"Wenn Du schon mit einem kleinen Revier zufrieden bist, schaffst Du es nie bis ganz nach oben."
Kein Satz dürfte Ma Yung-Chen (Chen Kuan Tai) besser beschreiben, als dieser.
Einst aus der bäuerlichen Provinz Shantung nach Shanghai gekommen, um dort das große Geld abzusahnen, macht Ma die Bekanntschaft mit dem Gangsterboss Tan Si (David Chiang), der sofort zu seinem Vorbild avanciert.
Sichtlich beeindruckt von seinem neuen Freund und selbst ausgestattet mit einer hervorragenden Kampfkunst, will sich auch Ma einen Namen in Shanghai machen und gerät dabei in die Ziellinie des konkurrierenden Gangsterbosses Yang Shuan.
Als Ma dessen Schutzgelderpressern Einheit gebietet und sie vertreibt, wird er fortan ehrenwürdig der "Boxer von Shantung" genannt.
Nach und nach bringt Ma die einflussreichen Reviers von Yang Shuan unter seine Kontrolle und entfacht dabei einen Krieg zwischen den Gangsterbossen, in der er schließlich mehr als nur eine Nebenrolle spielen soll...
Liest man den oben zitierten Satz, dann fühlt man sich als Zuschauer in erster Linie doch an die großartigen Werke des Gangsterepos erinnert - etwa an Francis Ford Coppola´s "Godfather"-Trilogie oder Al Pacino´s Paraderolle als "Scarface".
So wundert es auch wenig, wenn man liest, der "Boxer from Shantung" gälte als der "Scarface von Hongkong". Ein mutiger Vergleich! Gerade in Anbetracht, dass das Werk von Brian de Palma erst gut zehn Jahre später die Leinwand erblickte - andererseits auch logisch, denn schon hier dreht sich die Rahmenhandlung um den Aufstieg und Fall eines Gangsters.
Eventuelle Einflüsse damaliger Gangsterfilme mögen hier und da sicher eine Rolle gespielt haben - und so inszenierte Chang Cheh auch keinen typischen Shaw Brother Film, sondern ein Werk, das über die charakteristischen Chang-Cheh-Merkmale hinaus, weitere, viele ernennenswerte Aspekte zu bieten hat:
Einmal wäre da die tolle Schauspielerleistung von Chen Kuan Tai zu nennen, der in seiner ersten Hauptrolle als selbstgefälliger, wagemutiger, dennoch auch leicht naiver Antiheld besticht und mehr als eine ordentliche Leistung abliefert.
David Chiang für die Nebenrolle des Gangsterbosses Tan Si zu besetzen und nicht etwa für diese Hauptrolle, erweist sich somit auch als glückliches Händchen - schließlich war David Chiang bereits ein Shaw-Brothers-Star, Chen Kuan Tai wurde es spätestens jetzt.
Mindestens genauso schön anzusehen sind die Shaw Brothers Kulissen und herrliche Landschaften, die natürlich nicht Zenit des Filmes sind, aber wie gewohnt visuell beeindrucken.
Atmosphärisch ist "Boxer from Shantung" dabei lange nicht so dunkel-düster angesiedelt wie die Gangsterwerke des US-Kinos, aber ob ein Vergleich überhaupt angebracht ist?! - dazu später mehr.
Wenn Chang Cheh einen Film dreht, darf eine Portion Gesellschaftskritik natürlich nicht fehlen. Aus diesem Grund entspricht der Hauptcharakter wohl auch nicht dem typischen "Gangsterprofil" und ermächtigt sich lieber der korrupten Reichen, als den ohnehin beleidenswerten Armen. Ma vergisst nicht, wo er herkommt und gerade aus diesem Grund ist sein Fall wohl auch unausweichlich.
Nun aber zu dem "Scarface"-Vergleich: Das Chang Cheh eine Gangstergeschichte erzählt, ist bemerkenswert - im Vordergrund steht dennoch die Kampfkunst des Boxers und Martial Arts im Allgemeinen.
Das sie den Hauptteil ausmachen und nichts anderes, wird zum Beispiel in der Beziehung zwischen Ma und einer Teehaus-Angestellten deutlich. Diese wird kurz angeschnitten und ihr scheinbar auch einiges angemessen - dennoch aber ist sie für die Rahmenhandlung glänzlich unentscheidend.
Nun - lässt man die Inspiritation außen vor, dann ließe sich "Boxer from Shantung" doch am ehesten mit einem anderen Werk von Chang Cheh vergleichen : nämlich "Vengeance". In diesem Film griff Chang Cheh doch bereits gangstertypische Elemente auf, während er sie in "Boxer from Shantung" bestenfalls fortsetzte.
Interessant ist übrigens, das John Woo höchstpersönlich, der erst Jahrzehnte später mit seinen Filmen auf sich aufmerksam machte, in diesem Chang Cheh assistierte.
Betrachtet man das Blutvergießen in Chang Cheh´s Werken, insbesondere in "Boxer from Shantung", dann wurde John Woo für seine "Heroic Bloodshed"-Filme vermutlich selbst wesentlich beeinflusst. Kein Wunder.
"Boxer from Shantung" ist eben ein echtes Unikat unter den Chang Cheh Werken und in meinen Augen eine der besten Shaw-Brother-Produktionen überhaupt.
8 / 10