Bläser erklingen. Die Kamera schwenkt über ein kleines Tal irgendwo in Italien. Ein paar Felsen schälen sich aus dem Grün, als wollten sie dem ungewohnten Besuch zuwinken, wie lustige Fans bei einem Sportinterview. Drei unterschiedlich gewandete Gestalten nähern sich. Die Musik spielt zu viel mehr Dramatik auf, als es die Wanderer in ihren Lustwandel aufnehmen wollen. Ein kurzes Leiern der Tonspur und ein Videobearbeitungsgerät aus dem Quellekatalog legt in schnörkellos-kantigen Computer-Lettern vielversprechend den deutschen Titel über das Standbild: Thor - Der unbesiegbare Barbar.
Während die Drei über die Lichtung eines Wäldchens stolzieren, welches sich vermutlich unweit des Wohnortes der Filmschaffenden befand, klärt ein Erzähler über die Sachverhalte auf: 'In den Sternen und in den Eingeweiden der Toten steht geschrieben, dass aus dem Geschlechte Kunz, des Erhabenen, der größte Herrscher der Welt geboren wird. Thor, der Eroberer. Der Liebling des Gottes Te-Shah.' (Namen nach Gehör) Man ist gleich ungemein schlauer. Genausogut hätte man zu der Wanderschaft das lustige 'Hey Ho' Lied der sieben Zwerge aus Disneys Schneewittchen und die sieben Zwerge einspielen können.
Der Erzähler ist Etna (Christopher Holm), welcher sich als die in wallende Lumpen gehüllte Begleitung eines Pärchens werdender Eltern entpuppt. Seiner Vorsehung nach beginnt er eine Zeremonie am heiligen Stein von Te-Shah, wo laut ihm die Söhne der Herrscher geboren werden. Die hochschwangere Frau steht an einen Baum gelehnt, da senkt ihr fellbekleideter Gatte seinen martialischen Zweihänder in ihre Richtung. 'Gehe nun Weib und gebäre unseren Sohn!' gebietet er. Die Dame geht in das Gebüsch, als hätte sie ein Geschäft zu verrichten. Der Oberbarbar hebt sein Schwert gen Himmel und ruft seine Gottheit an.
Der Erbfolger erblickt das Licht der Welt, doch als der Vater das kleine Wesen empor liftet, trifft ein Pfeil in das Bündel. Es ist Gnut (Raf Baldassarre) mit seinen Mannen, offenbar von dieser Niederkunft nicht begeistert. Als die Eltern im Kampfgetümmel fallen, verwandelt sich Etna in eine Eule, den Vogel dessen Schrei auch bei Shakespeare den Tod der Herrscher begleitet. Erzählend gibt er zum Besten, daß er klammheimlich den kleinen Thor vor dem Groll Gnuts gerettet hätte. Das Schwert des Vaters verwandelt er in eine Schlange, bis Thor in der Lage sein wird, Rache zu nehmen.
Was sofort deutlich wird, ist daß Thor - Der unbesiegbare Barbar ein billiger Schnellschuß im Fahrwasser des erfolgreichen Conan - Der Barbar ist, welcher seinerzeit ein paar Hände voll Nachahmungspilze aus dem Boden schießen ließ. Einige von diesen Filmen hatten allerdings durchaus eine gewisse Qualität und wirkten nicht schon in der Einführung wie ein Wald- und Wiesenprodukt unter dem Niveau des Manowar Videoclips zu 'Gloves of Metal', der möglicherweise mehr Geld verschlungen hat, zumindest aber in gestalterischer Hinsicht wesentlich aufwändiger und dynamischer daher kommt.
Das am Glauben der Zuschauer rüttelnde Drehbuch von Tito Carpi, der immerhin auch an gar nicht so üblen Filmen von Ruggero Deodato und Enzo G. Castellari mitgeschrieben hat, wiegt die hauptsächlich aus Gebrüll und lustlos einstudiertem Gerangel bestehenden Kämpfe jedoch zunächst auf. Es ist aber auch gut möglich, daß am Set zu ein paar Zeilen improvisiert wurde.
Thor (Bruno Minniti) ist erwachsen geworden und beobachtet gemeinsam mit seinem Mentor Etna ein paar Menschenfresser, die eine Frau verschleppen. Bei dieser Gelegenheit erklärt Etna auch gleich, daß dieser mickrige Blonde eine Frau ist. Obwohl man die Zerstückelung nicht sieht, winkt Thor - Der unbesiegbare Barbar nochmal dem kurzlebigen Kannibalengenre zu, als die Männer schmatzend und rülpsend an einer Extremität nagen.
