Der Mythos des Wilden Westens á la Russ Meyer: Anhand eines „Stadtporträts“ zeigt er, wie wild es wirklich zuging. Da jagen sich Cowboys und Indianer, treffen sich miserable Scharfschützen zum endlosen Duell, werden ahnungslosen Vorbeikommenden auf Außenaborten böse Streiche gespielt, gibt es Falschspiel, Alkohol und Schlägereien im Saloon – und allenthalben nackte, willige Frauen, die ihre beträchtlichen Oberweiten nur zu gerne präsentieren.
Auch „Wild Gals of the Naked West“ präsentiert sich einmal mehr als ebenso billiges wie kreatives Trash-Filmchen, das sein quasi nicht vorhandenes Budget durch umso verrücktere und absurdere Ideen wettmacht. Schon der Titel macht dabei deutlich, wohin die Reise geht (und mit der schönen Übersetzung „Wilde Weiber im nackten Westen“ hat sich auch der deutsche Verleih nicht lumpen lassen), und hier dürfen Fans der Sex-Trash-Legende wirklich das Beste vom Schlechtesten erwarten.
Im Vergleich zu den Vorgängerfilmen nimmt hier die durchgeknallte Kreativität tatsächlich neue Maßstäbe an. Das beginnt schon mit der experimentierfreudigen Inszenierung: Da gibt es Schießereien aus der Point-of-View-Perspektive eines Schützen, der zu Boden geht (womit man sich praktischerweise zusätzliche Darstellende spart), einen alten Mann, der direkt in die Kamera spricht und von der Geschichte seines zur Geisterstadt herabgesunkenen Heimatortes erzählt; des weiteren folgen grandios bescheuerte Ideen wie die schlechtesten Duellanten der Western-Geschichte, die sich aus wenigen Metern Entfernung verfehlen und sich danach den Rest des Films mit endlosen Faustschlägen bearbeiten, nackte Damen, die sich vom Balkon eines Bordells aus mithilfe eines Lassos wortwörtlich Männer angeln; und schließlich, warum auch nicht, einen herumlaufenden Gorilla (oder ein Mann in einem Gorilla-Kostüm?), der sich rabiat Weste und Hut besorgt und erst mal im nächsten Saloon einen trinken geht.
Damit jedoch noch lange nicht genug der Verrückt- und Albernheiten: Selbst im weiten Gebiet des Trashfilms gibt es wohl wenige Filmschaffende, die ihren eklatanten Mangel an Geld und materiellen Möglichkeiten so frech als filmisches Stilmittel einsetzen wie Meyer. Er kann sich keine vernünftigen Kulissen oder Settings für den Saloon leisten? Was solls, dann klimpert der Klavierspieler eben auf aufgemalten Tasten herum, und die Schlägereien vollziehen sich vor quietschbunten Wänden mit aufgemalten Tischen, Gläsern, Regalen und Flaschen. Dass selbst in den obligatorischen Momenten, wenn jemand aus dem Saloon geworfen wird, die Darstellenden einfach um den Türrahmen herumgreifen (denn die eigentlich dazugehörende Wand fehlt schlicht und ergreifend), ist der Gipfel des anarchischen Filmemachens. Oder wie wäre es mit dem Gag, dass das Innere eines schlichten Plumpsklos mitten im Busch wie ein modernes Badezimmer aussieht, in dem eine nackte Schöne in der Wanne ein Schaumbad nimmt? Solcherlei Meta-Witze gibt es hier zuhauf, und eben diese schnörkellose Verrücktheit hebt „Wild Gals of the Naked West“ auf ein ganz anderes Niveau als die bisherigen Meyer-Streifen.
Hier gefällt auch deutlich mehr, wie viel sinnvoller die zahlreichen nackten Frauen in das Konstrukt (von einer Story möchte man wirklich nicht reden; der knapp 60 Minuten lange Streifen besteht aus einer einzigen Wiederholung gleicher Szenen, unterlegt mit schriller Jazzmusik) eingebaut werden: Von den Animierdamen im Saloon über eine großbusige Halbnackte, die von einem Indianer verfolgt wird, bis zu einer Gruppe Damen, die ein Bad im Fluss nehmen, macht hier alles doch eher den Eindruck, dass es auch tatsächlich zueinander gehören könnte. Und der namenlose Fremde, der schließlich ins Städtchen einreitet und mit Gewalt und Sittenlosigkeit aufräumt, ist eine herrliche Parodie auf althergebrachte Western-Figurenstereotype. Überhaupt erweist sich der Film neben seinen obligatorischen Nacktheiten als erstaunlich treffsichere Parodie aufs Western-Genre. Ob das daran liegt, dass hier das Drehbuch erstmals nicht von Russ Meyer allein stammt?
Auch wenn „Wild Gals of the Naked West“ weiterhin auf so etwas wie eine echte Story oder Dramaturgie verzichtet und stattdessen aus endlos repetitiven Schleifen der immer gleichen Handlungen besteht – wobei daraus auch gute Running Gags entstehen, wie die Dame, die sich mehrfach von ihrem Liebhaber Champagner einschenken lässt und der jedes Mal von einem Betrunkenen das Glas aus der Hand geschossen wird – und hier auch die niedersten Klischees über Native Americans (ein Ausdruck, der angesichts eines so durch und durch unkorrekten Streifens wirklich fehl am Platze wirkt) verbreitet werden, macht dieses so kurze wie kurzweilige Werk wirklich Spaß und zeigt überdeutlich, mit welcher Hingabe, übersprudelnden Kreativität und Furchtlosigkeit auch vor den absurdesten Übersteigerungen Russ Meyer an seine besseren Werke gegangen ist. Nicht nur für Western-Fans ein echter Geheimtipp!