jede ihrer Szenen brennt sich ohne Umschweife ins Langzeitgedächtnis - eine unglaubich hübsche Frau...
Trotzdem bleibt der Film insgesamt ziemlich unterkühlt. Es fehlen die großen Momente, die ein Rutger Hauer noch mit einem finalen Monolog stemmen konnte. Nach exakt einer Stunde traut sich Bilal die Künstlichkeit aufzubrechen und spielt eine mit brüchiger Stimme gesungenen Pop-Ballade ein und für zwei Minuten ist man ganz nah bei Jill und ihrem Prozess des Menschwerdens, aber es hat halt nicht die Wucht wie der Tod eines Replikanten - trotzdem wünscht man sich mehr solcher Momente...

"Immortal" ist in erster Linie also einfach wundervoll anzuschauen und *genau so* stellt man sich einen europäischen CGI-SciFi-Film bzw. einen "realistischen Anime" vor. Zwar schleppt auch er das Stigma künstlich erschaffener Realitäten mit sich herum - alles bleibt irgendwie Behauptung, aber den Bilder-Junkies dürfte es herzlich egal sein - Gucken und Staunen!

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