Doch der Moment, in dem man lieber keinen Schluck von seinem Getränk nehmen sollte, kommt darauf. Thor hat natürlich alle erledigt. Als das Duo ihre Wohnhöhle betritt, haben sie die Blondine im Schlepptau, die von Thor in eine Nische getrieben wird. Hier beginnt ein Aufklärungsprogramm, welches man sich wohl nur von den familären Vorstellungen ausgesprochener Klischeeitaliener erwarten würde und es ist dabei noch fraglich, ob die Synchro nicht einfach wortgetreu übersetzt hat.
'Thor! Behandle sie nicht wie ein Tier! Sie ist ein Mensch! Ein Weib! Nimm sie, sie hat wenig Kraft und sie ist dumm!' weiß Etna sich einzumischen. 'Sieh dir ihren Körper an, Thor! Das Weib ist für die Liebe geschaffen. Nimm sie! Sie ist dein. Berühr sie, Thor! Ja, streichle sie! Sei zart zu ihr. Entkleide sie und berühre ihre Lippen. Das Weib muß dir immer Untertan sein, dir dienen und deine Kinder austragen. Kinder entstehen durch die Paarung von Mann und Weib... Und der Mann hat mehr Spaß daran, Kinder zu machen, als sie groß zu ziehen.'
Müßte man bei dieser bizarr die sexuelle Orientierung und von einer wenig selbstbewußten Zielgruppe erträumte maskuline Übermacht hervorhebenden Äußerung nicht von einer homophoben Rechtfertigung dafür ausgehen, daß sich ein rein männliches Publikum stundenlang an einem eingeölten Muskelfatzke erfreut, man könnte von kritischem Zynismus sprechen. Doch eigentlich sind es ja Ausrutscher wie dieser, die ein treues Trashpublikum an billigste Trivialunterhaltung bindet, die im Gegensatz zu guten Heldengeschichten kaum eine Identifikation mit dem allmächtigen Protagonisten ermöglichen.
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sah dies jedoch anders und setzte Thor - Der unbesiegbare Barbar auf den Index, von dem er erst im August 2008 wieder entlassen wurde.
Thors Aufgabe ist es fortan die Prophezeiung im Namen Te-Shahs zu erfüllen und sich nicht nur seines Vaters Schwert zu bemächtigen, sondern auch den goldenen Samen zu finden, mit dem er der mächtigste Herrscher aller Zeiten werden soll. Da Etnas Beine zu müde sind, wird er Thor nur mit dem Geiste umschweben.
Obwohl der Film fast gänzlich ohne Bauten auskommt und Massenszenen ausspart, da wohl nie mehr als ein dutzend Statisten zur Stelle war, trumpft Thor - Der unbesiegbare Barbar hier nochmals gehörig auf. Mit viel Nebel, ein paar Knochen und einer Holzruine findet sich an einem Bach der passende Hintergrund, um sich mit einem Ork anzulegen, was sogar im Rahmen der Möglichkeiten überzeugt. In der Szene darauf wird Thor von bösen Geistern befallen, die ganz im Stil der alten Mehrfachbelichtung, mit der schon Georges Méliès die Freunde surrealer Darstellung zu Beginn des Jahrhunderts begeistern konnte, einkopiert und fiese bis grenzdebil lachend, kichernd und jaulend um Thors Kopf schweben. Im Hintergrund erhebt sich ein Skelett, um den Eindruck eines mächtigen Albdrückens zu unterstützen.
Doch war der Spuk noch infantile Freude im um den Abfall der Videoindustrie kreisenden Alltag, so ordert Regisseur Tonino Ricci, der zum Ende des Jahres auch den Endzeitheuler Rush auf die Menschheit loslassen sollte, schnell Rückbesinnung zu einem einfacheren Konzept an. 'Ürgs!' 'Argh!' Immer gleiche Kampflaute im Comicstil bestimmen Auseinandersetzungen, die bis auf die unterschiedlich gekleideten Darsteller kaum Abwechslung bieten. Drei kampflüsterne Weiber sind es jetzt, die Thor zur Strecke bringt. Ino (Maria Romano) windet sich schließlich unter seiner überlegenen Kraft, als er ihr unbeholfen an den Busen greift. Kaum zu glauben, daß er sie noch soweit brechen wird, daß sie getreu der Prophezeiung sein Kind austrägt.
