"Natural Born Killers" ist definitiv einer der kontroversesten Thriller der 90er Jahre. Die meisten Kritiker, und sogar Quentin Tarantino, der das ursprüngliche Drehbuch von "NBK" verfaßt hatte, ließen den Film komplett durchfallen. Tarantino unterstrich in jedem Interview aus dem Jahr 1994 seine Abneigung bezüglich der Version von Regie-Wüterich Oliver Stone.
Die Hauptkritik kam natürlich aus dem Lager der Jugendschützer und derer, die die satirischen Untertöne nicht verstanden oder übersahen. "Der Film würde die Stilmittel verwenden, die er zu kritisieren vorgibt" war wohl der Haupttenor, wenn man sich eine Review zu dem Werk durchliest. "NBK" ist als Medienschelte gedacht, über eine Gesellschaft, die sabbernd vor dem Fernseher sitzt, wenn Reality-TV in blutigster Machart auf den Schirmen flimmert. Eine Satire auf das Fernsehen das für Quote und Marktwert auch die übelsten Killer zu vermarkten und heroisieren weiß. So geht es nämlich Mickey und Mallory (Woody Harrelson und Juliette Lewis).
Der Film ist grundsätzlich in zwei Hälften zu teilen: Der erste zeigt Mickey und Mallory auf ihrer Chaosfahrt durch die Vereinigten Staaten, und in Rückblicken die Anfänge ihrer Beziehung. Hier wird gezeigt, wie skrupellos und berechnend sie arbeiten: Bei jedem Mord hinterlassen sie ein verängstigten Überlebenden, der den johlenden Medien und Fans von den blutigen Taten des Killerpärchens berichten kann. Zwei Menschen sind den Beiden auf den Fersen: Detective Jack Scagnetti (Tom Sizemore) sieht in der prestigereichen Verfolgung eine gute Plattform zur Promotion seines neuesten Buches; Reality-TV-Moderator Wayne Gale (Robert Downey jr) will die wildesten Schauplätze mit der Kamera einfangen. Gales Traum wäre ein Live-Interview mit den Killern. Die erste Hälfte endet mit der Verhaftung Mickeys und Mallorys durch Scagnetti.
Der zweite Teil spielt dann im Gefängnis, das durch den ekelhaft-schleimige Knastaufseher Dwight McCluskey (Tommy Lee Jones) geleitet wird. Hier hat Gale endlich sein Ziel erreicht: Ein Interview mit Mickey ist angesetzt. Doch die Situation eskaliert und ein Aufstand entsteht im Gefängnis. Um die Satire völlig zu übertreiben, entstehen hier einige der wichtigsten Szenen: Während sich Mickey und Mallory durch das revoltierende Gefängnis schießen, filmt Gale unbarm- und kaltherzig mit - bis er selbst von der Lust auf Mord und Gewalt korrumpiert wird, und selbst zur Waffe greift. Einleuchtend, welche Botschaft und Stone hier bieten will.
Die Optik ist bei "NBK" entscheidend. Und man merkt diesem wilden Trip deutlich an, das wohl an jedem Drehtag von "NBK" halluzinogene Pilze und Haschisch an der Tagesordnung waren. Es entstand kein normaler Film, eher ein Remix. Eine Splittergranate. Der Film wurde mit sieben verschiedenen Verfemdungstechniken aufgewertet. Viele verschiedene Formate machen das Sehen aufregender. Schwarzweißbilder wechseln sich mit auf eine Farbe fokussierte Shots. Stop-Action-Aufnahmen und Standbilder wechseln sich mit Zeichentricksequenzen im Anime-Stil und wilden sehr kurzen Einblendungen von geköpften Menschen, einem blutüberströmten Mickey und alten Wochenschaubildern, ab. Hintergrundprojektionen sind an der Tagesordnung, machen das Sehen anstrengender. Selbst wenn sich Mickey und Mallory körperlich lieben, sehen wir im Hintergrund laufende Bilder von Hitler, Stalin, von Kriegsgeschehnissen und von der Kettensägenszene aus "Scarface". Sogar abstrakte Morphingeffekte werden benutzt, um den letzten Bezug zur wirklichen Welt wegzuwischen.
Diese ganze extrem abgefahrene, suggestive Montage- und Filmtechnik zeigt uns, das der Film uns in keinem Fall die wahre Realität zeigt, sondern das, was Mickey und Mallory sehen, empfinden. Daher ist der Film definitiv nicht manipulativ oder gewaltverherrlichend. Nicht gefährlich oder böse. Eher provozierend und gewollt abstrakt.
Erst der ungekürzte Director's Cut zeigt uns den vollen Wahnsinn aus den letzten Gefängnisszenen (die Situation schien ja bei den Dreharbeiten eh recht unkontrollierbar zu sein). Hier wird aus einer Revolte aus der Kinofassung ein apokalyptischer Ausbruch-Kamikaze-Versuch. Leute durchschneiden Kehlen, Wachmänner werden in Öfen gepfropft und - eine mittlerweile legendäre Szene - der abgetrennte Kopf von Tommy Lee Jones wird triumphierend in die Höhe gehalten.
Einziger Kritikpunkt wäre die arge Schablonenhaftigkeit von Tom Sizemores Charakter. Die Figur des perversen Cops (er tötet eine Prostituierte), hat man schon öfter und besser karikiert gesehen. Ansonsten gilt: Aggressive Brutalo-Visionen vom Regie-Berserker No. 1 Oliver Stone, inhaltlich okay, visuell absoluter Oberhammer.