„Der Film schildert fünf Lebensstationen vor dem traumhaften Hintergrund eines Mönchsklosters, das, von Wald umgeben, auf einem See schwimmt. Es sind Geschichten aus der Entwicklung eines Mönches vom Jungen bis zum alten Mann, die Freude, Zorn, Schmerz, Lust und Erleuchtung zeigen, in Übereinstimmung mit den Jahreszeiten. Sie erzählen von den wechselnden Qualitäten eines Menschen, von der Entstehung und Bedeutung von Reife, von der Grausamkeit der Kindheit, der Besessenheit im Begehren, dem Schmerz eines Mörders und von der Befreiung durch Kämpfe mit sich selbst.“ (Film Tage Thusis)
Kim Ki-Duk scheint seinen Zorn verloren zu haben. Denn einen schöneren und versöhnlicheren Film als dieses absolute Meisterwerk kann man sich kaum vorstellen. Und das von einem Mann, der uns THE ISLE, ADRESS UNKNOWN und BAD GUY um die Ohren gepfeffert hat.
SPRING... ist in Kooperation mit der Filmförderung Hamburg entstanden und fand in der Hansestadt auch in der Nachproduktion zu seiner endgültigen Form. Erfreulicherweise durften interessierte Hamburger diesen Meister des modernen Kinos zu dieser Zeit im Abaton-Kino anlässlich einer Wiederaufführung von THE ISLE und einer Erstaufführung von BAD GUY persönlich kennenlernen. Ein sehr kleiner, höflicher aber willenstarker und humorvoller Mann bereitete einen sehr vergnüglichen Abend und machte da schon Lust auf seinen aktuellen Film SPRING,...
Um für diesen Film Adjektive zu finden fehlt mir die Kreativität. Es ist eine Meditation über das Leben, die Schwächen des Menschen, Erkenntnisse, Lernprozesse, Disziplin, Loyalität, Liebe, Lust, Eifersucht und Hass. „Ein bisschen viel“, mag man denken, aber es funktioniert perfekt. Schönere, poetischere Bilder, eine ergreifendere Story voller Ruhe und Ausgeglichenheit, famosere Darsteller (in der Winterepisode darf man KimKi-Duk selbst erblicken) und einen schöneren Soundtrack hat man selten auf der Leinwand erblicken dürfen.
Der Film erzählt in 103 min ein ganzes Leben und ist trotz seiner ausgedehnten Langsamkeit nicht eine Sekunde langweilig. Im Gegenteil, man ist derart „drin“, dass die Zeit wie im Fluge vergeht. Auch die Nachwirkung ist bemerkenswert. Noch Tage wird man sich an diesen Film erinnern und ein angenehmes Gefühl umfasst einen, bei dem Gedanken an dieses Meisterwerk.
SPRING, ... lief im Wettbewerb von dem kürzlich zum A-Festival avancierten Filmfest in Locarno, wo er als Favorit galt und auch vom Publikum frenetisch gefeiert wurde (nicht enden wollender Applaus empfing Kim), aber wie immer in der letzten Zeit traf die Jury eine politische Entscheidung und vergab die Leoparden an Filme aus Pakistan und Bosnien. Für mich persönlich unverständlich, speziell wenn man sich die Sieger der letzten großen Festivals anschaut (Berlin 2003: IN THIS WORLD (Afghanistan-Flüchtlinge), Berlin 2002: BLOODY SUNDAY (Irland Konflikt), Cannes 2003: ELEPHANT (Schulkinder laufen Amok in einem total miserablen und bedenklichen Film), Venedig 2003 (SILENT WATER über Islamisten) etc. pp. Lediglich Toronto hat mit ZATOICHI (der neue von Takeshi Kitano) Cineasmus vor Politik gestellt). Politik hat m.E. im Film nichts zu suchen. Ein guter Film ist zeitlos und darf seine Bedeutung bei wechselnden politischen Situationen nicht verlieren. Genug des kleinen Exkurses.
Erstaunlich an SPRING... ist, dass der Zorn von Kims früheren Filmen erloschen scheint. Vielleicht ist er erwachsen geworden, vielleicht hat er aber auch nur diesen Film „dazwischengeschoben“. Er wirkt wie eine Insel in seinem bisherigen Schaffen, ähnlich wie STRAIGHT STORY bei David Lynch oder DOLLS von Takeshi Kitano. Aber egal in welche Richtung es in Zukunft läuft, ich werde immer von Kim Ki-Duk begeistert sein.
Da SPRING... mit Mitteln von Pandora-Film hergestellt wurde, ist mit einem baldigen Kinostart in Deutschland zu rechnen. Auch eine DVD-Auswertung dürfte dann auf uns zu kommen. Bis dahin muss man auf die mit Sicherheit in Kürze erscheinende koreanische DVD hoffen.
Mirco Hölling (01.10.2003)