Überhaupt hindert das Wissen um die Vorsehung die Dramaturgie dieser minimalistischen, lose auf zusammengewürfelten Motiven der Mythologie basierenden Sage äußerst stark, benötigt Thor - Der unbesiegbare Barbar doch für die Erfüllung des Weisgesagten noch eine gute Stunde, ohne nun noch wirkliche Überraschungen aufzufahren. Zwar ist die einfache Umsetzung immer für ein Schmunzeln gut, doch neigt man als Zuschauer nun dazu, sich zurück zu lehnen und die Augenlieder etwas sinken zu lassen.
Anstatt näher auf die Figuren einzugehen bietet Thor - Der unbesiegbare Barbar einen Fundus nichtssagender Füllszenen, die sich weitestgehend mit marschieren und Rast beschäftigen, in der Beziehung zwischen Thor und Ino aber allenfalls den männlichen Chauvinismus hervorheben. Es erinnert mal wieder an das Prinzip eines Sexfilms, wie diese Elemente ein Bindeglied zwischen den vermeintlichen Anregungssequenzen herstellen. Bei funktionalen Attraktionen mag dies auch durchaus erträglich sein, insbesondere wenn die Dialoge ihr komisches Potential beibehalten würden. In diesem Fall, um den Vergleich fortzusetzen, handelt es sich aber eher um unbequeme Schummelmasse in einem minderwertig akrobatischen Stellungsporno. Von einem Gefühl für Ästhetik und Emotionen fehlt demzufolge jede Spur.
Bevor der Zuschauer erste Spinnenweben ansetzt, geht der Film das Finale an, indem Thor, der einer handvoll Menschen den Ackerbau bescherte, bei einem Überfall durch Gnut und seine Schergen geblendet wird. Seiner Sicht beraubt stolpert Thor mit theatralisch vorangestreckten Armen durch den Wald, bis er sich in einer Höhle niederläßt. Die Musik Francesco De Masis ist bei diesem tragischen Moment auffällig einstimmig mit den Bildern. Leider gelingt dieser Konsens mit seinen für sich nicht unbedingt schlechten Stücken äußerst selten. Als Thor seinen Gott Te-Shah angefleht und sein Augenlicht wiedererlangt hat, überreicht ihm Etna ein Tier, daß der Mensch einmal Pferd nennen werde. Abgesehen davon, daß der Schlaukeks dies eben selber getan hat, ist dies natürlich eine sehr einfache Erklärung dafür, daß der Kleine Onkel mit zu wenig Tupfen das erste Reittier ist, daß man zu Gesicht bekommt.
Als Thor schließlich das Schwert seines Vaters in den Händen hält, ist es für eine blutige Rache praktisch schon zu spät. Nur halbherzig wird ein Endkampf abgefrühstückt, der bei einer abflachenden Unterhaltungskurve, denn eine Spannungskurve gibt es wie gesagt gar nicht, einen enttäuschenden Beigeschmack in diesem ansonsten besonders zu Beginn mit ordentlich Lichtblicken für die Hardcorefans des Schundvergnügens gespickt ist. Doch um Amüsement wird es der obskuren Abruzzo Cinematografica nie gegangen sein, als sie dieses mit Fehlern behaftete und apathisch durchexerzierte Vehikel als Streitwagen in die Videoschlacht um das Fantasyregal schickten.
Die wenigen benötigten Kröten waren schnell aufgebracht, die Verleiher weltweit rissen sich noch um jeden Mist, der sich durch einen muskelbepackten Barbaren verkaufen lassen konnte. Wenn einem der Profit quasi so vor die Füße gelegt wird, wer hätte nicht zugegriffen? Aus dieser Perspektive betrachtet ist Thor - Der unbesiegbare Barbar auf unbeabsichtigter Basis erstaunlich gelungen. Selten gab es einen Film, der sich Qualität so konsequent verweigerte. Deshalb ist die Produktion für ein wirklich strapazierfähiges Publikum ein gefundenes Fressen, birgt gar Stoff für ein paar prustende Lacher. Wer jedoch nur nach ein wenig sympathischem Barbarenkitsch sucht und keine Vorstellung davon hat, wie weit man die Meßlatte nach unten legen kann, der sollte einen riesigen Bogen um dieses Machwerk schlagen. Ein Eroberer, der größte Herrscher der Welt, ist dieser Thor mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht.